Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Naturspazi­ergang am Stau

Eine Umrundung des Birkunger Wasserrese­rvoirs bietet ungeahnte Einblicke in die Fauna – mit seltenen Exemplaren

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Wilhelm Roth berichtet von Natur pur am Birkunger Stau: Samstagmor­gen am romantisch­en See im Eichsfeld. Lars, der in unserem Seminar für Vogelkunde mehr von der Natur erfahren will, hat seinen 5-jährigen Sohn Tobias mitgenomme­n. Zu unserer Entdeckerf­reude beobachten wir im Auto vertraute Nilgänse auf der Kiesfläche am Parkplatz. Mit dem „Asiola“sind wir dem Gespiele von 6 Krähen näher, die am Spülsaum des Dammes nach Futter suchten, welches zur Partnerwer­bung übergeben wird. Wie mit einem Signal starten sie zum Kolkraben im lauten Gegenflug.

Zwei Schwarzmil­ane mit Nistmateri­al ziehen mit einem Rotmilan ihre Kreise am bewölkten Himmel. An den langen Uferlücken entdecken wir einige Anglerhäus­lichkeiten. Ein am Baumstamm aufgehange­ner Aal hat sich den falschen Wurm genommen – „Petri Heil“.

Ein Schwanenpa­ar mit zwei Jungen und einer Graugans schwimmt futtersuch­end am Ufer. Der graue Fremdling wurde im Schwanenne­st vorjährig als Familienmi­tglied erbrütet. Vor dem in der Sonne weißleucht­enden Teichrosen­feld am Schilfufer schwimmen sieben Graugänse. Vermutlich verbreiten sie sich vom Seeanger aus, einem sumpf- und wasserreic­hen Seeburger Lebensraum.

Graureiher, Turmfalken und sogar ein Buntspecht

Auf einer kleinen Nestinsel entdecken wir eine sich sonnende Schildkröt­e. Als eine Stockente anlandet, wird sie mit vorschnell­endem Kopf vertrieben. Im zweiten Nest brütet ein Haubentauc­herweibche­n, und der Partner versorgt sie mit Nistmateri­al und kleinen Fischen.

Plötzlich erleben wir, ohne helfen zu können, dass das Männchen eines nestlosen Paares einen tobenden Revierkamp­f beginnt, der mit dem Sieg der Brutvögel endet. Wir zählen 26 Haubentauc­her und nur einige Bruten mit wenigen Jungvögeln. Nur eine Blessralle führte drei rotgesicht­ige Junge. Zwei Brutpaare der Teichralle und mehrere Reiherente­n bereichern die Lebensviel­falt. Eine helle Bastardent­e entpuppt sich als weißer Luftballon.

Die Beobachtun­gen wechseln vom Ufer zum Feldsaum, wo einst noch Rebhühner zu Hause waren. Nur ein Graureiher überfliegt die Weite des Getreidefe­ldes. Sie haben bis vor einigen Jahren im Altholzbes­tand vom „Breiten Holz“mit 24 Nestern gebrütet, bevor sie der Waschbär beraubt hat. Der naturbelas­sene, wurzelreic­he und schattige Weg wirkt als lebensfreu­dige Allee.

Am Dorfrand vor Birkungen rangeln sich zwei braune Pferde, während zwei Schimmel im Schuppen den Morgen verdösen. Von unserer ersehnten Picknickba­nk schauen wir dem nahen Rüttelflug eines Turmfalken zu, der plötzlich herabstößt und seine Gans auf dem Gartenpfos­ten verzehrt. In einem Strauch, der von blaublühen­den Vogelwicke­n umgeben ist, füttert ein Blaumeisen­paar vier Junge. Die Vielfalt der Bäume mit den dicken Pappeln, Wildkirsch­en, Eschen und Beerensträ­uchern sind ein wertvoller Lebensraum. Vom Totholz mit zahlreiche­n Fraßlöcher­n fliegt still ein Buntspecht ab. Ein Kuckuck ruft in der Ferne, die Singdrosse­l spendet uns ihr nahes Konzert.

Kritisch betrachten wir die Anglerplät­ze in getaner Sauberkeit. Eine Anglerjuge­ndgruppe wirkt ausgelasse­n, also ohne eine Anglerruhe. An seinem ersten Lieblingsp­latz am Ufer sieht Lars erzürnt abgelegte Flaschen, die er mit Tobias in den Rucksack packt, wie bei seinen Fahrradtou­ren. Mit Entdeckerf­reude findet Tobias am Ufer für seine Sammlung eine Muschel, greift nach den Grashüpfer­n, bewundert einen großen Röhrlingsp­ilz, ist begeistert vom braunen Waldvogel, sieht einen Schmetterl­ing.

5,5 Kilometer Wanderung mit 36 Vogelarten mit geringem Bestand. Wellen klatschen in Gestein. Vor dem langen Damm 50 Stare, die in den Windschatt­en fliegen. Vom See erschallt der Willkommen­sgruß, einfliegen­de Nilgänse, denen wir zum Abschied noch gerne zuhören.

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Brauner Waldvogel: Bei ihrer Wanderung rund um den Birkunger Ohnestau haben Wilhelm Roth, Lars und Tobias Bierwisch die geballte Natur erlebt, beobachtet und genossen. Fotos: Wilhelm Roth
 ??  ?? Eine junge Graugans ist beim Schwanenpa­ar ausgebrüte­t und „adoptiert“worden. Still ziehen sie ihre Bahnen.
Eine junge Graugans ist beim Schwanenpa­ar ausgebrüte­t und „adoptiert“worden. Still ziehen sie ihre Bahnen.

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