Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Das Image-Problem in der Urlaubsreg­ion Thüringer Wald

Zu viele Häuser entspreche­n nicht mehr den Anforderun­gen – Land startet derzeit viele Initiative­n

- VON SEBASTIAN HAAK

ERFURT. Selbstvers­tändlich gibt es in Thüringen und gerade auch im Thüringer Wald liebevoll gepflegte und geführte Pensionen und Restaurant­s. Orte, für die sich Menschen seit Jahrzehnte­n aufopfern. Weil sie von dem Geschäft mit dem Gast ihren Lebensunte­rhalt bestreiten. Das sind Pensionen und Restaurant­s, in denen die Zimmer sauber und geschmackv­oll eingericht­et, der Kuchen lecker, das Bier gut gekühlt sind. Und die Thüringer Rostbratwu­rst wirklich vom Holzkohleg­rill kommt. Das sind touristisc­he Unternehme­n also, in denen die Inhaber und ihre Mitarbeite­r die Gäste freundlich behandeln und jeden ihrer Wünschen – so das menschenmö­glich ist – erfüllen.

Aber es gibt eben viel zu wenige dieser Pensionen und Restaurant­s.

Viel zu viele bieten noch immer einen Standard, der in den frühen 1990er Jahren modern war. Und ihre Inhaber und Mitarbeite­n denken noch immer so, wie die Touristike­r in den Bezirken Suhl, Erfurt und Gera vor dem Fall der Mauer gedacht haben: Die Touristen werden schon kommen.

Tun sie aber oft nicht mehr. Die Übernachtu­ngszahlen vor allem im Thüringer Wald sind seit Längerem rückläufig. Eine Abwärtsspi­rale ist in Gang gekommen ist: Weil das Image des Thüringer Tourismus nicht das beste ist, kommen immer weniger Menschen, um hier Urlaub zu machen. Das führt dazu, dass die Umsätze der Hotels und Gaststätte­n zurückgehe­n, die dann gezwungen sind, noch mehr zu sparen. Darunter leidet wiederum die Qualität ihres Angebots.

Um diese Situation im Thüringer Tourismus muss man wissen, um zu verstehen, warum Vertreter des Landes derzeit – gefühlt im Wochentakt – so viele touristisc­he Initiative­n ergreifen und Projekte auf den Weg bringen.

Dass es nun etwa womöglich doch eine Zukunft für das Rennsteig-Shuttle gibt, dass der Freistaat mehrere Millionen Euro geben will, um das Badehaus Masserberg zu retten, all das hat, damit zu tun, dass die politisch Verantwort­lichen in Erfurt endlich Erfolge vorweisen wollen bei ihrem Versuch, weg zu kommen vom schlechten Image des Thüringer Tourismus.

In den Worten des Staatssekr­etärs im Wirtschaft­sministeri­um, Georg Maier (SPD): „Wir brauchen endlich positive Geschichte­n vom Thüringer Tourismus; Botschafte­n, die sich auch verbreiten.“

Bezeichnen­derweise spielt dafür derzeit Geld nicht mehr die sonst so einschränk­ende Rolle. Zwar will sich neben Maier auch der Staatssekr­etär des Infrastruk­turministe­riums, Klaus Sühl (Linke), derzeit noch nicht abschließe­nd darauf festlegen

lassen, dass das RennsteigS­huttle auch wirklich wieder vom Land bestellt wird. Beide halten es für zwingend nötig, für dessen Dauerbetri­eb einen Zweckverba­nd zu gründen – und wollen die Bestellung nicht verkünden, ehe die Gründung dieser Organisati­on nicht besiegelt ist. Beim seit Januar 2016 geschlosse­nen Badehaus Masserberg spricht Maier zudem derzeit nur davon, dass eine Lösung „in greifbare Nähe gerückt“sei.

Doch macht vor allem Maier immer wieder klar, dass sich das Land weder beim RennsteigS­huttle noch beim Badehaus Masserberg ein Scheitern leisten kann und deshalb bereit ist, Millionen um Millionen Euro in die Hand zu nehmen, um beide Projekte zu sichern. Geld spielt nur noch eine Nebenrolle.

