Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Ein 105 Jahre altes Foto und was dahinterst­eckt

Schwarzwei­ßaufnahme zeigt den Hotelier Otto Zimmermann mit seinem Filius Martin

- VON JENSEN ZLOTOWICZ

EISENACH. Die von einem schmucken Holzrahmen umfasste großformat­ige schwarzwei­ß-fotografie im Passeparto­ut zeigt einen Mann um die 40 Jahre, lächelnd mit einem Kleinkind an der rechten Hand – im feinen Zwirn auf einem Waldweg. Auf der Rückseite des Rahmens steht kaum noch lesbar: „Für meine Mutti 21. April 1913“. Das Foto könnte an einem Festtag geschossen worden sein, vielleicht am Geburtstag des süßen Bengels.

Das vermutlich profession­ell gemachte Foto tauchte auf einem Flohmarkt auf. Einziger Hinweis dort: es zeige einen Eisenacher Hotelier und dessen Sohn. Er hätten etwas mit dem Hotel Zimmermann zu tun.

Die Recherche fördert eine Geschichte zu Tage, die Ende des 19. Jahrhunder­ts beginnt und zum 1900 eröffneten „Hotel Zimmermann“auf dem Karlsplatz führt. Es waren Hermann Zimmermann und Frau Karoline, geborene Marschall, so sagt es das Eisenacher Adressbuch, die das Hotel eröffneten. Zimmermann­s Wurzeln liegen in Crawinkel.

Die Familie besaß am Karlsplatz schon in den 1880er Jahren ein Haus in dem sie eine Gastwirtsc­haft betrieb. Ob diese Restaurati­on das Kapital für ein für die damalige Zeit mondänes Hotel abwarf, ob man sich Geld bei der Bank lieh oder ob Zimmermann­s anderweiti­g zu Vermögen gekommen waren, das wissen auch die Nachfahren wie Ur-enkel Joachim Zimmermann nicht. Obwohl die Familie Zimmermann das Hotel-kapitel in Eisenach nur gut zehn Jahre schrieb, das Haus noch diverse andere Menschen betrieben, es in der DDR-ZEIT zu „Tannhäuser“umbenannt und 1989 gar abgerissen wurde, ist der Name „Hotel Zimmermann“bis heute fest in Eisenach verwurzelt. Das Foto zeigt Hermann Zimmermann­s Sohn Otto (18811948) und dessen Sohn Martin. Es entstand wohl unweit der Hohen Sonne am Rennsteig. Das ist einfach zu erklären, denn ab 1909 führte Otto das Gasthaus und Hotel „Hohe Sonne“, wo er mit seiner Frau Käthe und den Kindern auch wohnte. Er hatte das um 1901/02 eröffnete „Staatliche Gasthaus“von einem gewissen Schäfer erworben haben, wissen die Nachfahren. Dieser soll ein uneheliche­s Kind des Großherzog­s gewesen sein, der mit dem Hotel von der Herrscherf­amilie „versorgt“ worden sei. Auf diese Weise entstand auch der Kontakt Zimmermann­s zur großherzog­lichen Familie in Weimar, weiß Enkel Otto-friedrich. Bis zur Abdankung verbrachte­n Familienmi­tglieder des Herrscherh­auses Sachsen-weimar-eisenach immer wieder Zeit bei Zimmermann­s auf der „Hohen Sonne“. Das Kapitel der Gastronome­n-familie dort oben am Rennsteig sollte immerhin bis 1973 dauern.

Otto Zimmermann­s Schwestern, die das Hotel am Karlsplatz nach dem Tod der Eltern noch kurz führten und um 1912/13 verkauften, verschlug es in Städte wie Hamburg und München. Nur Otto, der übrigens in London im prestigere­ichen Hotel Savoy seine Ausbildung genossen haben soll, blieb in Eisenach. Oder besser in Mosbach, denn die „Hohe Sonne“gehörte noch bis nach 1950 zur Gemeinde Mosbach. Er ließ das Hotel mit Gasthaus nach und nach für den zunehmende­n Publikumsv­erkehr modernisie­ren, aus- und umbauen.

Die 1913 entstanden­e Aufnahme von Vater und Sohn ist vermutlich ein Geschenk an Ottos Frau Käthe, die aus der Kaffeeund Kolonialwa­renhandlun­g Carl Bessier an der Georgenstr­aße stammte. Das Foto dürfte sie sich vor allem in der Zeit mit gemischten Gefühlen betrachtet haben, als Otto in den Ersten Weltkrieg zog. Von dort kehrte der umtriebige Gastwirt lebend zurück und machte die „Hohe Sonne“zu einem florierend­en und angesehene­n Ausflugsun­d Urlaubszie­l – immer auf Augenhöhe und mit Liebe zur Natur. Sohn Martin, den besagtes Foto als Dreikäseho­ch mit Hütchen und Fasanenfed­er zeigt, verlobte sich mit Christa, Tochter des renommiert­en Eisenacher Mediziners Ernst Witzleb, einem Arzt für Nerven- und Gemütsleid­en.

Uneheliche­r Sohn des Großherzog­es versorgt

Martin fällt im Zweiten Weltkrieg in Russland

Zur Hochzeit kam es aber nicht, denn Martin fiel im Zweiten Weltkrieg kurz vor Moskau, berichtet Otto-friedrich Zimmermann, sein Neffe. Einen Tag nach seinem Geburtstag am 23. Juni 1948 starb auch Otto Zimmermann auf der „Hohen Sonne“, erinnert sich der 69-Jährige.

Den Wechsel vom Privatunte­rnehmen zur saatlich geführten Handelsorg­anisation ab 1956 musste Otto also nicht miterleben. Das besagte schwarzwei­ß-foto von ihm mit Sohn Martin hing noch bis zur Schließung des Restaurant­s „Hohe Sonne“1985 in der Gaststube, wissen die Nachfahren.

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Diese  entstanden­e und wieder aufgetauch­te Fotografie von Otto Zimmermann mit seinem Sohn hing noch Jahrzehnte später im Gastraum des Hotels „Hohe Sonne“, das Zimmermann ab  bis zu seinem Tod führte. Foto: Jensen Zlotowicz

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