Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Ein Knopfakkordeon, das mehr ist als ein Weichspüler
Harald Oeler und Marco Böttgertrio präsentieren im Lebemann ihre CD mit Gypsyjazz
EISENACH. Am Anfang waren die Sonneberger Jazztage. Dort gaben der Eisenacher Gitarrist Marco Böttger und der Akkordeonspieler Harald Oeler aus einem kleinen Ort bei Heilbronn im Vorjahr jeweils einen Workshop. Beim Konzert der „Lehrer“lernten sich die beiden Profi-musiker kennen und schätzen. Diese Liaison mündete in eine gemeinsame Cd-produktion. Am Samstag stellten das Marco Böttger-trio mit Jo Fingerhut (Schlagzeug), und Christoph Gottwald (Kontrabass) gemeinsam mit Oeler die Scheibe „En Avril“im Lebemann in Eisenach vor.
Im April kommt der Silberling mit Gipsy-jazz-musik auf den Markt, 200 Exemplare hat das Quartett für sich schon im Gepäck. Einige CD‘S fanden am Samstag dankbare Käufer. Was Harald Oeler und das Böttgertrio zwischen September und Dezember vergangenen Jahres hauptsächlich im Tonstudio der Musikschule Eisenach einspielten, ist erdiger Stoff, aber jenseits von Prêt-à-porter. Dieses Album mit „Zigeunermusik“zu beschreiben, würde die Qualität der Musik nicht beschreiben.
Im Lebemann gab das Ensemble nicht nur dieses Album zum Besten, sondern auch zahlreiche Standards prominenter Jazz-virtuosen. Unter Böttgers Federführung fanden auf „En Avril“auch Stücke ihren Platz auf der Scheibe, die bereits seit Jahren im Notenkoffer des Jazzgitarristen schlummern und schon „das Licht der Welt erblickten“. In Begleitung des wunderbaren Akkordeonisten Harald Oeler bekommen diese Kompositionen aber einen ganz neuen Anstrich, denn das Knopfakkordeon des Badenwürttembergers taugt sowohl als Webstuhl für feine Klangteppiche als auch als Instrument für ehrgeizige Soloaufgaben. Oeler beherrscht beides in vorzüglicher Güte, fast schlafwandlerisch. Er bereichert die filigrane Gitarrenarbeit von Flitzefinger Marco Böttgers um eine Note, die aus dem Produkt „En Avril“ein leichtes und doch dichtes Gesamtwerk mit verschiedenen Geschmacksnuancen macht. Christoph Gottwald am Bass und Jo Fingerhut am Schlagzeug liefern dazu ein rhythmisches Grundgerüst, dem es an Formen und Farben ebenso wenig mangelt und das auch solistisch besteht.
Genau diese Leichtigkeit, die ein hohes Maß an individuellen und technischen Fähigkeiten am Instrument voraussetzt und die erst bei guter Chemie entsteht, verleitete das Publikum im übervollen Lebemann oft dazu, aus der Cd-präsentation einen Volksgemurmelabend mit musikalischer Nebenerscheinung zu machen. „Vor drei Wochen bei der Cd-vorstellung in Haralds Heimatort haben die Leute aber aufmerksam zugehört“, wirft Bassist Gottwald ein.
Gemeinsam mit einer Schweizer Band spielen Oeler und das Böttger Trio im Herbst auf einigen renommierten Festivals. Dieses Jazz-projekt mit Eisenacher Handschrift kann sich überall hören lassen.