Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Sommergewinn, Skat und Palmsonntagsprozession einzigartig
In das Unescoverzeichnis des Immateriellen Kulturerbes sind 34 Kulturformen neu aufgenommen worden – drei davon sind in Thüringen Brauch
EISENACH/HEILIGENSTADT/ALTENBURG. Die Heiligenstädter Palmsonntagsprozession, der Sommergewinn in Eisenach und das Kartenspiel Skat mit seiner Heimat Altenburg sind drei der 34 Kulturformen, die seit gestern im deutschen Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der Unesco zu finden sind. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) hat in Berlin die Urkunden überreicht. Zwei Initiativen wurden dabei für ihre gute Praxis beim Erhalt des Immateriellen Kulturerbes geehrt.
Der Vizepräsident der Deutschen Unesco-kommission (DUK), Christoph Wulf, betonte bei der Übergabe: „Immaterielles Kulturerbe prägt Identitäten, stärkt den sozialen Zusammenhalt und fördert den Dialog zwischen gesellschaftlichen Gruppen. Es ist Quelle von Kreativität und Innovation und trägt zu gesellschaftlichem Wandel bei.“Mit der Aufnahme der 34 neuen Traditionen umfasst das deutsche Verzeichnis nun 68 solcher kulturellen Ausdrucksformen.
Auf der Liste stehen dabei Ausdrucksformen aus den Bereichen Tanz und Musik, aber auch Bräuche, Feste und Handwerkskünste.
Weltweit fördert die Unesco seit 2003 den Erhalt von Alltagskulturen und -traditionen. Inzwischen sind der Konvention mehr als 170 Staaten beigetreten. Deutschland ist erst seit 2013 dabei.
Das Verfahren für die Aufnahme in eine der drei internationalen Listen ist dabei zweistufig: Jedes Land baut ein Verzeichnis auf, im nächsten Schritt können
Vorschläge für die weltweite Unesco-liste eingereicht werden. Über solche Neueintragungen entscheidet der Zwischenstaatliche Ausschuss für die Erhaltung des immateriellen Kulturerbes jeweils im Herbst. Im vergangenen Jahr wurde erstmals ein deutscher Vorschlag in die Repräsentative Liste der Weltkulturorganisation aufgenommen. Seitdem ist die Genossenschaftsidee ein Immaterielles Kulturerbe der Menschheit.
Zu den neu hinzugekommenen nationalen Schätzen gehört die Heiligenstädter Palmsonntagsprozession. Dieser religiöse Umzug findet jedes Jahr am Sonntag vor Ostern statt und bewegt sich in einer überlieferten Ordnung durch die Straßen der Thüringer Kreisstadt. Dabei werden sechs überlebensgroße Figuren mitgeführt. Sie erinnern an den Leidensweg Jesu Christi. Erstmals sind zudem bayerische Pferdewallfahrten zu Ehren von Heiligen im Unesco-verzeichnis zu finden: die Tölzer Leonhardifahrt und der Traunsteiner Georgiritt.
Aber auch traditionelle Mal-, Fass- und Vergoldetechniken der Kirchenmaler fanden Aufnahme in das Verzeichnis. Diese Techniken bestehen laut DUK nachweislich seit 600 Jahren. In ihrer Reichhaltigkeit an dekorativen und ornamentalen Oberflächengestaltungen seien sie bei der Ausgestaltung von Kirchen, Schlössern, Rathäusern, Wirtshäusern nicht mehr wegzudenken.
Als immaterielles Kulturerbe sieht die DUK auch die Posaunenchöre. Sie seien Markenzeichen der evangelischen Kirche. Dennoch sei eine konfessionsübergreifende Mitwirkung möglich. In über 6500 Ensembles musizierten in Deutschland derzeit etwa 115 000 Menschen.
Die Töpfertradition Westerwälder Steinzeug, der Poetryslam im deutschsprachigem Raum, das Märchenerzählen oder der Blaudruck – die Neuaufnahmen zeigen ein breites Bild der kulturellen Vielfalt in Deutschland. Der Blaudruck, auch in Thüringen heimisch, wurde überdies für die internationale Unesco-liste des immateriellen Kulturerbes nominiert. Ob das Blaudruck-handwerk aufgenommen wird, wie es sich Deutschland, Österreich, die Tschechische Republik, die Slowakei und Ungarn wünschen, will der zuständige Ausschuss Ende 2018 entscheiden, hieß es weiter. (kna)