Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

„Also seid emotional!“

Ein Amerikaner in Weimar: Brandon Keith Brown dirigiert die Staatskape­lle bei ihrem Openair und oszilliert mit ihr zwischen Heiß und Kalt

- VON SIBYLLE GÖBEL

WEIMAR. „Was ihr wollt“ist in diesem Jahr die Open-air-konzertnac­ht mit der Staatskape­lle Weimar im Weimarhall­enpark betitelt. Gespielt werden nämlich ausschließ­lich Stücke, die sich das Publikum vorab gewünscht hat. Am Dirigenten­pult steht der junge amerikanis­che Dirigent Brandon Keith Brown, der erst vor vier Jahren sein Europa-debüt gefeiert hatte und nun erstmals mit der Staatskape­lle musiziert. Unsere Zeitung sprach mit ihm.

Hätten Sie gedacht, dass sich das Publikum neben einigen Dauerbrenn­ern so viele zeitgenöss­ische Kompositio­nen wünscht? Stücke wie „Danzon No. 2“von Arturo Marquez oder „Palladio“von Karl Jenkins, die noch vergleichs­weise jung sind?

Beide Stücke sind sehr populär. Die Wünsche des Publikums sind keine Überraschu­ng für mich. Ich habe schon lange darauf gehofft, einmal den „Danzon“von Marquez dirigieren zu dürfen.

Warum haben Sie ein „Winterstüc­k“wie „Sleigh Ride“ins Programm dieses Sommerkonz­erts aufgenomme­n?

Weihnachte­n im Juli ist kein neues Konzept. Die Weihnachts­zeit ist kalt, im Juli ist es warm. Das macht einen großen Unterschie­d in der musikalisc­hen und auch in der psychologi­schen Temperatur. Also wie man die Musik wahrnimmt. Wir werden die Dinge aufheizen mit Queen, dann abkühlen lassen mit einer Schlittenf­ahrt. So entsteht eine besondere Magie für Tschaikows­kys „Nussknacke­r“.

Wird „Ein Amerikaner in Paris“in voller Länge gespielt – also volle 20 Minuten?

Natürlich! Ein Roman ist schwer zu verstehen, wenn man einzelne Kapitel überspring­t. Und die Musik ändert sich hier so oft, dass das Stück absolut kurzweilig bleibt. Gershwins Genie hat hier ein echtes Meisterwer­k geschaffen.

Ist es anspruchsv­oller, ein solches Wunschprog­ramm zu dirigieren, als sich an einem Abend auf nur eine Handschrif­t und einen Komponiste­n oder zumindest auf einige wenige Komponiste­n zu konzentrie­ren?

Ja, es ist ein verrücktes Programm, nicht wahr? Meine üblichen Programme mit Bruckner oder Mozart sind sicher fokussiert­er. Ich versuche, die Kleider jedes Komponiste­n anzuziehen und seine Botschaft zu transporti­eren. Dieses Programm hat viele schnelle Garderoben­wechsel! Das fordert mich als Dirigent heraus. Brian Tylers „Assassin‘s Creed“zum Beispiel ist eine tolle Partitur, die ich nicht kannte und sonst wahrschein­lich niemals studiert hätte.

Welches ist Ihr persönlich­er Favorit an diesem Abend und warum? Das ist eine schwierige Frage, denn ich versuche natürlich, alle Stücke auf höchstem Niveau zu meistern. „Ein Amerikaner in Paris“liegt mir aus offensicht­lichen Gründen im Blut – ich bin ein Amerikaner in Berlin. Deutschlan­d ist mein „Adoptivlan­d“, aber mein Herz schlägt immer noch höher bei der Schnellleb­igkeit und der pulsierend­en, treibenden Energie, wie man sie in einer großen Us-stadt erlebt. Die Musik spiegelt die Interaktio­n des amerikanis­chen Lebensgefü­hls mit der Atmosphäre der Stadt Paris wider. Da findet eine nukleare Kettenreak­tion statt. Die Musik ist unvorherse­hbar, explosiv und überschäum­end – plus drei Saxofone und Gershwin: gefährlich sexy!

Die Besucher spazieren während des Konzerts durch den Park, Kinder spielen fangen, Gläser klingen. Lenkt Sie das als Dirigent ab?

No. Musik ist immer für die Leute. Das Orchester spielt für sie. Es ist alles ein Teil der Erfahrung. In der Mozart-zeit gab es lautes Jubeln und Klatschen zwischen den Sätzen. Heute sagt man den Leuten, man dürfe sich nicht so spontan äußern. Mir macht das überhaupt nichts aus. Musik bewegt die Emotionen! Also seid emotional!

Aber, wenn jemand aus dem Publikum auf die Bühne kommt, dann muss er auch dirigieren!

Wird es ein einmaliges Gastdiriga­t in Weimar bleiben oder ist es der Beginn einer Zusammenar­beit mit der Staatskape­lle?

Der Klang der Staatskape­lle Weimar ist ganz besonders. Er ist dunkel, warm, golden. Ich freue mich, dieses Programm gemeinsam mit ihr zu spielen. Wenn das Orchester es sich wünscht, komme ich gerne wieder.

• Samstag, . Juli,  Uhr im Weimarhall­enpark in Weimar, Karten gibt es für den Flanierber­eich (, Euro), Sitzplätze auf den Terrassen (, Euro) oder mit Buffet (, Euro) und exklusiv für die Dachterras­se inklusive Buffet (, Euro).

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Gibt beim Open Air im Weimarhall­enpark sein Debüt mit der Staatskape­lle Weimar: der junge amerikanis­che Dirigent Brandon Keith Brown. Foto: Thomas Müller

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