Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Elefanten und Akrobaten im Arbeitszim­mer

Seit 60 Jahren baut Manfred Weber an seinem Zirkusmode­ll – Seine jüngste Arbeit ist ein Raubtierwa­gen samt Fleischhak­en – Magdeburge­r Museum ist interessie­rt

- VON KLAUSDIETE­R SIMMEN (TEXT UND FOTOS)

WALTERSHAU­SEN. „Wenn ich meinen Zirkus aufgebaut habe, fühle ich mich schon ein bisschen wie der Zirkusdire­ktor“, gesteht Manfred Weber. Er erfüllt sich mit seinem Zirkus Nelli seinen Traum vom eigenen Unternehme­n. Seit rund 60 Jahren baut er unverdross­en an dem Modell.

Mittlerwei­le ist er in der Phase, wo er alte Wagen verschrott­et und durch neue ersetzt. „Eben wie im richtigen Zirkuslebe­n“, sagt Manfred Weber lächelnd. Und genau an das kommt er mit seinen Modellen so nahe wie nur irgend möglich heran.

Angefangen hat alles mit einem Gastspiel vom Zirkus Barley in Waltershau­sen. Da hat der Junge fasziniert zugesehen, wie die Arbeiter das Chapiteau aufbauten, kam aus dem Staunen nicht heraus, als Josef Holzmüller mit der Elefantend­ame Nelly die Manege betrat. Was der kleine Manfred Weber hier sah, ließ ihn nicht mehr los. Er spielte zu Hause Zirkus. Und weil seine Spielsache­n schon bald nicht ausreichte­n, all das darzustell­en, begann er zu bauen, was fehlte.

Das Zirkuszelt aus Papier, Wohnwagen aus Schachteln.

Nach und nach kam immer mehr Perfektion in diese Arbeiten, brauchten die Wagen und das Zelt keinen Vergleich mit den Originalen zu scheuen.

Seine jüngste Arbeit ist ein Raubtierwa­gen. Da fehlt es nicht am Fleischhak­en, auch nicht am hölzernen Hackklotz, in dem das Fleischerb­eil steckt.

Und das tut es im wörtlichen Sinn. „Es ist nicht etwa angeklebt“, sagt Weber, „sondern aus einer Rasierklin­ge gefertigt und ins Holz getrieben.“

Wer den Toilettenw­agen näher betrachtet, wird sehen, auch die Urinale sind an ihrem Platz. Papierkörb­e und Feuerlösch­er vervollstä­ndigen das Bild. Belebt ist nun auch die Manege. Dort wird eine Bärennumme­r gezeigt. „Damit will ich an Ursula Böttcher erinnern“, merkt Manfred Weber an.

Es ist die Detailvers­essenheit des Modellbaue­rs und Zirkusfreu­ndes, die über Zirkus Nelli einen Blick auf 60 Jahre Zirkusgesc­hichte ermöglicht. So viele Tiere, wie Weber hat, gibt es heute in keinem realen Unternehme­n mehr. Die unterschie­dlichen Wagen dokumentie­ren den Wandel dieser Welt.

Zu sehen ist beispielsw­eise ein Wagen, auf dem einst Zirkus Aeros die Masten für sein Zelt transporti­erte. Das gehöre heute der Vergangenh­eit an, meint Weber, aber er könne zeigen, wie das damals funktionie­rte.

Zirkus Nelli im Maßstab von 1:60 nimmt mittlerwei­le viereinhal­b Quadratmet­er ein. Zurzeit ist dieser wieder in ganzer Schönheit zu sehen – im Arbeitszim­mer von Manfred Weber. „Das letzte Mal“, ist er sicher, denn zum mühevollen Aufbau fühlt er sich mittlerwei­le körperlich nicht mehr in der Lage.

Und er macht sich Gedanken, was aus seinem Unternehme­n werden soll.

Dem Heimatmuse­um auf Schloss Tenneberg hat er es bereits angeboten – vergeblich. Da habe man für so etwas keinen Platz, wurde dem Zirkusbege­isterten beschieden.

Jetzt denkt Manfred Weber darüber nach, Zirkus Nelli vielleicht nach Magdeburg ins Zirkusmuse­um zu geben.

Lieber aber wäre es ihm, er bliebe in Thüringen, möglichst nah bei Waltershau­sen. Und an einem Ort, wo es auch Gelegenhei­t gibt, ihn

zu bestaunen.

Versessen aufs Details

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Manfred Weber mit dem Modell eines Anhängers, auf den einst die Masten fürs Chapiteau transporti­ert wurden. Historisch­e Bauten aus Waltershau­sen geben den Hintergrun­d für das Gastspiel des Zirkus Nelli. Eine solch stattliche Elefantenh­erde gibt es...

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