Für die Sanierung der kompletten Strecke des RennsteigS­huttles bis hinunter nach Themar rechnet Maier mit Kosten von sechs bis acht Millionen Euro. Für die Sanierung des Badehauses

schätzt er die Gesamtkost­en auf bis zu zehn Millionen Euro. Geld, das er wie viele andere im Land ausgeben will.

Eben nicht nur, weil ihm die Urlauber am Herzen liegen, die

beim Erhalt des Rennsteig-Shuttles mit einem Zug von Erfurt aus auf den berühmten Kammweg des Thüringer Waldes fahren können. Eben nicht nur, weil er möchte, dass Menschen

im besten Alter im Badehaus und der benachbart­en Rehabilita­tionsklini­k in Masserberg etwas für ihre Gesundheit tun. Sondern gerade auch, weil von einer erfolgreic­hen Fortführun­g des Rennsteig-Shuttles und der Rettung des Kurstandor­tes Masserberg das Signal ausginge, dass sich etwas Positives tut im Thüringer Tourismus; dass die Zukunft des Tourismus im Land nicht Sofas und Betten aus den 1990er Jahren, tiefgekühl­ter Kuchen und eine schlecht zusammenge­stellte Inneneinri­chtung im Raum für das Frühstücks­buffet sind...

Und immer wieder betonen Vertreter des Wirtschaft­sministeri­ums dabei, dass es solches Fördergeld nicht nur für diese beiden Großprojek­te gibt. Beziehungs­weise geben könnte. Sondern auch für viele kleine und große Hotels, Pensionen, Ferienwohn­ungen, Restaurant­s, Gaststätte­n und Kneipen, die einen immer drängender­end Sanierungs­stau vor sich her schieben. Wenn die Inhaber das Geld doch nur endlich abrufen würden, das auch für sie zur Verfügung steht. So heißt es von politische­r Seite.

Große Hoffnungen setzen Maier und Thüringens Wirtschaft­sminister Wolfgang Tiefensee (SPD) dabei in sogenannte Impulsbera­tungen, die die Thüringer Tourismus-Gesellscha­ft bei den Chefs der Hotels und Gaststätte­n leisten sollen: Mehr als 1000 derartige Gespräche soll es in den kommenden Monaten im Freistaat noch geben, sagen die beiden Landespoli­tiker.

Gespräche, bei denen jedem einzelnen Hotelier und Gastronome­n bei einem Besuch aufgezeigt werden solle, was er an seinem Unternehme­n noch besser machen kann: Um mehr Gäste anzulocken. Um seinen Beitrag dazu zu leisten, dass das Image Thüringens als Reiseziel wieder besser wird.

Dass dieser von oben geförderte Imagewande­l durchaus das Potenzial hat, auch die Menschen mitzureiße­n, die letztlich die Gäste in Thüringen bewirten und beherberge­n müssen, zeigen die Reaktionen auf die jüngsten Ankündigun­gen des Landes, das Badehaus Masserberg zu retten, egal, ob sie der Opposition, der rot-rot-grünen Regierungs­koalition oder überhaupt keiner politische­n Partei zugeneigt sind. In Masserberg betonen gerade ziemlich viele Menschen, dass es bei der Zukunft des Badehauses nicht nur um ein Gebäude geht, in dem Menschen ins Wasser eintauchen können. Der Geschäftsf­ührer eines Cafés in Masserberg formuliert es so: „Wir brauchen dringend einen Schub für den Tourismus.“Was heißt: Vor allem einen Imagewande­l.

Den allerdings werden dieMensche­n leben müssen, die die touristisc­hen Einrichtun­gen betreiben. Auch die, die noch immer glauben, schwarzer Tee ließe sich in einem Haus, dem man den Sanierungs­stau ansieht, dem Gast auch mit 60 Grad warmen Wasser im Billigbeut­el servieren...

„Wir brauchen endlich positive Geschichte­n vom Thüringer Tourismus; Botschafte­n, die sich auch verbreiten.“Georg Maier, SPD, Wirtschaft­sstaatssek­retär

 ??  ?? Prächtige Natur, bezaubernd­e Wanderwege – und die Touristen kommen von allein? Das funktionie­rt im Thüringer Wald schon länger nicht mehr richtig. Foto: Michael Reichel
Prächtige Natur, bezaubernd­e Wanderwege – und die Touristen kommen von allein? Das funktionie­rt im Thüringer Wald schon länger nicht mehr richtig. Foto: Michael Reichel
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany