Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Das Image-Problem in der Urlaubsregion Thüringer Wald
Zu viele Häuser entsprechen nicht mehr den Anforderungen – Land startet derzeit viele Initiativen
ERFURT. Selbstverständlich gibt es in Thüringen und gerade auch im Thüringer Wald liebevoll gepflegte und geführte Pensionen und Restaurants. Orte, für die sich Menschen seit Jahrzehnten aufopfern. Weil sie von dem Geschäft mit dem Gast ihren Lebensunterhalt bestreiten. Das sind Pensionen und Restaurants, in denen die Zimmer sauber und geschmackvoll eingerichtet, der Kuchen lecker, das Bier gut gekühlt sind. Und die Thüringer Rostbratwurst wirklich vom Holzkohlegrill kommt. Das sind touristische Unternehmen also, in denen die Inhaber und ihre Mitarbeiter die Gäste freundlich behandeln und jeden ihrer Wünschen – so das menschenmöglich ist – erfüllen.
Aber es gibt eben viel zu wenige dieser Pensionen und Restaurants.
Viel zu viele bieten noch immer einen Standard, der in den frühen 1990er Jahren modern war. Und ihre Inhaber und Mitarbeiten denken noch immer so, wie die Touristiker in den Bezirken Suhl, Erfurt und Gera vor dem Fall der Mauer gedacht haben: Die Touristen werden schon kommen.
Tun sie aber oft nicht mehr. Die Übernachtungszahlen vor allem im Thüringer Wald sind seit Längerem rückläufig. Eine Abwärtsspirale ist in Gang gekommen ist: Weil das Image des Thüringer Tourismus nicht das beste ist, kommen immer weniger Menschen, um hier Urlaub zu machen. Das führt dazu, dass die Umsätze der Hotels und Gaststätten zurückgehen, die dann gezwungen sind, noch mehr zu sparen. Darunter leidet wiederum die Qualität ihres Angebots.
Um diese Situation im Thüringer Tourismus muss man wissen, um zu verstehen, warum Vertreter des Landes derzeit – gefühlt im Wochentakt – so viele touristische Initiativen ergreifen und Projekte auf den Weg bringen.
Dass es nun etwa womöglich doch eine Zukunft für das Rennsteig-Shuttle gibt, dass der Freistaat mehrere Millionen Euro geben will, um das Badehaus Masserberg zu retten, all das hat, damit zu tun, dass die politisch Verantwortlichen in Erfurt endlich Erfolge vorweisen wollen bei ihrem Versuch, weg zu kommen vom schlechten Image des Thüringer Tourismus.
In den Worten des Staatssekretärs im Wirtschaftsministerium, Georg Maier (SPD): „Wir brauchen endlich positive Geschichten vom Thüringer Tourismus; Botschaften, die sich auch verbreiten.“
Bezeichnenderweise spielt dafür derzeit Geld nicht mehr die sonst so einschränkende Rolle. Zwar will sich neben Maier auch der Staatssekretär des Infrastrukturministeriums, Klaus Sühl (Linke), derzeit noch nicht abschließend darauf festlegen
lassen, dass das RennsteigShuttle auch wirklich wieder vom Land bestellt wird. Beide halten es für zwingend nötig, für dessen Dauerbetrieb einen Zweckverband zu gründen – und wollen die Bestellung nicht verkünden, ehe die Gründung dieser Organisation nicht besiegelt ist. Beim seit Januar 2016 geschlossenen Badehaus Masserberg spricht Maier zudem derzeit nur davon, dass eine Lösung „in greifbare Nähe gerückt“sei.
Doch macht vor allem Maier immer wieder klar, dass sich das Land weder beim RennsteigShuttle noch beim Badehaus Masserberg ein Scheitern leisten kann und deshalb bereit ist, Millionen um Millionen Euro in die Hand zu nehmen, um beide Projekte zu sichern. Geld spielt nur noch eine Nebenrolle.
Für die Sanierung der kompletten Strecke des RennsteigShuttles bis hinunter nach Themar rechnet Maier mit Kosten von sechs bis acht Millionen Euro. Für die Sanierung des Badehauses
schätzt er die Gesamtkosten auf bis zu zehn Millionen Euro. Geld, das er wie viele andere im Land ausgeben will.
Eben nicht nur, weil ihm die Urlauber am Herzen liegen, die
beim Erhalt des Rennsteig-Shuttles mit einem Zug von Erfurt aus auf den berühmten Kammweg des Thüringer Waldes fahren können. Eben nicht nur, weil er möchte, dass Menschen
im besten Alter im Badehaus und der benachbarten Rehabilitationsklinik in Masserberg etwas für ihre Gesundheit tun. Sondern gerade auch, weil von einer erfolgreichen Fortführung des Rennsteig-Shuttles und der Rettung des Kurstandortes Masserberg das Signal ausginge, dass sich etwas Positives tut im Thüringer Tourismus; dass die Zukunft des Tourismus im Land nicht Sofas und Betten aus den 1990er Jahren, tiefgekühlter Kuchen und eine schlecht zusammengestellte Inneneinrichtung im Raum für das Frühstücksbuffet sind...
Und immer wieder betonen Vertreter des Wirtschaftsministeriums dabei, dass es solches Fördergeld nicht nur für diese beiden Großprojekte gibt. Beziehungsweise geben könnte. Sondern auch für viele kleine und große Hotels, Pensionen, Ferienwohnungen, Restaurants, Gaststätten und Kneipen, die einen immer drängenderend Sanierungsstau vor sich her schieben. Wenn die Inhaber das Geld doch nur endlich abrufen würden, das auch für sie zur Verfügung steht. So heißt es von politischer Seite.
Große Hoffnungen setzen Maier und Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) dabei in sogenannte Impulsberatungen, die die Thüringer Tourismus-Gesellschaft bei den Chefs der Hotels und Gaststätten leisten sollen: Mehr als 1000 derartige Gespräche soll es in den kommenden Monaten im Freistaat noch geben, sagen die beiden Landespolitiker.
Gespräche, bei denen jedem einzelnen Hotelier und Gastronomen bei einem Besuch aufgezeigt werden solle, was er an seinem Unternehmen noch besser machen kann: Um mehr Gäste anzulocken. Um seinen Beitrag dazu zu leisten, dass das Image Thüringens als Reiseziel wieder besser wird.
Dass dieser von oben geförderte Imagewandel durchaus das Potenzial hat, auch die Menschen mitzureißen, die letztlich die Gäste in Thüringen bewirten und beherbergen müssen, zeigen die Reaktionen auf die jüngsten Ankündigungen des Landes, das Badehaus Masserberg zu retten, egal, ob sie der Opposition, der rot-rot-grünen Regierungskoalition oder überhaupt keiner politischen Partei zugeneigt sind. In Masserberg betonen gerade ziemlich viele Menschen, dass es bei der Zukunft des Badehauses nicht nur um ein Gebäude geht, in dem Menschen ins Wasser eintauchen können. Der Geschäftsführer eines Cafés in Masserberg formuliert es so: „Wir brauchen dringend einen Schub für den Tourismus.“Was heißt: Vor allem einen Imagewandel.
Den allerdings werden dieMenschen leben müssen, die die touristischen Einrichtungen betreiben. Auch die, die noch immer glauben, schwarzer Tee ließe sich in einem Haus, dem man den Sanierungsstau ansieht, dem Gast auch mit 60 Grad warmen Wasser im Billigbeutel servieren...
„Wir brauchen endlich positive Geschichten vom Thüringer Tourismus; Botschaften, die sich auch verbreiten.“Georg Maier, SPD, Wirtschaftsstaatssekretär