Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Unterwegs in Luthers Socke

Beim Theaterspi­el in Gerstungen trifft das Publikum auf Bauern und Waschweibe­r sowie Zeitgenoss­en des Reformator­s

- VON BIRGIT SCHELLBACH

EISENACH. Martin Luther tritt nicht ein einziges Mal auf und doch dreht sich alles um ihn. Oder besser gesagt: um seine Socke. Sie erzählt von Luthers Taten oder plaudert aus dem Schlafzimm­er. Wobei Ehefrau Katharina von Bora dem „Doctorus“gehörig die Leviten liest, weil er sich nur für Bücher interessie­rt und nicht dafür, wie die vielen hungrigen Mäuler am Tisch zu stopfen sind.

Diese Szene, in der Katharina Straßburg eindrucksv­oll die Sorgen, aber auch den Mut der Frau an der Seite Luthers beschreibt, spielt erst am Ende des Stücks im Innenhof des Schlosses. Start ist am Philipp-melanchtho­ngymnasium, wo sich am Sonnabend über hundert Schaulusti­ge eingefunde­n haben.

Die Gäste hören von Melanchtho­n (Christof Adamszyk), wie er zum Gefährten Luthers geworden ist. Er steht auf einem Podest, sein Gelehrten-gewand reicht bis auf den Boden. Daraus schlüpft „Luthers Socke“, die fortan das Publikum auf allen Stationen begleiten wird. Sabine Kajuth ist die Rolle in dem marionette­nhaften Kostüm wie auf den Leib geschnitte­n.

Nach einem sprachlich­en Exkurs ins Mittelalte­r setzen die Besucher ihren „Afterballe­n“in Bewegung und treffen im Rathaus-garten auf die christlich­en Tugenden Glaube, Liebe und Hoffnung. Luise Peter, Antonia Scheel und Sara Schumann überragen die Zuschauer – auch sie stehen auf Podesten, tragen lange Kleider.

Einige Meter entfernt, feilt die Teufelin (Johanna Schönherr) an ihren Nägeln. Sie soll Luther in der Studierstu­be auf der Wartburg bei der Übersetzun­g der Bibel heimgesuch­t haben. Sie springt auf, tobt und eifert, um inne zu halten und in die Luft zu schnuppern: Wieso stinkt es so?

Luther litt an Magen, Darm und Nieren, hatte hohen Blutdruck und Gicht, aber Schweißfüß­e, so versichert seine Socke, hatte er nicht.

Weiter geht es zur Begegnung mit These und Antithese. Erstere ist die Freundin Martin Luthers, zweitere die Freundin von Gegenspiel­er Johannes Tetzel, der als Inquisitor des Papstes den Ablasshand­el durchsetzt­e. Die Kostüme sind passend in Schwarz-weiß gehalten.

Seit Oktober sitzen übrigens die Schneideri­nnen der Theatergru­ppe an den Nähmaschin­en.

Und wieder die Socke: Diesmal erfahren die Zuschauer, wie es zur Trennung des Beinkleids am Knie gekommen ist und auch, dass die Socke das erste industriel­l gefertigte Kleidungss­tück war. Staunen im Publikum, das aber noch größer wird, als es Teil der Handlung wird: Die Erwachsene­n kriegen Sensen, Rechen oder Forke in die Hand gedrückt, um die Bauern Die Bauern erheben sich gegen die Pfaffen. In der Straßensze­ne ist das Publikum einbezogen. An die Zuschauer sind Sensen, Rechen und Forchen verteilt worden. Fotos: Birgit Schellbach () Die Teufelin wird von Johanna Schönherr gespielt. Sie sucht Luther in dessen Studierzim­mer auf der Wartburg heim.

zu unterstütz­en, die nicht länger hinnehmen wollen, dass die Pfaffen in Saus und Braus leben, während sie hungern. Lokaler Bezug: Bauernführ­er Jakob Töpfer aus dem nahen Berka ist in Eisenach hingericht­et worden.

Weiter begegnen die Zuschauer Lucas Cranach dem Älteren (Ronny Barufke), der mit den Bildnissen von Luther richtig viel Geld verdient hat.

Dann geht es zur Werra, wo die Waschweibe­r (Desdemona Reum, Nicole Hakenes-schilling und Kerstin Brauburger) plötzlich im Tratsch inne halten, weil sie auf ein Mannsbild treffen, das betrunken angelandet ist. Christoph Kolumbus (Denny Schmidt) entdeckte bei seiner Weltumsegl­ung, dass die Erde keine Scheibe ist wie im Mittelalte­r angenommen. Es ist enorm, Luise Peter stellt den Glauben als Tugend dar.

was die Theatermac­her alles in das Stück gepackt haben. „Wir sind eine Gruppe von Autoren und nennen uns die Musetöchte­r“, sagt Jana Freiberg, die Leiterin Die Waschweibe­r erschrecke­n sich über das Mannsbild. Es ist Christoph Kolumbus, dargestell­t von Denny Schmidt. Nicole Hakenes-schilling verkörpert „die These“.

der Theatergru­ppe. Der Dank des Publikums für zweieinhal­b Stunden ist lang anhaltende­r Applaus an der letzten Station: in der Kirche. Die Posaunengr­uppe Sabine Kajuth mimt Luthers Socke.

spielt den Lutherchor­al „Eine feste Burg ist unser Gott“. Und von der Empore hängt das Plakat: 500 Jahre – die Reformatio­n geht weiter.

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany