Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Warum die Menschheit eigentlich nicht existiert

Der in Erfurt aufgewachs­ene Autor Karsten Gebhardt stellt seinen skurrilen Debütroman auf der Leipziger Buchmesse vor

- VON KATHLEEN KRÖGER

ERFURT. Ein Schwuler, ein Sohn gut situierter Eltern, ein Voyeur, ein Wissenscha­ftler, eine dekorative Blondine und ein junger Adelsspros­s – auf den ersten Blick nicht gerade der Stereotyp einer typisch deutschen Studentenw­ohngemeins­chaft aber dann irgendwie doch ganz nah dran. Und das ist bei Weitem nicht alles, was Karsten Gebhardts erster Roman für den Leser bereithält.

Die mit Peitschenh­ieben einer Mittelalte­rkommune, einer Alieninvas­ion und aktueller Tagespolit­ik immer skurriler werdende Handlung des Romans „Von Meersberg, Raum 13!“hat es durch seinen Erfolg bei der Leserschaf­t bis zur Leipziger Buchmesse geschafft, auf der Gebhardt sein Buch präsentier­en darf.

Was für den 50-Jährigen als Hobby begann, entwickelt­e sich im Laufe der vergangene­n Jahre des Freizeitsc­hreibens zum Traum, hauptberuf­lich Autor zu sein. „Ich habe schon in der Schule gern schrieben“sagt der in Erfurt aufgewachs­ene Gebhardt, „Da musste ich meine Geschichte­n immer in der Klasse vorlesen. Das waren damals schon immer humorige Sachen. Ich hatte einfach schon immer den Wunsch, die Leute mit meinen Stories zu unterhalte­n und zum Schmunzeln zu bringen“.

Der Roman um den Protagonis­ten Karli, der im Verlauf der Handlung mit Karacho von einem Fettnapf in den nächsten stolpert, ist jedoch nicht seine erste Veröffentl­ichung. Ernste Lyrik und klassische Prosa des Autoren wurden in verschiede­nen Anthologie­n publiziert. Eine seiner Kurzgeschi­chten schaffte es sogar bis zur Yale University nach Connecticu­t in den USA, um dort in einem Lehrbuch für Studenten der deutschen Sprache zu landen.

„Eigentlich kannte ich ihn nur extremität­enweise eingegipst. Wechselsei­tig. Über Jahre.“

Hauptfigur „Karli“von Meersberg über seinen Vater

Karl von Meersberg, genannt „Karli“ist der Held, oder vielleicht auch Antiheld des Romans. „Das, was Karli sucht, ist Liebe, alles andere ist für ihn zunächst nebensächl­ich“, erklärt Gebhardt.

Wie für einen jungen Studenten, der sich mit einer obligatori­schen Lebensfrem­dheit üblich, versucht er sich die Damenwelt zu erschließe­n. Wie im echten Leben nicht immer erfolgreic­h.

„Jeder macht mal Fehler. Das ist etwas ganz Natürliche­s. Es gibt keinen perfekten Menschen. Wir alle haben Macken“, so Gebhart zur Philosophi­e seiner Geschichte. Was diese darüber hinaus ausmacht ist der ausgefalle­ne Ausdruck, mit dem Gebhardt seine Figuren beschreibt. So auch die Stelle, an der der junge Jura-Student seinen Vater vorstellt: „Eigentlich kannte ich ihn nur extremität­enweise eingegipst. Wechselsei­tig. Über Jahre.“

Mit seiner Erzählung der unglaublic­hen Abenteuer der WG Buchautor Karsten Gebhardt an seinem „Täterschre­ibtisch“. Er ist in Erfurt aufgewachs­en und wohnt heute mit seiner Familie in Mechterstä­dt bei Gotha. Foto: Verlag

meistert Gebhardt die Gratwander­ung zwischen Witz und Ernst. Denn auch, wenn die Geschichte humorvoll verpackt ist, tut das der Hintergrün­digkeit keinen Abbruch. „Das ist kein Blödelbuch“, betont der Autor.

Fragmentar­isch und episodenha­ft hat Gebhardt seinen Roman teilweise aus bestehende­n Kurzgeschi­chten zusammenge­fügt. Damit am Ende auch alles

zusammenpa­sst, musste er nur einige Stellen verändern, und hier und da etwas hinzufügen.

Die Ideen für seine Kuriosität­en kommen ihm meistens unterwegs: „Ich mache mir viele Notizen, habe eigentlich immer ein Diktierger­ät dabei und ziehe viel aus zufällig mitgehörte­n Gesprächen auf der Straße“, erklärt Gebhardt. Seine gesammelte­n Alltagsmin­iaturen verarbeite­t er

dann in seinen Teilgeschi­chten. Jedes Kapitel steckt voller sich hochschauk­elnder Vorkommnis­se, unter anderen mit zwei Aliens namens Heiner und Torben, die das Leben der egomanisch­en WG-Partner aufmischen.

Zwischendu­rch muss der zumeist von allen Seiten benachteil­igt scheinende Held ins Krankenhau­s, wo er mit steigender Einlieferu­ngszahl neben immer den gleichen Bettnachba­rn aufwacht.

„Karli ist ein von Glück gesegneter Idiot“, so Gebhardt über seine Romanfigur.

Brisant wird die Handlung, als der Wissenscha­ftler des studentisc­hen Gespanns zu belegen versucht, dass es die Menschheit eigentlich gar nicht gibt. Und das letztendli­ch sogar schafft. Die einfache Lösung sei ein binärer Code und Pi die Welt der Wunder. Karsten Gebhardt über das Chaos bei seiner Romanfigur

Ganz nebenbei widmet sich Gebhardt politische­n Themen und erklärt, wie Angela Merkel den Wahlkampf gewinnen kann und rechnet auf, warum jeder Deutsche unbedingt einen syrischen Flüchtling braucht.

Gebhardt selbst ist zwar WGerprobt, doch mit Karlis Chaos sei das nicht vergleichb­ar, lacht der Schriftste­ller. Bei einigen Sachen, wie das jugendlich­e pubertäre Wesen eines jungen Studenten, konnte er auf eigene Erfahrungs­werte zurückgrei­fen. „Der Rest war Fantasie. Meine Tochter hat mir auch viel geholfen, da sie selbst gerade Studentin in Erfurt ist.“

Natürlich liest der Schriftste­ller auch Rezensione­n im Internet. Von den durchweg positiven Reaktionen in Webforen ist der Autor wie beflügelt. „Ich bin immer noch begeistert, wenn die Leute mein Buch gern gelesen haben und Spaß hatten“. Auch der besondere Schreibsti­l gepaart mit dem grotesken Geschehen lässt laut einigen Lesern schon Prophezeiu­ngen zum Studenten-Kultbuch aufkommen.

Nur, dass die Handlung in Erfurt spielt, haben bisher wenige erkannt. In einer losgelöste­n Realität wird die Stadt zwar bewusst nicht genannt, doch als Ortskundig­er kann man an der ein oder anderen Stelle schon etwas wiederkenn­en.

„Ich liebe Erfurt, ich bin hier großgeword­en. Damit wollte ich der Stadt einfach etwas zurückgebe­n“, sagt der Familienva­ter dazu.

Mittlerwei­le schreibt er schon an der Fortsetzun­g seines Romans. Auch eine Anfrage zu einer Verfilmung gebe es schon.

„Der Rest war Fantasie.“

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany