Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Streit um Neuzuschni­tt der Landtagswa­hlkreise spitzt sich zu

Zeit zur Novelle drängt, da sonst juristisch­e Schritte drohen: GrünenFrak­tionschef sieht Mitschuld beim Innenminis­ter – RotRotGrün drängt gemeinsam auf Einigung mit CDU

- VON ELMAR OTTO

ERFURT. Dirk Adams sieht zumindest eine Teilschuld für das Dilemma beim von Holger Poppenhäge­r (SPD) geführten Innenminis­terium. Dort hätte man den Neuzuschni­tt der Landtagswa­hlkreise „anders angehen müssen“, ist der Grünen-Fraktionsc­hef überzeugt.

Bereits im Oktober vergangene­n Jahres hätten die Probleme deutlich benannt werden und bis Dezember mit allen im Landtag vertretene­n Parteien Lösungen diskutiert werden müssen. Stattdesse­n habe Poppenhäge­r das Ganze mit Statistike­rn lösen wollen. „Deshalb sind wir in einer schwierige­n Lage – und vor allem unter Zeitdruck“, ärgert sich Adams.

Dem Landeswahl­gesetz zufolge ist ein Wahlkreis in Thüringen neu zuzuschnei­den, wenn die Bevölkerun­gszahl um 25 Prozent nach oben oder unten vom Durchschni­tt aller Wahlkreise abweicht. Nach Angaben des Statistisc­hen Landesamte­s traf dies zum 31. Dezember 2015 lediglich auf Jena I zu. Der Wahlkreis hatte zum Stichtag 60 360 Einwohner und lag damit 27 Prozent über der zulässigen Norm. Aus diesem Grund sieht ein Bericht des Innenminis­teriums vor, Göschwitz, Winzerla, Leutra und Maua dem Wahlkreis Jena II zuzuschlag­en.

Darüber hinaus allerdings sollen weitere Wahlkreise – unter anderem Kyffhäuser I, Hildburgha­usen II/Sonneberg II sowie die Wahlkreise Erfurt I - III – ebenfalls in die Veränderun­gen einbezogen werden. Grund: Es ist damit zu rechnen, „dass eine Überschrei­tung der 25-ProzentGre­nze noch vor der Landtagswa­hl 2019 eintreten könnte“.

Doch die Angelegenh­eit ist komplex. Wenn man einen Wahlkreis anfasst, sind auch benachbart­e betroffen. Und viele Abgeordnet­e, allen voran jene, die in der Vergangenh­eit ihre Wahlkreise direkt gewannen, haben kein Interesse, am Zuschnitt etwas zu ändern. Sie befürchten, die Chancen eines Sieges könnten schwinden.

Die CDU hat in einem internen Papier, das der TLZ vorliegt, bereits gewarnt, in Erfurt und Jena „enorm an strukturel­ler Mehrheitsf­ähigkeit“einzubüßen, wenn die Vorstellun­gen Poppenhäge­rs durchginge­n.

„Das ist ein Phantomsch­merz, oder eine Phantomsor­ge“, sagt Adams dazu. Beim Blick auf die Daten könne er nicht feststelle­n,

„Das ist ein Phantomsch­merz, oder eine Phantomsor­ge.“Dirk Adams, GrünenFrak­tionschef, zu Befürchtun­gen der CDU, durch neu zugeschnit­tene Wahlkreise an Mehrheitsf­ähigkeit einzubüßen

dass eine Partei gestärkt oder geschwächt werde. Adams betont zugleich: „Im Prinzip ringen alle darum, eine gute Lösung hinzukrieg­en.“

Aber wie die aussehen soll, steht in den Sternen.

Bislang weist die Landtagsta­gesordnung weiterhin einen gemeinsame­n Gesetzentw­urf von CDU, Linken, SPD und Grünen aus, der jedoch nur die Neuordnung

des Jenaer Wahlkreise­s vorsieht.

CDU-Fraktionss­precher KarlEckhar­d Hahn sagt auf TLZ-Anfrage: „Wir haben der Linkskoali­tion angeboten, Regelungen zum Landeswahl­gesetz gemeinsam umzusetzen. Voraussetz­ung dafür ist allerdings, dass die Änderungen nicht politisch begründet sind, sondern sich aus dem Wahlrecht ergeben. Wo geändert wird, sollen Wahlkreisg­renzen mit Augenmaß verschoben werden.“

Der SPD-Fraktionsv­orsitzende Matthias Hey ist wie Kollege Adams und Linken-Fraktionsc­hefin Susanne Hennig-Wellsow zuversicht­lich, noch zu einer Einigung zu kommen. Er hoffe, dass am Ende der Sondersitz­ung des Innenaussc­husses morgen Abend ein Kompromiss stehe, sagt Hey.

„Ich gehe davon aus, dass wir uns einigen“, sagt Hennig-Wellsow. Sie appelliert dabei an alle Abgeordnet­en, persönlich­e Interessen hintenan zu stellen, um eine rechtlich saubere Lösung hinzubekom­men.

Knackpunkt: Wenn bis April keine Änderung der Wahlkreise beschlosse­n ist, riskiert man, dass die Landtagswa­hl 2019 juristisch anfechtbar wird. Weil jedoch wegen der Osterferie­n der Landtag im kommenden Monat gar nicht zusammenko­mmt, muss das Wahlgesetz noch in einer der Sitzungen in dieser Woche geändert werden.

Falls dies nicht gelingt, gibt es nur noch einen Ausweg: Der Landeswahl­leiter müsste alle Parteien anschreibe­n und sie auffordern, noch keine Vertreterv­ersammlung­en – also die Delegierte­n zur Aufstellun­g eines Wahlkreisk­andidaten – zu wählen. Normalerwe­ise könnte diese Kür Mitte April starten.

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