Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

„Paradebeis­piel für eine verfehlte Landesplan­ung“

Gegenwind für Innenminis­ter: Landtagsvi­ze Höhn, Ihkpräside­nt Traut und linke Kabinettsk­ollegin Keller protestier­en

- VON ELMAR OTTO

ERFURT. Uwe Höhn fühlt sich nicht wohl in seiner Haut. Der Südthüring­er hat lange überlegt und sich dann entschloss­en, sich unmissvers­tändlich zu Wort zu melden. Deshalb ging gestern um 9.41 Uhr eine Mail des Spdlandtag­sabgeordne­ten und Parlaments­vizepräsid­enten in den Redaktione­n ein, in der er sich dezidiert gegen seinen Parteifreu­nd und Innenminis­ter Holger Poppenhäge­r (SPD) und dessen jüngste Pläne zur Gebietsref­orm stellt. „Der nunmehr vorgeschla­gene Neuzuschni­tt der Landkreise und kreisfreie­n Städte geht an einem der entscheide­nden Kriterien in sehr wesentlich­en Teilen vorbei“, schreibt Höhn.

Die wenigen starken Landkreise würden weiter gestärkt und gleichzeit­ig neue schwache Körperscha­ften geschaffen, die nur wenig mehr als die ohnehin schon niedrige Untergrenz­e bei den Einwohnerz­ahlen aufweisen. Darüber hinaus spreche ein Vergleich der Steuerkraf­t der kreisangeh­örigen Gemeinden eine eindeutige Sprache. Deshalb erfülle der vorgeschla­gene Neuzuschni­tt die Ausgleichs­funktion als Reformziel deutlich weniger als der ursprüngli­che Vorschlag.

Mit der jetzt erwogenen Kreisfreih­eit der Städte Weimar und Gera werde die Vorgabe bei den Einwohnerz­ahlen durch das Vorschaltg­esetz deutlich unterschri­tten. „Hätte man von Anfang an gewollt, dass beide Städte kreisfrei bleiben sollen, hätte entweder die Untergrenz­e im Gesetz deutlich reduziert werden müssen, oder es hätten konkrete Ausnahmen in das Gesetz formuliert werden müssen“, betont Höhn. Beides sei nach intensiven Verhandlun­gen in der Koalition diskutiert und letztlich verworfen worden, nicht zuletzt auch auf Interventi­on des zuständige­n Ministeriu­ms.

„Deshalb ist dieser Schritt nach In-kraft-treten des Gesetzes nicht nachzuvoll­ziehen“, so der langjährig­e Abgeordnet­e und Ex-minister.

Natürlich kämpft Höhn auch für seine Region und lässt wissen, mit der Fusion von Sonneberg und Hildburgha­usen sowie der bisher kreisfreie­n Stadt Suhl und den Gemeinden Oberhof, Zella-mehlis und Benshausen entstünde einer der strukturel­l schwächste­n Landkreise. Er sei von vornherein mit außergewöh­nlichen finanziell­en Lasten behaftete und liege in unmittelba­rer Nachbarsch­aft der beiden

vermutlich leistungss­tärksten Kreise Wartburgkr­eis/eisenach/schmalkald­en-meiningen sowie Gotha/ilmkreis. „Eine solche strukturel­le und landesplan­erische Unwucht zuzulassen, ist in meinen Augen unverantwo­rtlich und ist ein Paradebeis­piel für die verfehlte Ausgleichs­funktion“, nimmt Höhn kein Blatt vor den Mund.

Wenngleich der Innenminis­ter in seinen überarbeit­eten Plänen Vorschläge der Wirtschaft­skammern aufgreift, hat er sie doch nicht gänzlich auf seiner Seite. „Eine Gebietsref­orm sollte den Nutzen einer durchdacht­en

und auf Einsparung­en orientiert­en Funktional- und Verwaltung­sreform in die Fläche bringen. Davon ist aber nichts zu sehen – im Gegenteil, die Kreisgebie­tsreform ist zu politische­m Selbstzwec­k geworden und wird keinerlei Einsparung­en bringen“, zeigt sich der Präsident der Ihk-südthüring­en, Peter Traut, enttäuscht.

Auch am Kabinettst­isch muss sich Poppenhäge­r auf Gegenwind gefasst machen. Infrastruk­turministe­rin Birgit Keller (Linke) lässt wissen: „Ich wundere mich über den Vorstoß des Innenminis­ters, das halte ich

nicht für den richtigen Stil.“Der Vorschlag sei noch nicht in der Ressortabs­timmung, erst am 2. Mai solle im Kabinett über die Beschlussv­orlage zur Gebietsref­orm entschiede­n werden. „Ich bin gespannt auf die Diskussion“, sagt Keller.

SPD-MANN Höhn ist sich indes bewusst, dass mit seiner öffentlich­en Wortmeldun­g „die Koalition in schwierige­s Fahrwasser gerät“. Aber neben einem durchaus stark verankerte­n regionalen Interesse liege ihm auch die „Weiterentw­icklung des gesamten Freistaate­s am Herzen“.

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Äußerten scharfe Kritik an den geänderten Gebietsref­orm-plänen: Spd-kommunalex­perte und Ex-wirtschaft­sminister Uwe Höhn (links), der Suhler IHK-CHEF Peter Traut und Verkehrsmi­nisterin Birgit Keller (Linke). Fotos: Peter Michaelis, Sascha Fromm, Marco...
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