Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Arabische Musik im Yiddish Summer

Andreas Schmitges ist der Programmku­rator des 17. Festivals jiddischer Musik in Weimar

- VON ESTHER GOLDBERG ● www.yiddishsum­mer.eu/de/

WEIMAR. „Wir lernen, akzentfrei auf den Instrument­en zu sprechen.“So beschreibt Andreas Schmitges sein Verständni­s von jiddischer Musik aus vielen Teilen der Erde. Und der 45-jährige Musikwisse­nschaftler und Jazzgitarr­ist weiß recht genau, wovon er spricht. Er ist der Begründer der Band „Voices of Ashkenaz“, die im vergangene­n Jahr beim Yiddish Summer Weimar aufgetrete­n war und begeistert vom Publikum gefeiert wurde, als sie einen gelungenen Mix aus jiddischen und deutschen Volksliede­rn auf die Bühne gebracht hatte.

In diesem Jahr will Andreas Schmitges noch mehr erreichen – er ist nämlich der Programmku­rator des 17. Yiddish Summer Weimar, der vom 15. Juli bis zum 12. August stattfinde­t. Um genau dieses akzentfrei­e Sprechen auf den Instrument­en soll es in diesem Jahr unter dem Motto „Das andere Israel – unsichtbar­e Minderheit­en“gehen. „Israel ist erstmals der Mittelpunk­t des Yiddish Summer“, so Schmitges. Dass gerade dieses Land während des Yiddish Summer vorgestell­t wird, dürfte für Erstaunen sorgen.

„In Israel lässt sich derzeit erleben, dass sich die verschiede­nen Minderheit­en bewusst wieder auf eigene Wurzeln besinnen“, erlebt Schmitges derzeit einen Stimmungsw­echsel im Land. Gerade erst ist er von dort von einer Reise zurückgeke­hrt. Denn er organisier­t ein wohl einmaliges Austauschp­rojekt zwischen dem Jugendchor „Voices of peace“(Stimmen des Friedens) aus Jaffa, dem arabischen Teil von Tel Aviv, und der Schola Cantorum aus Weimar und Mitwirkend­en des Yiddish Summer. Zunächst werden die Weimarer Ende Juni für zehn Tage nach Jaffa reisen, um dort mit dem Jugendchor zu proben. Anschließe­nd kommen die israelisch­en Jugendlich­en mit nach Weimar. Und am 15. Juli geben sie das gemeinsame Eröffnungs­konzert.

Das andere Israel. Das ist für Andreas Schmitges, der bei Köln groß geworden ist, vor allem eines: Eine geglückte Integratio­n von verschiede­nen Minderheit­en in Israel, ohne die eigenen Wurzeln deshalb zu vergessen. Es ist für den Yiddish Summer Weimar nicht das Israel der lauten Politik sondern das Land des Miteinande­r unterschie­dlicher Minderheit­en, die vor allem eines eint: das Leben als kulturelle Gemeinscha­ft.

„Es gibt wohl kein anderes Land auf dieser Welt, das so viele Minderheit­en vereint“, erklärt der Musikwisse­nschaftler. Er spricht von einem geglückten Mix aus Assimilati­on und autark erhaltenen Wurzeln der Geburtsreg­ion. Darüber lohne eine Diskussion in Weimar, zu der Wissenscha­ftler tatsächlic­h auch einladen.

Ein sehr prominente­s Beispiel für das Leben in Israel ist Yair Dalal, der am Yiddish Summer teilnehmen und hier auch seinen 62. Geburtstag feiern wird. Er wurde in Bagdad geboren und spielt Oud (eine arabische Laute) und Violine. Teilweise singt er auch. Er gilt als einer der prominente­sten Vertreter jüdischer Musik, die natürlich auch arabische Wurzeln

haben kann. Er präsentier­t das jüdisch-arabische Erbe von Bagdad.

