Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Schlussstrich unter Parlamentsunwürdigkeit
Frank Kuschel ist nicht mehr „parlamentsunwürdig“. Na, endlich, bleibt einem da nur zu seufzen.
Der Begriff war ohnehin stets ein stumpfes Schwert im politischen Meinungskampf. Führte höchstens dazu, dass Unionschristen ordentlich Dampf ablassen konnten, hatte aber ansonsten keinerlei Auswirkungen auf das Mandat. Warum also weiter daran festhalten?
Auch so steht doch weiterhin außer Zweifel, dass Kuschel, alias IM „Fritz Kaiser“, für die Stasi gespitzelt hat. Er hat Informationen über ausreisewillige Familien gesammelt, damit Menschenleben möglicherweise aufs Schwerste belastet, sie den Repressalien des Regimes ausgesetzt, an das er offensichtlich fest glaubte.
Das wird Kuschel nicht wieder gutmachen können.
Aber auch der einstige Zuträger des Mielkeapparats hat eine zweite Chance verdient. Kuschel hat mit offenen Karten gespielt, sich von seinem Tun glaubhaft distanziert, seine Akten zugänglich gemacht.
Seit 2004 sitzt er im Landtag, wurde von seiner Partei immer wieder mit vorderen Listenplätzen bedacht, hat sich als Kommunalpolitiker profiliert, der komplexe Sachverhalte durchdringen und erklären kann. Was nicht so oft vorkommt.
Wie viele Menschen seines Formats ist Kuschel im politischen Meinungskampf kein angenehmer Gegner, sprachlich versiert, mitunter von oben herab, selbstverliebt und rechthaberisch. Aber die Wähler, die die Linke in den vergangenen Jahren kontinuierlich zur mit Abstand zweitstärksten Kraft machten, haben damit auch immer dafür gesorgt, dass Kuschel sein Mandat behielt.
Der politischen Konkurrenz, allen voran der CDU, hat er das Leben nicht leicht gemacht. Gut nachvollziehbar also, dass sie auch aus diesem Grund Frank Kuschel immer wieder als Inoffiziellen Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit brandmarken.
Dass die AFD auf diesen Zug aufspringt, ist taktisch nachvollziehbar, aber sachlich unbegründet. „Die Stasi von heute ist die linksextreme Antifa, die sich als gewalttätiger Arm der regierungstragenden Parteien aufführt und im Thüringer Landtag durch bestimmte Abgeordnete der Linken sogar repräsentiert wird“, geißelt die Oppositionskraft die Entscheidung des Landtagsgremiums. Dass dort nun keine Zweidrittelmehrheit mehr gegen Kuschel zustande kommt, liegt daran, dass Linke, SPD und Grüne die meisten Mitglieder stellen. Für die AFD ist so auch verständlich, dass das Dreierbündnis davor zurückschreckt, parlamentsunwürdiges Verhalten zu erkennen und entsprechend zu benennen.
Ebenso kann man aber argumentieren, dass jene, die andere Menschen ausgrenzen und mit Formulierungen fortwährend und bewusst am rechten Rand fischen, erst recht nicht würdig sind, einem Landtag anzugehören. Aber natürlich ist auch eine solche Argumentation falsch. Weil eine Demokratie gerade das ausmacht und erst recht aushalten muss.
Fast 28 Jahre nach dem Fall der Mauer war es an der Zeit, dass die Landtagskommission, die die Abgeordneten überprüft, nun einen Schlussstrich unter die Parlamentsunwürdigkeit zieht...
Tlzlandeskorrespondent Elmar Otto erreichen Sie unter (0361) 555 05 38 oder per Email unter e.otto@tlz.de