Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Thüringer engagieren sich gegen das Wegwerfen
Beim „Foodsharing“geht es um den Kampf gegen die Verschwendung von Lebensmitteln – Verein in Jena will das Essen stattdessen verteilen
JENA. Ein ganzer Keller voller Apfelmusgläser kann ausgeräumt werden. Für Marie Härtling keine Frage. Sie fährt hin und holt die 30 Gläser ab. Härtling engagiert sich ehrenamtlich für „Foodsharing“in Jena, einen Verein, der gegen die Verschwendung von Lebensmitteln kämpft. Mitglieder sammeln überschüssige Lebensmittel, um sie weiterzuverteilen und so vor der Mülltonne zu bewahren. Der Verein hat Ortsgruppen in ganz Deutschland – auch in Thüringen. Die Jenaer Gruppe gründete Marie Härtling, die soeben ihr Pädagogikstudium beendet hat, vor drei Jahren. Heute sind rund 25 Mitglieder aktiv dabei.
Nicht verwendete Lebensmittel zu sammeln – das kennt man eigentlich von den Lebensmitteltafeln, die von Supermärkten nicht verkaufte Ware erhalten und an Bedürftige verteilen. Foodsharing funktioniert anders. Jeder kann sich an Gemüse, Brot oder Nudeln bedienen – über Verteilerstationen wie Kühlschränke oder Regale an zentralen Orten. Zwei Stationen gibt es in Jena, eine in einer Innenstadt-gasse, eine in der Uni. Zusätzlich betreiben die Aktivisten Facebookseiten. „Manchmal schreibe ich da rein: Ich habe drei Kilogramm Risotto, kommt zwischen 16 und 18 Uhr vorbei und holt euch welchen ab“, beschreibt Härtling das Prinzip.
Weiterer Unterschied zu den Tafeln: Kooperationen mit großen Lebensmittelketten gibt es bei den Thüringer Foodsharern meist nicht, die Gruppen sammeln Lebensmittel bei kleineren Einzelhändlern, Bioläden und Bäckereien. Wenn die Foodsharer mit Ketten kooperieren, dann sind es meist vegane Großhändler. Die Lebensmittelsammler organisieren sich über das Internet. Dort klären sie, wer zu welchem Standort fährt, um Lebensmittel abzuholen, die Restaurants oder Supermärkte nicht mehr verkaufen wollen. Die Jenaer schauen auch täglich außer Sonntags bei zwei Bäckereien und einem Obst- und Gemüseladen in der Innenstadt Lebensmittel vorbei.
Die Foodsharing-gruppe in Jena hat sich in den vergangenen drei Jahren als feste Gruppe zusammengefunden. Vorher wechselten die Studenten häufig. „Dadurch habe ich zum ersten Mal ein richtig verlässliches Team“, sagt Härtling. In Weimar ist Carla Peter dabei, einen harten Kern an engagierten Foodsharern aufzubauen. Die Studentin belebte vor einem Jahr die Gruppe mit jetzt rund 15 Mitgliedern neu. In Erfurt gibt es die Initiative „Foodprojekt“, die allerdings nicht zu dem bundesweit agierenden Verein gehört. Etwa fünf bis zehn Leute engagieren sich hier aktiv, holen Lebensmittel ab und bieten sie dann kostenfrei jeden Freitag in einem Raum in Erfurt an. Zu den Abholzeiten am Freitag bietet sie auch Kaffee und Kuchen an. „Essen ist auch eine soziale Sache, hier sollen die Leute zusammen kommen“, sagt einer der Initiatoren.
Marie Härtling aus Jena beobachtet, dass ihr Engagement ankommt: „Wir haben erst vor Kurzem eine neue Kooperation mit einem Restaurant begonnen, das neu aufgemacht hat. In den ersten Wochen haben wir jeden Tag große Behälter mit Lebensmitteln abgeholt. Zur Eröffnung eines Restaurants können die Mengen immer schlecht abgeschätzt werden, das haben wir etwas aufgefangen.“
Die Foodsharing-gruppe in Jena hat auch Kontakt zu größeren Supermärkten, die Namen möchte Härtling aber nicht nennen. Die Händler befürchteten, mit Lebensmittelverschwendung in Verbindung gebracht zu werden und so Kunden zu verschrecken, sagt die junge Frau. „Obwohl sie ja bei uns eigentlich etwas gegen die Verschwendung tun.“(dpa)
Kontakt zu größeren Supermärkten