Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Heiligenstädter Möbelbörse setzt auf viel Hilfe
Horizontmöbelbörse in Heiligenstadt leistet im Stillen eine hochengagierte Sozialarbeit. Möbel und Kleiderspenden gesucht
Die Horizont Möbelbörse ist seit nunmehr 13 Jahren da, um benachteiligten Menschen zu helfen, den Lebensalltag zu erleichtern. Aber hinter den Kulissen des gemeinnützigen Vereins wird eine Menge oft unsichtbarer Sozialarbeit ge leistet. Vor allem in den vergangenen beiden Jahren wurde viel geleistet. Jetzt ist man, so sagt Chef Michael Rhöse (rechts), vermehrt auf die Sachspenden angewiesen. Foto: Silvana Tismer
HEILIGENSTADT. Die Zahlen 13 und 5 haben für Michael Rhöse in diesem Jahr eine spezielle Bedeutung. Seit 13 Jahren gibt es die Horizont-möbelbörse in Heiligenstadt, seit 5 Jahren kümmert sich der 33-Jährige um die Belange der Einrichtung in der Heiligenstädter Hospitalstraße.
Es sind aber nicht nur Möbel aus zweiter oder dritter Hand, die aufgearbeitet oder gereinigt auf einen neuen Besitzer warten. Sammeltassen sind auf einem Tisch hübsch arrangiert, ein eigener Raum gehört dem Geschirr. Im Untergeschoss gibt es Kleidung, Spielzeug, Bücher, Nippes, Kleinkram, Lampen und ganze Schlafzimmer.
Träger ist der Horizont-verein in Nordhausen. Der Grundgedanke, der hinter diesem Sozialkaufhaus steckt, ist ein einfacher, auch wenn Michael Rhöse dieses Wort „Sozialkaufhaus“nicht mag. Es gehe darum, Menschen, die zum Beispiel Grundsicherung beziehen, die Möglichkeit zu geben, ihre Grundausstattung finanzieren zu können oder ein Stück zu ersetzen. Auch der Student ist gern gesehen, genau wie der Senior mit der Minirente. „Das heißt aber nicht, dass man sozial bedürftig sein muss. Jeder darf zu uns kommen und nach einem Schätzchen suchen“, betont Rhöse. Allerdings, so ist es festgeschrieben, muss bei 66 Prozent des Umsatzes Bedürftigkeit nachgewiesen sein. „Von 10 Kunden sind es ungefähr acht.“ Die Asyl-thematik, so sagt der Chef, habe dafür gesorgt, dass man im Jahr 2015 vom „klassischen Bedürftigen“etwas abrücken musste. Jetzt aber wolle man wieder genau dort hin. Gerade in den vergangenen Wochen und Monaten gab es nach der Schließung der Gemeinschaftsunterkunft extrem viele Umzüge von Asylbewerbern in eigene Wohnungen. „Die mussten ausgestattet werden.“Und da gab es schon Engpässe. „Von den 700 Asylbewerbern waren 95 Prozent mindestens ein Mal hier.“Hilfe werde niemandem versagt. Es gebe eine ganz enge Zusammenarbeit mit der Ausländerbehörde des Landkreises und dem Grundsicherungsamt. „Eng und vertrauensvoll.“Und diese Lage habe sich jetzt wieder ein bisschen entspannt.
Die Möbelbörse wirkt auf den ersten Blick wie ein normales Geschäft. Die Tische und Sitzgruppen sind ordentlich angeordnet, genau wie die Couchgarnituren. „Es soll nicht aussehen wie in einer Rumpelkammer“, betont Rhöse und fasst schnell bei Tobias Schliesing und Tino Möller mit an, die einen Dreisitzer schleppen. Das Sofa ist frisch für den Verkauf vorbereitet, zwei Sessel warten schon. „Unser Haus soll nicht den Beigeschmack haben, dass man da nur reingeht, wenn man muss.“
Eine Etage tiefer probiert Gerhard Kelm gerade eine Jacke an. Elisabeth Heinemann hilft ihm dabei. Er ist nicht auf das Kleidungsstück angewiesen, aber er stöbert gern mal. Elisabeth Heinemann gehört zu den fünf festen Mitarbeitern der Möbelbörse. Zwei weitere Maßnahmen laufen über eine dreijährige öffentliche Förderung, sechs kommen aus einer Agh-maßnahme des Jobcenters hinzu. Michael Rhöse hält zudem Praktikumsplätze unter anderem für die Berufsbildenden Schulen in Heiligenstadt vor, aber auch für die Fachklinik auf dem Rusteberg. Sogar richterlich verordnete Sozialstunden können in der Hospitalstraße abgeleistet werden, denn die Jugendkonflikthilfe ist mit integriert. Und dann gibt es noch vier Ehrenamtliche, die mit zupacken. Aber was den Chef dabei am meisten freut, ist, „dass alle trotz vieler enger Kontakte zu den Bedürftigen, egal, welcher Art, echte Menschenfreunde geblieben sind.“Wer rassistisch oder abwertend denkt, hat hier keine Chance.
Jetzt aber wird es mit dem Sortiment langsam knapp. „Ja, wir brauchen wieder Spenden“, sagt Rhöse. „Der Sperrmüll sollte der letzte Weg sein.“Natürlich dürfen die Möbel nicht zu kaputt sein, sie werden aufgearbeitet und ausgestellt. „Sie müssen aber auch zumutbar sein.“Die alte Ddr-sperrholzschrankwand oder zerkratzte Eiche Rustikal mag Rhöse wirklich niemandem mehr zumuten. Am liebsten ist es ihm, wenn die Leute, sobald sie sich von etwas trennen wollen, ihm eine E-mail schicken und Fotos gleich dazu. „Wir können uns so ein besseres Bild machen, gleich entscheiden, ob ja oder nein, und wie viele Leute und Autos wir für den Abbau und Transport brauchen. Wir müssen logistisch denken.“Drei bis vier Werktage Vorlauf müssen aber sein. Auch funktionierende Elektrogeräte wie Waschmaschinen, Kühlschränke oder Herde und Kleingeräte sind willkommen.
Genau wie Kleidung. Die werde immer benötigt. Und es ärgert Rhöse sehr, dass sich mittlerweile wirtschaftliche Anbieter in den Altkleidermarkt gedrängt haben, Organisationen wie Kolping, die Malteser oder eben die Horizont-möbelbörse kaum noch eine Chance haben. „Man denkt, man tut was Gutes, aber die alten Kleider gehen direkt in die Altkleiderverwertung.“In der Möbelbörse hätte die Kleidung noch eine Chance, jemanden glücklich zu machen.
Soziale Charakterbildung ist „inklusive“