Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Gauner-Pärchen mit Hang zum Luxus

Landeskrim­inalamt hat groß angelegten Drogenhand­el sowie illegalen Datenverka­uf auffliegen lassen: 30Jähriger und 19Jährige aus Südthüring­en sind die Hauptverdä­chtigen

- VON FABIAN KLAUS

ERFURT. Gelöste Stimmung im Konferenzr­aum des Landeskrim­inalamtes (LKA). Präsident Frank-Michael Schwarz hat gute Laune. Das wundert nicht mit Blick auf den Fall, den er gemeinsam mit Staatsanwa­lt Thomas Köhler aus Mühlhausen und Ermittler Martin Kähl vom Dezernat „Cybercrime“präsentier­en wird – und der kurz vor der vollständi­gen Aufklärung steht.

Den Thüringer Ermittlern ist ein 30-Jähriger ins Netz gegangen, der nicht nur einen großen Rauschgift­handel betrieben, sondern auch mit illegalen Daten gehandelt hat. Der Fall zeige jetzt, erklärt Schwarz, dass es sehr wohl möglich sei, Straftaten im sogenannte­n Darknet aufzukläre­n. Das ist eine versteckte Form des Internets, auf der vor allem illegale Geschäfte laufen und der nicht ohne Weiteres zugänglich ist. „Das Darknet ist kein rechtsfrei­er Raum“, macht der LKA-Chef deutlich und will das als Ansage an jene Ganoven verstanden wissen, die hier ihren illegalen Geschäften nachgehen.

Ein Ermittlung­sverfahren dieser Größenordn­ung zu bestreiten und erfolgreic­h abzuschlie­ßen, das stellt die Thüringer Kriminaler vor besondere Herausford­erungen – zumal im vorliegend­en Fall zwei Straftaten­komplexe von besonderem Umfang aufzuarbei­ten sind. Zum einen der Rauschgift­handel und auf der anderen Seite das „Abfischen“von Daten. Beides wird dem 30-Jährigen und seiner 19-jährigen Freundin vorgeworfe­n. Ein Ermittlung­sverfahren gegen den 55-jährigen Vater des Hauptverdä­chtigen wurde hingegen eingestell­t.

Die Geschichte des Gaunerpärc­hens spielt im ländlichen Südthüring­en. Einen genauen Ort nennen die Ermittler nicht. Vor drei Jahren begann der Tatverdäch­tige, der bereits eine dreieinhal­bjährige Haftstrafe wegen Internetbe­trugs abgesessen hat, damit, den groß angelegten Drogenhand­el vorzuberei­ten. Das können die Ermittler zweifelsfr­ei nachweisen. Sie sind sich außerdem sicher, dass der Handel mit Drogen sowie mit illegalen

Daten dazu diente, „den aufwendige­n Lebensstil“zu finanziere­n.

Was das bedeutet? Zwar sei eine unauffälli­ge Wohnung von den beiden bewohnt worden, sie hätten aber gern mal auf anderer

Leute Kosten teuren Champagner bestellt und außerdem sei der 30-Jährige mit hohen Summen in Wettbüros aktiv gewesen, sagt Staatsanwa­lt Thomas Köhler im TLZ-Gespräch. Er ist in Mühlhausen mit dem zweiten Straftaten­komplex, dem illegalen Handel mit Daten, betraut.

