Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Eine Freundscha­ft mit Riss

Löst weltweit heftige Reaktionen aus und markiert einen Bruch in den transatlan­tischen Beziehunge­n

- VON DIRK HAUTKAPP,MICHAEL BACKFISCH UND KNUT PRIES

WASHINGTON. Es kommt selten vor, dass Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) mit einer Rede derart heftige Reaktionen auslöst. Doch ihre Worte bei einer Csu-veranstalt­ung in München-trudering am Sonntag elektrisie­rten die internatio­nale Öffentlich­keit: „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei. Das habe ich in den letzten Tagen erlebt. Und deshalb kann ich nur sagen: Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen.“

In dem Satz steckt politische­s Dynamit. Er bedeutet nichts anderes, als dass die jahrzehnte­lange Sicherheit­spartnersc­haft und Freundscha­ft zwischen Amerika und Europa auf eine harte Probe gestellt. Die Kanzlerin hatte zwar Donald Trump mit keiner Silbe erwähnt. Doch ihr Frust über die Aussagen des Uspräsiden­ten bei Nato und EU in Brüssel sowie beim weitgehend gescheiter­ten G7-gipfel in Taormina war spürbar. Ihre Münchner Rede markiert einen Bruch in den transatlan­tischen Beziehunge­n. Diese gingen zwar immer wieder durch turbulente Phasen. Doch das Band der Verlässlic­hkeit, im Ernstfall auf Washington bauen zu können, war nie zerrissen. Geknüpft wurde dieses Band direkt nach dem Krieg und als sich die Berliner Luftbrücke und die „Rosinenbom­ber“1948/49 tief in das kollektive Bewusstsei­n der Deutschen eingruben. Und auch wenn die USA die Ostpolitik von Kanzler Willy Brandt (SPD) mit Skepsis verfolgten, stand die starke Präsenz der amerikanis­chen Truppen in Deutschlan­d und Europa nie zur Debatte. Brandt-nachfolger Helmut Schmidt (SPD) machte sich für die Nato-nachrüstun­g stark. Die beste Zeit im deutschame­rikanische­n Verhältnis fiel wohl in die Ära von Helmut Kohl (CDU) und George H. W. Bush. Dieser bereitete der Deutschen Einheit den Weg. Nach der Annektieru­ng Kuwaits durch den Irak revanchier­te sich Kohl mit einer Finanzspri­tze über zehn Milliarden Dollar. Ihren vorläufige­n Tiefpunkt erlebten die deutsch-amerikanis­chen Beziehunge­n, als Gerhard Schröder (SPD) sich 2002 weigerte, an der Irak-interventi­on teilzunehm­en.

Unter Merkel und Trump hat diese deutsch-amerikanis­che Sicherheit­skooperati­on einen Knacks bekommen. In den USA gab es zum Teil heftige Reaktionen. Politische Kommentato­ren äußerten sich pessimisti­sch. Für Richard Haass zum Beispiel, Chef der Denkfabrik „Council on Foreign Relations“, war Merkels Rede ein „Wendepunkt“in den transatlan­tischen Beziehunge­n. Und

Cliff Kupchan, Analyst der „Eurasia Group“, prophezeit­e, dass Trumps Auftritte

Distanz: Trump und Merkel beim G-gipfel in Brüssel und Italien Wunden hinterlass­en würden, die Amerika noch teuer bezahlen werde. Und was macht die Kanzlerin? Sie wiederholt am Montag ihre Zweifel an der Verlässlic­hkeit der USA. „Wer sich heute nationale Scheuklapp­en aufsetzt und keinen Blick mehr für die Welt um sich herum hat, verläuft sich, davon bin ich überzeugt, letztlich ins Abseits“, sagte sie bei der Jahreskonf­erenz des Rats für Nachhaltig­e Entwicklun­g. Trotzdem würden Deutschlan­d und die USA „natürlich“enge Partner bleiben. Der Vorsitzend­e des Auswärtige­n Ausschusse­s im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), kritisiert­e: „Donald Trump hat durch seine Äußerungen, seine Nichtaussa­gen und sein Verhalten die Grundlagen der transatlan­tischen Gemeinscha­ft

Neue Ausrichtun­g der deutschen Wirtschaft nach Indien und China

Angesichts der Spannungen im Verhältnis zu den USA – vor allem auch was die Wirtschaft­sbeziehung­en betrifft – erscheinen die beiden bevölkerun­gsreichste­n Länder der Erde, China und Indien, als interessan­te Partner. Doch mangelnde Rechtssich­erheit, eine schwerfäll­ige Verwaltung und fehlende Infrastruk­tur machten deutschen Unternehme­n Investitio­nen in dem Land schwer, sagte der Vorsitzend­e des Asien-pazifik-ausschusse­s infrage gestellt“, sagte er. Wesentlich schärfer äußerte sich Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) und sprach von einem „Ausfall der USA als wichtige Nation.“Sie hätten ihre Führungsro­lle abgegeben. Spd-kanzlerkan­didat Martin Schulz warf Trump „politische Erpressung“vor: „Der neue Uspräsiden­t setzt nicht auf internatio­nale Kooperatio­n, sondern auf Isolationi­smus und das vermeintli­che Recht des Stärkeren“, sagte Schulz.

Die Verbindung mit den USA hielt bisher immer

Merkel zweifelt an der Verlässlic­hkeit Trumps

der Deutschen Wirtschaft, Hubert Lienhard.

Indiens Ministerpr­äsident Narendra Modi traf am Montag zu deutsch-indischen Regierungs­konsultati­onen in Berlin ein. Sein chinesisch­er Kollege Li Keqiang wird am Mittwoch folgen.

 ??  ?? Grafik: Nel
Grafik: Nel
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany