Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Ein Praxisteam für drei Orte
In Wuthafarnroda gibt es ein Paradebeispiel dafür, wie vernetzte Versorgung im ländlichen Raum gelingen kann
WUTHAFARNRODA. Wenn auf dem Dorf die hausärztliche Sprechstunde auch dann aufrecht erhalten wird, wenn ein langjähriger Hausarzt in den Ruhestand wechselt oder fortzieht, dann ist das nicht selten dem Engagement eines seiner Kollegen zu verdanken. Beispiel: die Praxis von Jens-uwe Lipfert in Wutha-farnroda (Wartburgkreis), vierte Station der „Woche der ambulanten Versorgung“: Der 53-jährige Allgemeinmediziner, der 2012 in die Praxis seiner Mutter einstieg, betreut mit seinem Team seit zehn Jahren auch rund 700 Patienten im Ortsteil Mosbach und seit 2015 obendrein die Einwohner von Thal, einem Stadtteil von Ruhla. 2007 war es, als sich die damalige Mosbacher Hausärztin an Lipfert wandte, weil sie längst das Gefühl hatte, die Versorgung dieses Ortes allein nicht mehr zu schaffen. „Also haben wir die Kollegin in unserer Praxis angestellt, Mosbach wurde Filiale“, blickt Lipfert zurück. Die Ärztin sei dann zwar nach kurzer Zeit so schwer erkrankt, dass sie nicht mehr praktizieren konnte. Doch für ihre Patienten erwies sich die Vereinbarung als großes Glück: Sie hatten trotzdem einen Arzt. Lipfert richtete in Mosbach eine Außenstelle mit wöchentlich zwei Sprechtagen ein. Außerdem ist dort täglich eine Gemeindeschwester – exakter: eine nichtärztliche Praxisassistentin – anzutreffen, die sich zahlreicher Belange der Patienten annimmt, bei Bedarf auch den Rettungswagen ruft und die Ärzte enorm entlastet.
Etwas anders lag der Fall in Thal: Zwar übernahm Lipfert auch dort den Hausarztsitz, nachdem sich der Thaler Arzt mit eben jener Bitte an ihn gewandt hatte. Doch die Patienten reagierten alles andere als begeistert, beschimpften den Neuen und sein Team sogar. Sie mochten nicht akzeptieren, dass Lipfert und seine Kollegen nicht vom Schlage „schnell schnell“sind und ihnen nicht in gewohnter Weise die Wunsch-rezepte ausstellten. „Wir wollten uns die Patienten schon erst einmal anschauen und selbst sehen, ob die Medikation noch die richtige ist“, erklärt Lipfert, der nicht verhehlt, dass ihn dieser heftige Widerstand geschmerzt hat. „Ich konnte ein halbes Jahr nicht schlafen.“Aber inzwischen sei die Anerkennung da, haben auch die Einwohner von Thal offenbar erkannt, wie gut es dank der Außenstelle mit regelmäßigen ärztlichen Sprechzeiten und einer Gemeindeschwester funktioniert, die an fünf Tagen pro Woche vor Ort ist.
Allein kann Jens-uwe Lipfert diese vernetzte Versorgung freilich nicht stemmen: Zum vierköpfigen Ärzteteam gehört nach wie vor seine Mutter, Dr. Erika Lipfert (79), die die Praxis 1964 als Außenstelle der Poliklinik Eisenach übernahm, gehört aber auch die Allgemeinmedizinerin Gunhild Hanel, die nach der Familienphase eine 30-Stunden-stelle antrat. Jüngster im Bunde ist Zallgemeinmediziner Dr. Markus Tost, den Jens-uwe Lipfert schon im Studium für die hausärztliche Tätigkeit begeisterte: „Er hat bei uns ein Praktikum gemacht und später auch ein Drittel seines praktischen Jahrs“, sagt Lipfert. Nach der Zulassung als Arzt schien es zwar so, als habe er den jungen Arzt an das Krankenhaus verloren. Doch nach vier Jahren Klinik klopfte der 33-Jährige vor zweieinhalb Jahren wieder bei ihm an. Nicht zuletzt, weil Lipfert in neue Technik – etwa ein hochmodernes Ultraschallgerät – investierte und in Mosbach die Möglichkeit zu ambulanten Eingriffen schuf. Derzeit bildet sich Tost zum Enddarmspezialisten weiter – und erwägt, nach Wutha-farnroda zu ziehen.
Außenstelle fünf Tage pro Woche besetzt