Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Zukunftsmut ist viel mehr als positives Denken
Zukunftsmut ist für viele Menschen so nötig wie das tägliche Brot. Was können wir tun, wenn er fehlt? Wir können zwar weiterhin geschäftig sein, funktionieren, uns die Zeit vertreiben, damit wir nicht zu viel ins Nachdenken kommen. Aber dabei ist es, als ob eine Lebensader von uns getroffen, verletzt wäre. Zukunftsmut können wir in keinem Kaufhaus der Welt besorgen. Wir können ihn auch nicht durch „positives Denken“herbeizwingen.
Was wir brauchen, sind Hoffnungsgeschichten, die uns aufrichten, an denen sich unser Zukunftsmut neu entzünden kann.
Vor einer Woche haben wir mit Ostern Jesu Auferstehung gefeiert. Von einer österlichen Mut geschichte erzählt das Johannesevangelium:
Morgenlicht leuchtet über dem See. Fischerboote kehren zurück von nächtlicher Fahrt. Die Ausfahrt soll sich lohnen, Mühe nicht vergeblich sein. Doch sieben von ehemals zwölf Jüngern Jesu kehren mit leeren Netzen an das Seeufer zurück. Weißt du noch?, fragen sie einander. Weißt du noch, wie die Leute sich einst am Ufer drängten und Jesus nur noch auf dem Boot im Wasser Platz fand? Nun scheint alles leer geworden – in ihnen selber und rings um sie. Sie sind zwar noch zusammen als Gemeinschaft, aber sie leben – bestenfalls – aus der Erinnerung, nicht aus der Gegenwart des auferstandenen Jesus. Da hatten sie sich aufgerafft, hatten sich mit aller Kraft wieder dem Alltagsgeschäft zugewandt. Das sind bittere Momente im Leben, wenn man die Vergeblichkeit so hautnah erfährt.
Manchmal sind wir selbst so dran wie die Jünger damals: Da unternimmt jemand alle möglichen Anstrengungen, dass ein suchtkranker Mensch einen Ausweg findet aus seiner zerstörerischen Abhängigkeit. Es gibt Hoffnung – doch dann wird er rückfällig. Es war umsonst.
Oder Eltern fragen sich, was geblieben ist vom Glück ihrer Elternjahre. Es geht ihr Sohn, ihre Tochter nun auf ganz anderen Wegen, als sie es sich vorgestellt haben. Aber dann wird es Morgen – und mit einem Mal wird alles anders. Sie sind blind für den, der am Ufer steht. Sie erwarten ihn nicht. Was auch immer sie dort in der Morgenröte gesehen – oder nicht gesehen – haben: Sie tun, was gute Fischer nie tun würden: Sie werfen ihr Netz nah am Ufer aus und bei Tagesanbruch, wenn sich die Fische aus Schutz vor dem Sonnenlicht längst in die Tiefe zurückgezogen haben. Erst als sie mehr Fische fangen, als sie zu träumen gewagt hätten, da öffnen sich ihre Augen. Dort am Ufer steht ihr Herr, den sie daran erkennen, dass er sein Wort hält. Er verheißt ihnen nicht nur Fülle – sondern lässt sie Fülle erfahren: überbordende Netze. – Am Ende dieses geheimnisvollen Geschehens geschieht eine einfache Mahlfeier am Seeufer. Nichts wird erklärt. Nichts wird zerredet. So wie die Jünger zu diesem Mahl kommen auch wir manchmal, gezeichnet von Tagen oder Nächten der Vergeblichkeit. Manchmal kommen wir mit ganz wenig oder gar ohne Zukunftsmut. Doch Christus lädt uns alle an seinen Tisch, Erfolgreiche und Erfolglose, die Glücklichen und die mit sich und anderen Hadernden. Er ist der Gastgeber. Er steht schon lange am Ufer, sieht und erwartet uns. Ich wünsche Ihnen solche „Osteraugen“– den Mut, ihn zu sehen, in diesen Tagen.