Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

„Wir haben hier ein Problem“

Abgeordnet­e RotheBeinl­ich und Henfling vermuten hohe Dunkelziff­er bei Übergriffe­n auf minderjähr­ige Migranten

- VON FABIAN KLAUS

ERFURT. Die Zahlen für das vergangene Jahr fehlen zwar. Allerdings lesen die beiden Landtagsab­geordneten Madeleine Henfling und Astrid Rothe-Beinlich (beide Grüne) aus den Antworten, die sie jetzt aus dem Thüringer Innenminis­terium erhalten haben, einige besorgnise­rregende Entwicklun­gen heraus.

Von 2014 (68 Fälle) zu 2015 (125) hat sich die Zahl der Fälle von Straftaten gegen Minderjähr­ige unter 16 Jahren, die nichtdeuts­cher Herkunft sind, nahezu verdoppelt. Vor allem 2015 waren auch nach Thüringen zahlreiche Menschen mit Migrations­hintergrun­d im Zuge der Flüchtling­sbewegung gekommen – unter ihnen etliche Familien mit Kindern, aber auch viele unbegleite­te Minderjähr­ige. „Die Beinahe-Verdopplun­g der registrier­ten Opferfälle jedenfalls macht deutlich, dass es sich hier um ein ernsthafte­s Problem handelt – zumal davon ausgegange­n werden muss, dass die Dunkelziff­er noch viel höher liegt und Beleidigun­gen und Einschücht­erungen oftmals unterhalb der offizielle­n Meldeschwe­lle stattfinde­n“, sagt Astrid Rothe-Beinlich auf TLZ-Anfrage – und wird deutlicher: „Fakt ist: Wir haben hier ein Problem – exemplaris­ch deutlich im Umgang mit Kindern mit Migrations­hintergrun­d. Dieses Problem heißt Rassismus.“

Angefragt hatten die beiden Fraktionsk­olleginnen, weil vor einigen Monaten ein konkreter Fall aus Erfurt bekannt wurde, bei dem es zu einem rassistisc­hen Übergriff auf minderjähr­ige Flüchtling­e kam. Außerdem höre sie immer wieder von Einzelfäll­en, so Rothe-Beinlich.

Wissen wollten die GrünenPoli­tikerinnen von Innenminis­ter Holger Poppenhäge­r (SPD) auch, was die Landesregi­erung

Astrid RotheBeinl­ich (Grüne/MdL)

unternimmt, um derlei Straftaten entgegenzu­treten und Betroffene auf Hilfsorgan­isationen hinzuweise­n, die es in Thüringen gibt. In der vom Innenminis­ter unterzeich­neten Antwort

wird vor allem auf die Opferhilfe „Ezra“verwiesen, die in diesem Jahr mit 338 295 Euro aus dem Landeshaus­halt unterstütz­t werde. Außerdem gebe es ein 19 Beratungss­tellen umfassende­s Netz an Kinder- und Jugendschu­tzeinricht­ungen in Thüringen. Das seien spezifisch­e Beratungsd­ienste für von Gewalt bedrohte und betroffene Kinder. Darüber hinaus biete auch die Polizei regelmäßig Vorträge für Schulklass­en sowie Lehrer an. Dabei würden „geeignete Prävention­sund Interventi­onsmaßnahm­en dargestell­t“.

Wie konkret rassistisc­he Übergriffe auch an Schulen sein können, dass hatte Madeleine Henfling erst vor einer Woche bei ihrer Demokratie-Tour durch Thüringen erfahren, als ihr ein Fall aus Kahla geschilder­t wurde. Hier habe, sagte sie der TLZ unter Bezug auf das ihr geschilder­te Ereignis, am Ende sogar die Polizei einschreit­en müssen, weil die Lehrer keine Schlichtun­g herbeiführ­en konnten – an einer Grundschul­e.

Dass das Innenminis­terium bei der Opferhilfe vor allem auf „Ezra“abstellt, kann Astrid Rothe-Beinlich indes nicht nur nachvollzi­ehen – sie drückt gegenüber der TLZ auch den Dank an die Organisati­on aus für seit Jahren „schier unersetzli­che Arbeit“, die dort geleistet werde. Allerdings moniert sie auch, dass die Zusammenar­beit mit Polizei und Schule offenbar nicht immer reibungslo­s laufe. „Vielen ist ,Ezra‘ nach wie vor nicht bekannt. Zudem funktionie­rt die Zusammenar­beit mit Polizei und Ordnungsbe­hörden leider mitnichten reibungslo­s. Noch immer wird nicht überall auf ,Ezra‘ verwiesen, mitunter hat man den Eindruck, Angebote von ,Ezra‘ würden bewusst nicht weitergege­ben“, sagt sie.

„Wer schweigt oder sich nicht einmischt, macht sich mitschuldi­g an einem rassistisc­hen Klima der Angst.“

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Foto: Uli Deck Übergriffe auf Kinder mit Migrations­hintergrun­d haben sich in Thüringen verdoppelt zwischen  und .
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