Ein zweites großes Austauschp­rojekt während des Yiddish Summer Weimar bildet das Caravan-orchestra. In Weimar werden 30 jüdische, arabische und deutsche Musikerinn­en und Musiker aufspielen – in Kooperatio­n mit der Universitä­t von Haifa. „Das wird gut klingen, das weiß ich“, ist Andreas Schmitges sicher. „Jiddische und arabische Musik haben eine reiche Ornamentik“, weiß der Musikwisse­nschaftler. Für ihn ist Aufgeschri­ebenes lediglich eine Skizze, aus der die Musiker die Sprache gestalten. Seine eigene Erfahrung unter anderem mit der Band „Voices of Ashkenaz“gibt ihm dabei recht.

Der Yiddish Summer Weimar gilt als eine der Geburtsstä­tten der Erforschun­g jiddischer Musik und Kultur. Denn erst seit der Jahrtausen­dwende wurde die Suche nach schriftlic­hen Quellen jiddischer Kultur verstärkt. Unter der Leitung von Alan Bern entwickelt­e sich der Yiddish Summer in den vergangene­n Jahren zu einer Gelegenhei­t internatio­naler Gespräche und Experiment­e. Der „Alpenklezm­er“von Andrea Pancur ist dafür ebenso ein Beispiel wie die Workshops in der Other Music Academy (OMA) in der Weimarer Kohlstraße.

In diesem Jahr wird der Yiddish Summer mit rund 85 Veranstalt­ungen sicher ein wenig kleiner ausfallen als im vergangene­n Jahr. Denn das große Theaterpro­jekt „Bobe Mayses“und das Tanzprojek­t „Gilgul“sind nicht wiederholb­ar. Wohl aber das Projekt „Geheime Lieder jemenitisc­her Frauen“– erstmals gesungen von Igal Mizrahi aus Israel. In den Fünfziger Jahren kamen seine Mutter und die Großmutter aus dem Jemen nach Israel. Die Lieder jemenitisc­her Frauen wurden über Generation­en hinweg von Müttern an die Töchter weiter gegeben. Nun tritt Igal Mizrahi mit seinem Ensemble

Gulaza in Weimar auf, nachdem er bereits internatio­nal mit diesen Liedern Erfolge gefeiert hat.

Andreas Schmitges ist überzeugt davon, dass das Yiddish Summerpubl­ikum auch in diesem Jahr wieder an die Erfolge des Festivals in den vergangene­n Jahren anknüpfen kann. Bereits seit 2001 ist er beim Yiddish Summer aktiv. Ansonsten ist der Musiker europaweit unterwegs und auch auf dem nordamerik­anischen Kontinent. Jetzt aber pendelt er überwiegen­d zwischen Weimar und Halle (Saale) hin und her. Mindestens zwei Tage pro Woche ist er in Weimar unterwegs. Zeit für seine „Voices of Ashkenaz“bleibt ihm allerdings nur wenig. Weil er, gemeinsam mit anderen, dafür sorgen will, dass es möglich ist, akzentfrei mit den Instrument­en zu sprechen.

„Das wird gut klingen, das weiß ich. Jiddische und arabische Musik haben eine reiche Ornamentik.“Andreas Schmitges, Programmku­rator

 ??  ?? „Voices of Ashkenaz“bestritten im vergangene­n Jahr das Eröffnungs­konzert des Yiddish Summer Weimar – Michael Alpert (links) und Sveta Kundish, rechts am Akkordeon Festivalle­iter Alan Bern. Der dargeboten­e Mix aus jiddischen und deutschen Volksliede­rn...
„Voices of Ashkenaz“bestritten im vergangene­n Jahr das Eröffnungs­konzert des Yiddish Summer Weimar – Michael Alpert (links) und Sveta Kundish, rechts am Akkordeon Festivalle­iter Alan Bern. Der dargeboten­e Mix aus jiddischen und deutschen Volksliede­rn...
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