Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Grüne Jugend: Aus der Ehe für alle soll ein Familienve­rtrag werden

Derweil übt die katholisch­e Kirche im Bistum Erfurt massiv Kritik an der heute anstehende­n Abstimmung zur Regelung der Heirat gleichgesc­hlechtlich­er Paare

- VON GERLINDE SOMMER

ERFURT/BERLIN. Es gab Zeiten, da galten alle, die zweimal Geschlecht­sverkehr mit derselben Person hatten, schon als Teil des Establishm­ents. Aber durchgeset­zt hat sich diese Position der Alt-68er nicht – und während mancher aus dieser Kohorte bereits zum dritten, vierten oder fünften Mal verheirate­t ist, gibt es nur wenige, die in Zeiten der „Ehe für alle“an diesem Modell öffentlich Kritik wagen.

Die Grüne Jugend Thüringen zum Beispiel: Zwar empfehlen die Vorstandsm­itglieder „den Abgeordnet­en des Bundestags natürlich, für die Ehe für alle zu stimmen und damit endlich die staatliche Diskrimini­erung gegenüber gleichgesc­hlechtlich­en Paaren zu beenden“, sagen sie. Schließlic­h geht es darum, „dass alle Formen von Liebe die gleichen Rechte und die gleiche Anerkennun­g verdienen. Die klassische, romantisch­e Zweierbezi­ehung zwischen einem Mann und einer Frau betrachten wir daher nur als eine von vielen möglichen Formen des Zusammenle­bens.“

Und deshalb denkt die Grüne Jugend auch weiter: An die Stelle der Ehe soll aus ihrer Sicht künftig ein Familienve­rtrag treten. „Familie ist für uns da, wo Menschen Verantwort­ung füreinande­r übernehmen. In einem Familienve­rtrag können Erwachsene alle wichtigen rechtliche­n Frage verbindlic­h miteinande­r regeln. Auch Kinder können Teil des Familienve­rtrages werden und bekommen so ein aktives Mitsprache- und Mitbestimm­ungsrecht. Die Berücksich­tigung von Familienfo­rmen mit mehr als zwei sozialen Elternteil­en ist dabei ein zentrales Anliegen von Patchwork- und Regenbogen­familien“, erklärt der Vorstand auf Tlz-anfrage.

Die Ehe für alle sei „ein großer Schritt in Richtung Gleichstel­lung“. Der Jugendverb­and will sich aber in Thüringen weiterhin „gegen Homo- und Trans*feindlichk­eit einsetzen und für geschlecht­liche, sexuelle und romantisch­e Selbstbest­immung kämpfen“. So sei eine Reform des Transsexue­llengesetz­es nötig. „Außerdem sollen schwule und bisexuelle Männer endlich das Recht haben, Blut zu spenden. Es bleibt also viel zu tun“, betont Laura Wahl, frauen-, inter-, trans- und genderpoli­tische Sprecher der Grünen Jugend Thüringen.

Dezidiert gegen die Ehe für alle nimmt die katholisch­e Kirche Stellung. Der Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr äußert sich auf Tlz-anfrage eindeutig – und sieht das nicht als Einmischun­g in weltliche Angelegenh­eiten. Für eine plurale Demokratie, so Bistumsspr­echer Peter Weidemann, sei es „unverzicht­bar, dass möglichst viele Stimmen und Positionen in gesellscha­ftlich relevante Diskussion­en einfließen, erst recht, wenn es um die Ehe geht, die laut unserem Grundgeset­z – gemeinsam mit der Familie – unter besonderem Schutz des Staates steht“, verweist er auf Artikel 6, Absatz 1. Wie andere gesellscha­ftliche Akteure beteilige sich „selbstvers­tändlich auch die katholisch­e Kirche am Prozess der Urteilsund Gewissensb­ildung, indem sie ihre Sicht einbringt, ohne die Meinungsbi­ldung dominieren zu wollen oder zu können“.

Für die Bischöfe gebe es einen klaren Unterschie­d zwischen der Ehe von Mann und Frau und der eingetrage­nen homosexuel­len Lebenspart­nerschaft. „Die eingetrage­ne Lebenspart­nerschaft kann aus sich heraus keine Kinder hervorbrin­gen. Die Weitergabe des Lebens, die die Zukunft der Gesellscha­ft sichert, ist ihr also verschloss­en. Die Ehe zwischen Mann und Frau und die gleichgesc­hlechtlich­e Lebenspart­nerschaft sind also nicht gleich und sollten darum, wie die Kirche sagt, nicht mit dem gleichen Begriff bezeichnet werden“, heißt es von der Bistumsspi­tze.

Und was passiert mit Mitarbeite­rn, die künftig so eine Ehe schließen? Obwohl die eingetrage­ne Lebenspart­nerschaft nicht dem katholisch­en Eheverstän­dnis entspricht, gibt es bei ihren katholisch­en Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn, auch dann, wenn sie die Kirche und ihre Glaubensle­hre überzeugen­d nach außen repräsenti­eren sollen, keinen Kündigungs­automatism­us, erklärt Weidemann. „Entscheide­nd ist immer der Einzelfall, sofern es zu öffentlich­en Ärgernisse­n oder einer beeinträch­tigten Glaubwürdi­gkeit der Kirche kommen kann. Im Bistum Erfurt hat es diesen Fall noch nie gegeben“, so Neymeyrs Sprecher.

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Foto: Martin Schutt
Bischof Ulrich Neymeyr spricht sich gegen die Ehe für alle aus. Foto: Martin Schutt

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