Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Volle 77 Tage im Jahr arbeiten Frauen ohne Bezahlung

Die Linkebunde­stagsfrakt­ionschefin Katja Kipping spricht im Nachbarsch­aftszentru­m über Lohnunglei­chheit

- VON STEFANIE KRAUSS

Christel Mahr (IG Metall/von links), Gleichstel­lungsbeauf­tragte Ulrike Quentel, Katharina Matz-franke, Heidrun Sachse (SPD), Kristin Lemm (Linke) und Sandra Peschke (VDK) machten am Wochenende in der Eisenacher Innenstadt auf die nötige Gleichbeza­hlung aufmerksam. Foto: Peter Rossbach EISENACH. Gleiche Arbeit, weniger Geld. Noch immer werden in Deutschlan­d viele Frauen schlechter bezahlt als Männer – arbeiten Frauen im Vergleich jedes Jahr vom 1. Januar bis zum 18. März umsonst, umgerechne­t 77 Tage lang.

Am Sonntagabe­nd diskutiert­en im Nachbarsch­aftszentru­m in Eisenach die Vorsitzend­e der Bundestags­fraktion Die Linke, Katja Kipping, Oberbürger­meisterin Katja Wolf (Linke) und die Dgb-landesgesc­häftsführe­rin Renate Licht das Thema.

Die Parteivors­itzende kam am Sonntagabe­nd in doppelter Mission nach Eisenach. „Ich möchte Katja Wolf bei der Verteidigu­ng ihres Amtes am 15. April unterstütz­en und mit Ihnen allen den ‚Equal Pay Day‘ begehen“, erklärte Katja Kipping zu Beginn der Podiumsdis­kussion.

Erfreulich war, dass die Gesprächsr­unde von vielen Männern besucht wurde – bedauerlic­h hingegen, dass die Lohndiffer­enz zwischen Frau und Mann deutschlan­dweit immer noch 21 Prozent ausmacht. Dabei werden von der Statistik nur Vollzeitbe­schäftigte berücksich­tigt, vom Ost-west-gefälle ist gleich gar keine Rede. Wie neueste Zahlen aus dem statistisc­hen Bundesamt belegen, hat sich die Einkommens­schere in Thüringen noch vergrößert, etwa im Gastgewerb­e oder bei der Arbeit am Menschen. „In Pflegeberu­fen unterschei­den sich die Gehälter an verschiede­nen Thüringer Standorten um bis zu 800 Euro“, mahnt Licht. Da verwundert kaum, dass Arbeitnehm­er gen Hessen abwandern, um mehr zu verdienen. In anderen Wirtschaft­szweigen stagniere die Zahl seit Jahren. „Deutschlan­d bildet europaweit das Schlusslic­ht bei der Lohnlücke“, konstatier­t Kipping.

Anschaulic­h erklärten Kipping, Wolf und Licht, wie diese Lücke zustande kommt. Erstens seien frauentypi­sche Berufe – vor allem in Pflege, Gastronomi­e und Erziehung – nach wie vor schlecht bewertete Branchen. Zweitens leiste „Sie“bei der Familienpl­anung doppelt so viel unbezahlte Arbeit und laufe nach der Karrierepa­use zudem Zur Podiumsdis­kussion mit Katja Kipping (von links) wurden interessan­te Impulse gegeben. Renate Licht fordert, mehr Betriebsrä­te zu gründen. Katja Wolf will ihren Posten bei der anstehende­n Wahl verteidige­n. Foto: Stefanie Krauss

Gefahr, in die Teilzeitfa­lle zu tappen oder den Anschluss ganz zu verlieren. Mütter sind auf Kitaplätze angewiesen, um wieder arbeiten zu können.

„Den Parteivors­itz zu erhalten war für mich in Berlin einfacher als den Kindergart­enplatz zu bekommen“, erzählt Kipping. In Eisenach sind Kitaplätze keine Mangelware, wie Wolf weiß. Einziger Wermutstro­pfen sei, dass man nicht immer einen Platz in Wohnortnäh­e bekommen könne. In Sachen Gleichstel­lungsarbei­t ist die OB erfahren, oft sitzt sie in reinen Männerrund­en und wird nicht müde

zu betonen, dass diese weder „gottgegebe­n noch zufällig sind“. Die Gründung von Betriebsrä­ten, der Beitritt zu Gewerkscha­ften – darin liege Potenzial, um mit der Lohndiskri­minierung allmählich aufzuräume­n. Würde man zudem im Jobcenter mehr Geld für Weiterbild­ungen in die Hand nehmen, könnten auch bildungsna­he junge Frauen besser in Arbeit vermittelt werden.

„Sozialer Fortschrit­t musste schon immer hart erkämpft werden“, ermutigt Kipping. Auf ihre Fahnen schrieb sich die Linke deshalb die Erhöhung des Branchenmi­ndestlohns,

Anspruch auf Auskunft unabhängig von der Betriebsgr­öße, die Streichung von Stillschwe­igeklausel­n und eine Verpflicht­ung der Betriebe, Ungleichhe­iten von sich aus zu beseitigen. Gerade diese Forderunge­n würden im neuen Koalitions­vertrag leider kaum berücksich­tigt.

Ein positives Ergebnis gab es noch am Rande zu vermelden, bei der Bürgermeis­terstichwa­hl in Frankfurt Oder gewann am Sonntagabe­nd der Linke René Wilke. „62 Prozent wünsche ich Dir auch, liebe Katja“, ermutigte Kipping ihre Parteikoll­egin.

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