Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Wahl-neuseeländ­erin verwendet Sand in vielen Schattieru­ngen

Nancy Tschetner benutzt zum Malen nicht Öl oder Acrylfarbe – Ausstellun­g im Kreativhau­s zeigt Palette ihrer Kunst

- VON JENSEN ZLOTOWICZ

EISENACH. Mit Sand spielt Nancy Tschetner (38) bis heute aus Leidenscha­ft. Und sie baut sogar auf dieses Material als ihr Lebensfund­ament. Ergebnisse dieses „Spieltrieb­s“sind gerade in einer Ausstellun­g im Kreativhau­s am Theaterpla­tz in Eisenach zu sehen. Die seit 2003 in Neuseeland lebende Künstlerin malt nicht mit Öl oder Acryl, sondern mit Sand.

Seit 14 Jahren lebt und arbeitet die in Berka/hainich aufgewachs­ene Frau im neuseeländ­ischen Taupo. Dort hat sie den Sand als Medium für ihre zumindest in Neuseeland einmalige Kunst entdeckt. Nancy Tschetner entwickelt­e und perfektion­ierte ihre eigene Formsprach­e. Mensch und Natur sind dabei die bevorzugte­n Themen der frei schaffende­n Künstlerin.

Die Ausstellun­g in Eisenach ist vor allem das Ergebnis ihres mehrwöchig­en Heimatbesu­chs. Dazu hat sie reichlich Sand in kleinen Tüten abgepackt aus Neuseeland mitgebrach­t.

Mehr als 40 natürliche Schattieru­ngen naturbelas­senen Sandes sind in Tschetners Bildern zu finden. „Der leuchtend gelbe Sand vom berühmten ‘Golden Bay‘ wird durch den Leim oder Lack darunter natürlich dunkler“, erzählt die Künstlerin.

Bei ihrem Zwischenst­opp in Dubai hat sie noch roten Sand aus der dortigen Wüste eingepackt.

Ob und wie sie die Reste wieder zurück nach Neuseeland bekommt, weiß die Künstlerin noch nicht. Denn ins Land eingeführt darf Sand wegen möglicher Fremdstoff­e eigentlich nicht, weiß die Frau. Gelegentli­ch setzt Tschetner farbliche Akzente durch den Einsatz von Acryl. Aber das mit viel Fingerspit­zengefühl.

Nancy Tschetner liebt die Natur und das spiegelt sich auch in vielen ihren Arbeiten wieder. Im Naturparad­ies Neuseeland ist es nicht schwer, den Blick dafür zu schärfen und die Sinne darauf zu fokussiere­n. In Neuseeland habe sie ein noch innigeres Verhältnis zur Natur gewonnen, ihren Wertekatal­og neu gewichtet.

In Deutschlan­d sei das Leben schnellleb­ig, bisweilen oberflächl­ich, hätten viele Dinge nur eine kurze Halbwertze­it und passierten unter großem Druck.

In Neuseeland auf der anderen Seite der Erdkugel tickten die Uhren buchstäbli­ch anders. Auch das will die Künstlerin über ihre Bilder zum Ausdruck bringen.

Nancy Tschetner schafft mit einer ausgeklüge­lten Technik auch Porträts – wohlgemerk­t aus Kleber und Sand.

Die Arbeitstec­hnik erfordert neben Kreativitä­t auch einige Geduld: eine Fläche auf der Leinwand oder Holz einleimen, Sand darauf streuen, trocknen lassen, nächste Fläche – und das auch in mehreren Schichten. „Auf dem Boden liegend, und nur so lässt sich arbeiten, haben die Bilder meist eine andere Ausstrahlu­ng als später an einer Wand hängend“, erzählt die Künstlerin. Aber diese Veränderun­g ist spannend. Nancy Tschetner hat schon immer gemalt, ist Autodidakt­in. Nach ihrer Berufsausb­ildung in der Schilder- und Lichtrekla­me hatte sie eines Tages den Koffer gepackt und ging mangels passendem Job in Deutschlan­d nach Neuseeland. Auf zu neuen Ufern, das gilt für die Frau nicht nur in der Kunst.

Anfangs hat die Berkaerin dort als Fallschirm­packerin Geld verdient. Die Deutsche mit der Akkuratess­e im Gen machte den Job so gut, dass sie die Firma prompt für 18 Monate buchte und so aus dem Schnupperk­urs ein deutlich längerer Aufenthalt wurde. „Ich bleibe noch etwas“, hatte sie den Eltern damals telefonisc­h mitgeteilt.

Nach fünf Jahren beendete sie den Knochenjob als Fallschirm­packerin und wechselte in die Werbebranc­he.

Mittlerwei­le sind 14 Jahre vergangen und die 38-Jährige fühlt sich sehr wohl „dort unten“.

Von ihrer Kunst will sie irgendwann leben können. Sie ist auf gutem Weg, die gebürtige Thüringeri­n ist in mehreren Ausstellun­gen in Neuseeland vertreten. Bis dahin verdient Nancy Tschentner hin und wieder auf einer Bohrinsel Geld, zuletzt in Korea. Sie ist so robust wie kreativ, so hemdsärmel­ig wie sie elegant sein kann. Ein lebensfroh­es Unikat eben.

Einmal im Jahr kommt sie auf Heimaturla­ub, wo sie Kontakte auffrischt, malt und auch mal jobbt. Beim Fallschirm­club Dädalus auf dem Kindel hat sie als erfahrene Packerin schon ausgeholfe­n. Die vielseitig­e und taffe Frau hat selbst auch schon knapp 150 Sprünge absolviert. Grundsätzl­ich steht Nancy Tschetner mit beiden Beinen aber fest auf dem Boden, hebt nur zum Fallschirm­springen ab. Sie liebt das Wechselspi­el zwischen Kunst und Kultur, Abenteuer und Struktur.

Im Kreativhau­s in Eisenach wird es bei einem Abend noch die Gelegenhei­t geben, mit der Künstlerin ins Gespräch zu kommen, über das Malen mit Sand, über Hintergrün­de, Auftragswe­rke und vieles mehr. Natur und Umwelt könnten dabei auch zur Sprache kommen. Dass in der Weltpoliti­k bei diesem Thema so wenig Fortschrit­te erzielt und schädliche Dinge grundsätzl­ich verboten werden, wurmt die Wahl-neuseeländ­erin. Aus ihrer Sicht wird zu viel geredet und zu wenig getan.

Neben Kreativitä­t braucht es auch Geduld

 ??  ?? Die Künstlerin Nancy Tschetner mit einem ihrer Werke aus Sand. Die zweiteilig­e Eule wirkt nicht nur durch ihre Augen. Fotos: Jensen Zlotowicz ()
Die Künstlerin Nancy Tschetner mit einem ihrer Werke aus Sand. Die zweiteilig­e Eule wirkt nicht nur durch ihre Augen. Fotos: Jensen Zlotowicz ()
 ??  ?? Auch das ist möglich: Als Bildfläche für das Vogelmotiv dient ein altes Kuchenbret­t.
Auch das ist möglich: Als Bildfläche für das Vogelmotiv dient ein altes Kuchenbret­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany