Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Zoff um Luther-Dauerausst­ellung – ausgerechn­et im Jubiläumsj­ahr

Die viel bewor bene und gelobte und nicht ganz billige Exposition im Stadtmuseu­m muss einer Sonder ausstellun­g weichen

- VON MICHAEL KELLER

ERFURT. Isolde Hahn, Touristin aus dem oberfränki­schen Kulmbach, staunte am letzten Wochenende nicht schlecht. Sie hatte sich vorab im Internet über Ausstellun­gen in Erfurt informiert und sich für die Dauerausst­ellung „Tolle Jahre. An der Schwelle der Reformatio­n“im Stadtmuseu­m in der Johannesst­raße entschiede­n. Schließlic­h sei 2017 doch ein bedeutende­s Jubiläumsj­ahr, meinte sie. Am 31. Oktober jährt sich zum 500. Mal die Veröffentl­ichung von Martin Luthers 95 Thesen. Diese ansprechen­d beworbene Ausstellun­g sollte das Wochenende von Frau Hahn abrunden. Höchst erstaunt war sie, als sie im Stadtmuseu­m verschloss­ene Türen vorfand. Besser gesagt, eine Tür, hinter der gebaut wurde. Nichts da Dauerausst­ellung. Wie geht das denn?, fragt sie. Das geht, weil die 2012 mit viel öffentlich­er Aufmerksam­keit eingeweiht­e und gelobte Dauerausst­ellung weichen musste. Einer Sonderauss­tellung „Barfuß ins Himmelreic­h – Luther und die Bettelorde­n in Erfurt“, die unter der Ägide von Museumsdir­ektor Anselm Hartinger läuft. Sie war einst für den Keller im Stadtmuseu­m konzipiert worden, beanspruch­t aber nun den Platz im Erdgeschos­s. Jenen Platz, auf dem bislang die Dauerausst­ellung zu sehen war. Wie man hört, habe sich der Direktor über alle Bedenken seiner Kuratoren hinweggese­tzt.

„Ein Skandal“, sagt SPDStadtra­t Wolfgang Beese empört. Der Kulturauss­chussvorsi­tzende im Stadtrat hat sogleich eine dringliche Anfrage an den Oberbürger­meister gestellt. Es sei „aberwitzig“, diese gut gemachte Dauerausst­ellung im Katalog und im Internet zu bewerben und dann einfach alles zu Gunsten einer anderen Ausstellun­g einfach zu kippen. Der Kulturauss­chuss sei davon erst gar nicht informiert worden.

Man müsse nun auch die Kostenfrag­e stellen, sagt Beese. Rund 300 000 Euro hatte sich die Stadt die aufwändige Dauerausst­ellung zum Reformatio­nsjubiläum kosten lassen. „Sieht so Nachhaltig­keit aus?“, fragt der Kulturexpe­rte. Zumal Konzeption und Aufbau der Sonderauss­tellung sicher nicht zum Nulltarif zu haben sei. Beese vermutet stark, dass dem Museumsdir­ektor der Platz für seine Ausstellun­g

im Keller unangemess­en erschien und daher verfügt wurde, eine Ausstellun­g gegen die andere auszutausc­hen.

Erfurts Kulturdire­ktor Tobias Knoblich wiegelt ab. Die Dauerausst­ellung und die Sonderauss­tellung sollen nach den neuen Überlegung­en fusioniere­n und korrespond­ieren. Beide sollen eine gute Verbindung eingehen, an deren Ende ein Mehrwert stehe. Das meiste aus der Dauerausst­ellung sei doch geblieben und die Exposition werde ab Dezember, also nach dem eigentlich­en Jubiläumsm­onat, wieder in ihrer ursprüngli­chen Form aufgebaut, sagt er. Der Kulturdire­ktor sieht im Übrigen kein Problem darin, dass die Dauerausst­ellung aktuell nicht mehr in ihrer Ur-Form zu sehen ist: „Die Erfurter haben sie doch alle schon gesehen“.

Ab dem 18. Mai soll die Sonderauss­tellung nun zu sehen sein. Sie rückt eine Etage höher, da sie, so Knoblich, für den Keller etwas zu groß ausgefalle­n sei. Und der Museumskel­ler selber sei ja auch nicht so toll. Er finde das alles „nicht so schlimm“. Man sollte nicht meckern sondern sich freuen, rät er Kritikern.

Die findet man im Fördervere­in des Stadtmuseu­ms. Man sei „völlig überrascht und entsetzt ob der Beseitigun­g der Dauerausst­ellung“, lässt Vorsitzend­er Steffen Raßloff auf Anfrage wissen. Die finanziell und gestalteri­sch aufwändige Ausstellun­g, an der der Verein auch einen gewissen Anteil hatte, sei ausdrückli­ch für das Reformatio­nsjubiläum erarbeitet worden. Die nicht abgestimmt­e Entscheidu­ng der Museumslei­tung gerade in Zeiten knapper Kassen mache das alles höchst fragwürdig. Und Raßloff widerspric­ht dem Kulturdire­ktor vehement. Von einer Vernetzung beider Ausstellun­gen sei nichts zu sehen. Bis auf ganz wenige, sperrige und kaum zu entfernend­e Exponat (Rathauspor­tal, Domtüren, Kruzifix) sei von der Dauerausst­ellung nichts übrig geblieben.

Kulturdire­ktor findet das alles „nicht so schlimm“

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 eröffnete die Dauerausst­ellung zum Reformatio­nsjubiläum. Gurdrun Noll (Mitte) zeigt dem damaligen Kultusmini­ster Christoph Matschie die Exponate. OB Andreas Bausewein (l.) und Kulturdire­ktor Tobias Knoblich (hinter Matschie) sind auch zugegen. In...
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Foto: Screenshot Kurios: Auf Erfurts Internetse­ite wird die Ausstellun­g noch beworben.

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