Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Zukunftsmu­t ist viel mehr als positives Denken

- VON JUTTA SANDER

Zukunftsmu­t ist für viele Menschen so nötig wie das tägliche Brot. Was können wir tun, wenn er fehlt? Wir können zwar weiterhin geschäftig sein, funktionie­ren, uns die Zeit vertreiben, damit wir nicht zu viel ins Nachdenken kommen. Aber dabei ist es, als ob eine Lebensader von uns getroffen, verletzt wäre. Zukunftsmu­t können wir in keinem Kaufhaus der Welt besorgen. Wir können ihn auch nicht durch „positives Denken“herbeizwin­gen.

Was wir brauchen, sind Hoffnungsg­eschichten, die uns aufrichten, an denen sich unser Zukunftsmu­t neu entzünden kann.

Vor einer Woche haben wir mit Ostern Jesu Auferstehu­ng gefeiert. Von einer österliche­n Mut geschichte erzählt das Johannesev­angelium:

Morgenlich­t leuchtet über dem See. Fischerboo­te kehren zurück von nächtliche­r Fahrt. Die Ausfahrt soll sich lohnen, Mühe nicht vergeblich sein. Doch sieben von ehemals zwölf Jüngern Jesu kehren mit leeren Netzen an das Seeufer zurück. Weißt du noch?, fragen sie einander. Weißt du noch, wie die Leute sich einst am Ufer drängten und Jesus nur noch auf dem Boot im Wasser Platz fand? Nun scheint alles leer geworden – in ihnen selber und rings um sie. Sie sind zwar noch zusammen als Gemeinscha­ft, aber sie leben – bestenfall­s – aus der Erinnerung, nicht aus der Gegenwart des auferstand­enen Jesus. Da hatten sie sich aufgerafft, hatten sich mit aller Kraft wieder dem Alltagsges­chäft zugewandt. Das sind bittere Momente im Leben, wenn man die Vergeblich­keit so hautnah erfährt.

Manchmal sind wir selbst so dran wie die Jünger damals: Da unternimmt jemand alle möglichen Anstrengun­gen, dass ein suchtkrank­er Mensch einen Ausweg findet aus seiner zerstöreri­schen Abhängigke­it. Es gibt Hoffnung – doch dann wird er rückfällig. Es war umsonst.

Oder Eltern fragen sich, was geblieben ist vom Glück ihrer Elternjahr­e. Es geht ihr Sohn, ihre Tochter nun auf ganz anderen Wegen, als sie es sich vorgestell­t haben. Aber dann wird es Morgen – und mit einem Mal wird alles anders. Sie sind blind für den, der am Ufer steht. Sie erwarten ihn nicht. Was auch immer sie dort in der Morgenröte gesehen – oder nicht gesehen – haben: Sie tun, was gute Fischer nie tun würden: Sie werfen ihr Netz nah am Ufer aus und bei Tagesanbru­ch, wenn sich die Fische aus Schutz vor dem Sonnenlich­t längst in die Tiefe zurückgezo­gen haben. Erst als sie mehr Fische fangen, als sie zu träumen gewagt hätten, da öffnen sich ihre Augen. Dort am Ufer steht ihr Herr, den sie daran erkennen, dass er sein Wort hält. Er verheißt ihnen nicht nur Fülle – sondern lässt sie Fülle erfahren: überborden­de Netze. – Am Ende dieses geheimnisv­ollen Geschehens geschieht eine einfache Mahlfeier am Seeufer. Nichts wird erklärt. Nichts wird zerredet. So wie die Jünger zu diesem Mahl kommen auch wir manchmal, gezeichnet von Tagen oder Nächten der Vergeblich­keit. Manchmal kommen wir mit ganz wenig oder gar ohne Zukunftsmu­t. Doch Christus lädt uns alle an seinen Tisch, Erfolgreic­he und Erfolglose, die Glückliche­n und die mit sich und anderen Hadernden. Er ist der Gastgeber. Er steht schon lange am Ufer, sieht und erwartet uns. Ich wünsche Ihnen solche „Osteraugen“– den Mut, ihn zu sehen, in diesen Tagen.

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Jutta Sander, Pastorin in Marksuhl. Foto: Norman Meißner

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