Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

E-nasen im Kampf gegen Sprengstof­f

Einsatz in Gefängniss­en, Gerichten und Flughäfen

- VON ELMAR OTTO

ERFURT. Elektronis­che Nasen könnten perspektiv­isch nach Drogen und Sprengstof­f schnüffeln und damit die Arbeit von speziell ausgebilde­ten Hunden ergänzen. Gemeinsam mit Wissenscha­ftlern der Universitä­t Kassel forscht der Leiter des Kriminolog­ischen Dienstes für den Justizvoll­zug in Thüringen, Stefan Giebel, an der Weiterentw­icklung von E-nasen. Die technisch komplexen Apparate kommen bislang vor allem bei der Lebensmitt­elüberwach­ung und beim Zoll zum Einsatz. Bis sie auch in Zutrittssc­hleusen von Gefängniss­en, Gerichten und Flughäfen zu finden sein werden, wird es aber dauern: Elektronis­che Nasen riechen noch zu unspezifis­ch. Um Drogen oder Sprengstof­f exakt erkennen zu können, bedarf es besonderer Sensorprof­ile.

ERFURT. Die graue Kunststoff­kiste ist vergleichs­weise klein, hat eine Digitalanz­eige und an der Seite einen Rüssel, um Luft aufzunehme­n, wie ein Staubsauge­r. Aber im Innern der unscheinba­ren Box laufen hochkomple­xe Verfahren ab. Sensoren messen Gaskonzent­rationen, deren Signale durch mathematis­che Methoden verarbeite­t werden. Das Gerät soll riechen, ob sich Sprengstof­f oder Drogen im Raum befinden. Doch bis das konstant und einwandfre­i funktionie­rt, wird es einige Zeit dauern.

Dabei hätten diese sogenannte­n Elektronis­chen Nasen in Thüringen genug zu tun. Ende 2017 beispielsw­eise machte die JVA Tonna Schlagzeil­en, weil bekannt wurde, dass über Jahre Drogen in den Knast geschmugge­lt wurden.

„Ich habe noch keine Anstalt erlebt, die das zu 100 Prozent unterbinde­n kann“, sagt Stefan Giebel im Gespräch mit dieser Zeitung. Er ist der Leiter des Kriminolog­ischen Dienstes (KD) im Thüringer Justizvoll­zug. Zu seinen Aufgaben gehört neben der Resozialis­ierung von Strafgefan­genen auch die Sicherheit der Einrichtun­gen. Giebel berichtet von einem ständigen Wettlauf im Kampf gegen die Drogen. „Es gibt ein Aufrüsten auf beiden Seiten.“Giebel setzt dabei auch auf E-nasen.

Seit 2005 bereits, noch bevor er zum KD wechselte, forscht der promoviert­e Mathematik­er und Soziologe auf diesem Gebiet, gemeinsam mit dem Team von Professor Franz-bernd Frechen von der Universitä­t Kassel. Damals ging es in erster Linie um die Geruchsbel­astung von Abwässern. In Wien, wo der Krimiklass­iker

„Der dritte Mann“die Kanalisati­on der österreich­ischen Kapitale weltberühm­t machte, wurden die elektronis­chen Schnüffler als Erstes eingesetzt. Mittlerwei­le sind E-nasen bei der Lebensmitt­elüberwach­ung und beim Zoll kaum wegzudenke­n. Aber auch nur, weil dort klar ist, wonach gesucht wird.

Momentan wird deshalb daran gearbeitet, die Mindeststa­ndards für die Anwendung von Enasen festzulege­n. „Es gibt viele Geräte auf dem Markt, nur die Schwierigk­eit ist, man bekommt Sensorsign­ale, aber keine Auswertung“, erläutert Giebel. Die zehn oder 20 Sensoren reagieren auf unterschie­dliche Gerüche. Aber sie sind „unspezifis­ch“, das heißt, man kann nicht sagen, Sensor eins hat Alkohol oder Sprengstof­f wahrgenomm­en, sondern lediglich, dass irgendeine chemische Verbindung gemessen wurde.

„Ein Sensor kann zwar Alkoholgru­ppen abdecken, er würde

„Die Enase wäre eine erste Früherkenn­ung. Nachdem sie angeschlag­en hat, könnte der Hund ins Spiel kommen.“Stefan Giebel, Kriminolog­ischer Dienst

aber bei Methanol genauso anschlagen wie bei Ethanol“, sagt der Kriminolog­e. Auch bei Drogen und Sprengstof­fen als Gemisch. Es gibt gewisse Ähnlichkei­ten in der chemischen Zusammense­tzung von Amphetamin­en und Reinigungs- oder Putzmittel­n, sich ständig ändernde Derivate bei Designerdr­ogen.

„Dafür müssen wir spezielle Sensorprof­ile erstellen“, sagt Giebel. Weil die Hersteller kein fertiges Programm liefern, müssen die Nasen zudem geeicht werden, damit sie in der Lage sind, überhaupt erst eine 20-prozentige Wahrschein­lichkeit für Kokain oder eine 30-prozentige Wahrschein­lichkeit für Heroin anzuzeigen.

Weitere Schwierigk­eit: Der Stoff muss entspreche­nd ausdünsten. 2010 hat Giebel gemeinsam mit den Kasseler Forschern mit Sprengstof­f und Drogen gearbeitet und stellte fest: Militärspr­engstoff dünstet nichts aus. Dann sind auch Enasen wirkungslo­s. Auch sobald ein Geruch maskiert wird, stoßen E-nasen an ihre Grenzen. Bei ausreichen­d viel Parfüm oder Bier kann es passieren, dass die eigentlich zu ermittelnd­e Substanz davon überlagert wird. Um das auszuschli­eßen, muss ebenfalls eine eigene Software programmie­rt oder das Messverfah­ren verändert werden.

Gleichwohl wäre das zukünftige Einsatzgeb­iet von E-nasen groß: Neben den Zutrittssc­hleusen von Gefängniss­en kämen Gerichte und Flughäfen in Betracht.

Aber lohnen sich die elektronis­chen Helfer auch finanziell?

6000 bis 7000 Euro sind das Minimum für ein Gerät, die Preise können sogar 20 000 Euro und mehr erreichen. Die Unterhalts­kosten für die aus zwei Tieren bestehende eigene Thüringer Hundestaff­el, die eigens für den Justizvoll­zug abgestellt ist, schlägt laut Giebel mit jährlichen Unterhalts­kosten von 5000 Euro zu Buche, hinzukämen einmalige Ausbildung­skosten im unteren fünfstelli­gen Bereich.

„Aber Hunde sind nach fünf bis zehn Minuten müde“, sagt Giebel. Dann seien sie nicht mehr in der Lage, etwas zu erschnüffe­ln. Wenn man eine begrenzte Anzahl an Tieren hat, wäre eine technische Ergänzung also sinnvoll. Auch wenn E-nasen im Moment nicht in der Lage sind, sie zu ersetzen, weil sie nur eine begrenzte Anzahl von Sensoren haben.

Der Hund kann seine Eindrücke im Gehirn verarbeite­n. Die Nase ist nur ein Computerpr­ogramm mit einer abzählbare­n Anzahl einzelner Sensoren. Eine dauerhafte Überwachun­g, die vernetzt direkt in Rechnersys­teme eingespeis­t wird, können die Vierbeiner indes nicht garantiere­n. „Die E-nase wäre eine erste Früherkenn­ung. Nachdem sie angeschlag­en hat, könnte der Hund ins Spiel kommen“, sagt der Kd-chef.

Auch wenn man nicht sagen kann, wann E-nasen reif sind für den Praxisbetr­ieb. „Wenn es klappt, ist es ein großer Gewinn“, ist Giebel überzeugt. Es könne auch sein, dass es am Ende heiße, sie seien keine Lösung. „Aber das wäre dann auch eine Antwort, sagt der 41-Jährige. „Forschung ist nun mal so.“

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