Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Vom großen Mut zum alten Haus
Juliane Schwager und Hardy Brömel haben die etwa 1000 Jahre alte Nikolaikirche saniert – Sie ist das älteste Haus in Saalfeld
SAALFELD. Hardy Brömels Vater hatte sie gewarnt. Wer würde schon im „Armenhaus“wohnen wollen? In Saalfeld ist das markante Gebäude mit den Natursteinwänden vielen unter diesem Namen bekannt, seit die Stadt dort etwa ab 1850 mittellose Saalfelder unterbrachte. Gebaut worden ist es als Nikolaikirche und es ist nach Auskunft von Brömel „etwa 1000 Jahre alt“. Es ist, wie er sagt, das älteste noch stehende Haus in Saalfeld.
Der 46-Jährige hatte die alte Kirche im Februar 2017 von der Wohnungsbaugesellschaft Saalfeld/saale mbh (Wobag) gekauft. Brömel und seine 39-jährige Lebensgefährtin Juliane Schwager sind im Jahr zuvor, beim Tag des offenen Denkmals, auf St. Nikolai aufmerksam geworden. Nach dem Vertragsabschluss gaben sie sich genau ein Jahr Zeit, um das Denkmal zu sanieren. „Wir haben einfach angefangen“, sagt Brömel, „viele haben uns nicht geglaubt, dass wir es schaffen“.
Freilich war es nicht immer leicht. Die Abriss- und Entkernungsarbeiten im Inneren haben die beiden selbst erledigt, „die Drecksarbeit“, wie sie lachend sagen, in Feierabend- und Wochenendarbeit. Zahllose Zwischenwände der Armenhauszeit mussten entfernt werden. Kirchentypisch hatte das Haus einen riesigen Innenraum, in den aber Zwischenwände eingezogen worden waren, um Platz für winzige Wohnungen zu schaffen. „Pro Wohnung gab es ein Fenster.“Juliane Schwager: „Wir haben 16 Klingelschilder entfernt.“
Am 23. Februar dieses Jahres war das Paar fertig mit der Sanierung, genau ein Jahr nach dem Kauf. Die Unkenrufe des Vaters – „Wer will schon in einem Armenhaus wohnen?“– bestätigten sich nicht. Sechs der sieben Wohnungen im „Nikolaihof“, wie das Haus jetzt der besseren Vermarktung wegen heißt, sind bereits vermietet, die Mieter schon eingezogen. Es gebe genügend Interessenten, sagt Brömel, welche die 1,04 Meter dicken Außenmauern zu schätzen wissen. Dazu Brömel: „So lange wir leben, brechen diese Mauern nicht zusammen.“Natürlich habe selten eine Wand genau 90 Grad und „natürlich knarrt der Fußboden“. Doch andererseits sei das Wohnen in einem derart alten, geschichtsträchtigen Haus „sehr individuell“. Ihre Mieter hätten „einen ähnlichen Blick wie wir“, sagt Juliane Schwager: Früh hätten sie erkannt, was Schönes aus dem alten Haus werden kann.
Der Zustand beim Kauf habe schon Fantasie erfordert. Brömel zufolge sei zuvor „in den wilden 1990er-jahren“nur das Nötigste gemacht worden und auch der Denkmalschutz muss seine Augen woanders gehabt haben, denn „Plastikfenster im ältesten Haus von Saalfeld sind eigentlich ein Unding“, findet Brömel.
Das Paar sanierte das Haus zurückhaltend, auf das Anbringen von Balkonen verzichtet es. „Wir wollten kein Disneyland“, sagt der als Rechtsanwalt arbeitende Brömel, „wir wollten ein Haus, dem man die tausend Jahre auch ansieht“.
Die alte Nikolaikirche ist bereits das zweite Denkmal, das Hardy Brömel in Saalfeld saniert. Auch das Schlossgärtnerhaus am Saalfelder Schlosspark hat er von der Wobag gekauft und vor dem Verfall gerettet. „Es juckt einem in den Fingern, wenn man so ein altes Haus vergammeln sieht“, sagt er. Die Städtebau-politik in Saalfeld versteht er nicht immer. Oft werde dem Bauerbe nicht die Achtung zuteil, die es verdiene: „Wir können nicht sagen, wir seien die steinerne Chronik Thüringens – und irgendwann ist alles weggerissen.“