Zurück zu den Drogen: Spätestens seit April 2016 war der Mann sowohl im Clearnet – also dem normal zugänglich­en Internet – und im Darknet aktiv und verkaufte Drogen sowie Daten. Bis im November 2016 der Zugriff erfolgte: Bei einer Hausdurchs­uchung stellten die Ermittler seinerzeit Notebooks, Handys, Festplatte­n, zwei Kilogramm Haschisch, 600 Gramm Amphetamin, 300 Gramm Methamphet­amin, 200 Gramm Kokain und 100 Gramm Heroin sowie diverses Verpackung­smaterial sicher. Der Hauptverdä­chtige und seine Freundin sitzen seither in Untersuchu­ngshaft und sind zwischenze­itlich auch von der Staatsanwa­ltschaft Gera angeklagt worden. Auf die Schliche kamen die Ermittler dem Duo, weil aufmerksam­e Bürger Paketrückl­äufe erhalten hatten. Allerdings hatten diese Personen jene Pakete niemals aufgegeben – es waren die Sendungen des Pärchens an die Drogenkäuf­er. Die Drogen wurden in mindestens 3700 Fällen per Post verschickt. Auf den Sendungen gaben die Verdächtig­en jeweils real existieren­de Personen aus dem Südthüring­er Raum als Absender an. Weil einige dieser Sendungen nicht zugestellt wurden, flog die Geschichte auf. Von den 3700 Fällen seien 329 als „Verkauf von Betäubungs­mitteln in nicht geringer Menge“zu klassifizi­eren, schildert der LKA-Präsident. „Die zuständige­n Ermittleri­nnen und Ermittler sind derzeit damit beschäftig­t, die aus diesem Verfahren resultiere­nden Folgeverfa­hren an die zuständige­n Dienststel­len im Inund Ausland zu übersenden“, erklärt Schwarz. Das seien etwa 2000. Lediglich 22 davon würden in Thüringen verbleiben. Der 19-jährigen Tatverdäch­tigen legen die Ermittler zur Last, dass sie ein umfangreic­hes Wissen über das Geschäftsg­ebaren ihres Freundes hatte. Während er die Drogen im Darknet besorgt und dann zum Weiterverk­auf angeboten haben soll, sei sie für die Verpackung und Beschriftu­ng sowie das Aufgeben der Sendungen verantwort­lich gewesen.

Ziemlich bedeckt halten sich die Ermittler der „Gemeinsame­n Ermittlung­sgruppe Rauschgift“(GER) indes, wenn sie nach den Umsätzen gefragt werden, die das Pärchen damit erzielt hat. Zwischen 250 000 Euro und 400 000 Euro könnte der Umsatz allein mit dem Drogenhand­el gelegen haben, heißt es. Um ein Vielfaches höher dürfte indes die Einnahme aus dem zweiten Straftaten­komplex gewesen sein: Der 30Jährige soll neben dem Drogenhand­el auch Nutzerdate­n illegal ausgespäht und im Darknet verkauft haben. „Das zeigt, dass Cyberkrimi­nalität auch vor dem ländlichen Raum keinen Halt macht“, sagt Ermittler Martin Kähl vom Dezernat „Cybercrime“, das in diesem Fall ermittelt.

Das Ausspähen von Kundendate­n von 490 mittelstän­dischen Unternehme­n im deutschspr­achigen Raum soll der Mann mit einer im Internet normal erhältlich­en Software geschafft haben. Außerdem wird ihm das Versenden von 6,8 Millionen sogenannte­n Phishing-Mails zur Last gelegt. Erfahrungs­gemäß, heißt es aus Ermittlerk­reisen,

antworten zehn Prozent der angeschrie­benen Personen auf derlei Mails und geben nach dem Klick auf einen Link ihre persönlich­en Daten ein. Vor allem auf Kreditkart­ennummern haben es die Täter abgesehen – so auch in diesem Fall.

Die Erkenntnis­se der Ermittler reichen so weit, dass sie bestätigen können, dass die von den ahnungslos­en Nutzern eingegeben Daten direkt auf der Seite des Tatverdäch­tigen im Darknet zum Kauf angeboten wurden.

Thomas Köhler, bei der Staatsanwa­ltschaft Mühlhausen für das Verfahren zuständig und seit zwei Jahrzehnte­n mit der Aufklärung von Internetkr­iminalität befasst, sagt: „Heute können die Hacker die ausgespäht­en Daten nicht mehr alle selber nutzen – deshalb werden sie weiterverk­auft.“

Zahlreiche dieser Käufer von Datensätze­n sind zwischenze­itlich ermittelt worden und müssen ebenfalls mit Verfahren rechnen – denn auch der Handel mit illegal erlangten Daten ist strafbar.

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Der Angeklagte hortete große Mengen Beruhigung­smittel.
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Fotos (): Fabian Klaus Ein Teil der Beweise, die die Ermittler in der Wohnung in Südthüring­en sicherstel­lten. Mindestens   Euro soll der Verdächtig­e mit den Verkäufen erzielt haben.
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Screenshot: LKA Die Internetse­ite, die der Verdächtig­e im frei zugänglich­en Clearnet betrieb: Dort werden Drogen angeboten, als wären es ganz normale Waren. Inzwischen ist die Seite abgeschalt­et.
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Staatsanwa­lt Thomas Köhler bei der gestrigen Pressekonf­erenz.

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