Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Plakativ Böses trifft auf eine utopische Welt
Michal Schmidt und Martin Fink: Zwei Landesstipendiaten stellen derzeit im Kulturhof Krönbacken aus
ERFURT. Zur Eröffnung hat es mächtig gekracht und geknallt im Kulturhof Krönbacken. Als alle Eröffnungsreden gehalten waren, konnten Besucher mit drei Baseballschlägern bewaffnet auf einen Boxsack eindreschen, der, beklebt beispielsweise mit Bildern von Erdogan, Putin und Pinocchio, am Ende doch keine Süßigkeiten preisgab, wie bei dem vergleichbaren Ritual aus dem südamerikanischen Raum bei einer solchen Pinata üblich.
Drei Schläger stehen bereit, denn Schmidt weiß: In der Gruppe gelingt es leichter, das Böse und die Aggression herauszukitzeln, sich gegenseitig anzustacheln.
Eine Aktion, die nicht der Vernissage vorbehalten war – wer will, der kann auch weiterhin zum weiß bemalten Schläger greifen, aktiv zum Teil der Kunst werden, die der Erfurter Künstler Michal Schmidt im Erdgeschoss der Galerie zum Güldenen Krönbacken präsentiert. „malfunction“(Fehlfunktion) heißt sie und ist bis zum 7. Mai zu sehen.
Thema ist das Böse. Der Suche nach den Ursachen dafür widmet sich Michal Schmidt schon seit Jahren, mit einem Landestipendium für Bildende Kunst des Freistaates Thüringen, dotiert mit 10 000 Euro, konnte er sich aber im vergangenen Jahr verstärkt auf seine Kunst konzentrieren, ohne bei Material und Farben geizen zu müssen, wie er sagt. Mit seinen Objekten und expressiv-figürlicher Malerei führt er an die Abgründe des Menschseins, lässt den Betrachter mit collage-artig zusammengefügten Figuren – aus der Mythologie, aus dem Rotlichtmilieu oder aus dem Fußball – eintauchen in seine Gedankenwelt.
Reinigende Opferrituale gibt es auf den wuchtigen Großformaten zu sehen, Verweise auf die sieben Todsünden. Dann setzt sich Schmidt als Künstler über moralische Grenzen hinweg und im Bild „Böser Blick“selbst in Szene, fasziniert vom Bösen und austarierend, was Kunst darf, was nicht. So auch mit einer Rettungsweste, gleich im Eingangsbereich. Wer hinter dieses Fundstück vom Strand in Lampedusa blickt, wo Michal Schmidt Schiffsfragmente sammelte und mit Flüchtlingen ins Gespräch kam, entdeckt Dynamitstangen daran, die die Rettungsweste zum Sprengstoffgürtel machen. Gleich nebenan hängt ein Bild, Öl auf Leinwand, das die Populisten unserer Zeit von Frauke Petry bis Marie Le Pen zeigt – für jeden politisch Interessierten erkennbar, auch wenn sie ohne Gesicht bleiben, das ohnehin wie eine Maske scheint.
Im Obergeschoss des Krönbacken wird‘s utopisch. Martin Fink, ebenfalls Landesstipendiat 2016, entführt in irreal wirkende Gesteinswelten, bedient sich dazu Videographien, Fotos und Zeichnungen.
Er hat Landschaften Thüringens aufgenommen, Schiefer und Steine gesammelt, war dazu im Schieferstädtchen Lehesten im Thüringer Wald auf Expedition. Seine Funde hat er für die Bildwände am Rechner verfremdet, so dass Wirklichkeit und erdachte Formen fließend ineinander übergehen. Überhaupt: Fließend, so wolle er Steine darstellen, hat Zeitläufe von Millionen Jahren gerafft und scheinbar in Momentaufnahmen festgehalten. Unterirdische Seen hat er gefilmt. „Erkundungen im Hinterland von Munroi“lautet der Titel seiner Schau. Dazu gesellen sich Holzkonstruktionen, die an Architekturmodelle erinnern und in denen es vor winzigen Modellbaufiguren wimmelt. Sie bestehen aus Holzresten aus der Uni-Werkstatt, die er zusammengefügt hat zu neuen Gebäuden und Fantasiewelten.
Der Katalog zur Ausstellung ist ab 13. April erhältlich.