Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Trennung nach vierzig Jahren
Gericht: Zirkus muss Affen abgeben – Für Tierschützer ein wichtiges Signal im Kampf um das Wildtierverbot
LÜNEBURG. Mehr als vier Jahrzehnte war Schimpanse Robby im Zirkus Belly zu Hause. Dort lebte er vor allem in einem Zirkuswagen, der kaum größer als zehn Quadratmeter war. Dazu kam noch ein Außengehege von etwa 50 Quadratmetern. Tierschützer protestierten: Die nicht artgerechte Haltung führe zu schweren Verhaltensauffälligkeiten. Genau das sah das Verwaltungsgericht Lüneburg bestätigt und urteilte: Robby soll seinen Lebensabend mit Artgenossen und nicht nur unter Menschen verbringen. Klaus Köhler, Besitzer des bundesweit wohl letzten Menschenaffen in einem Zirkus, soll das Schimpansenmännchen nun an eine Auffangstation abgeben, die auf die Resozialisierung dieser Tiere spezialisiert ist.
„Wenn der Richter ein Herz hat, entscheidet er zu meinen Gunsten“, sagte Köhler vor dem Prozess. Der Protest zieht sich schon Jahre hin und sollte 2015 ein Ende haben, als der Landkreis Celle verfügt hatte, dass Robby abgegeben werden müsse. Dagegen hatte Köhler jetzt geklagt: „Robby ist ein Mensch“, sagte er immer wieder. Robby habe die Manieren der Menschen angenommen. „Ich habe sechs Kinder, und Robby ist mein siebtes.“
Im Gericht hatte der Gutachter das Wort. Er bescheinigte Robby eine gute körperliche Verfassung. Allerdings stellte der Tierarzt fest, dass der Affe seine „Schimpansenpersönlichkeit“im Zirkus nicht ausleben könne. Dieser Einschätzung folgte der Richter: Robby weise wegen des Fehlens von Artgenossen eine „schwerwiegende Verhaltensstörung“auf. Allerdings ist eine Berufung gegen das Urteil möglich.
Für Melitta Töller, Vertreterin der Tierrechtsorganisation Vier Pfoten, war der Tag vor Gericht ein Glückstag. „Es ist viel besser, wenn Schimpansen mit Artgenossen zusammenleben statt mit Menschen“, sagte sie. „Robby stehen noch 20 wunderschöne Jahre bevor.“Ein Schimpanse in Gefangenschaft könne weit über 60 Jahre alt werden, in Freiheit liege die Lebenszeit bei etwa 45 Jahren.
Melitta Töller werte das Urteil als „wichtiges Signal in Richtung der Bundesregierung“. Den Tierrechtlern geht es nicht nur um Robby, sondern um ein komplettes Wildtierverbot in Zirkussen. Zirkusdirektor Köhler entgegnete: „Zirkus ohne Tiere ist nur noch Varieté.“
Viele Länder in Europa haben längst ein Wildtierverbot durchgesetzt, darunter die Niederlande, Belgien, Finnland, Norwegen, Österreich. „Deutschland hinkt hinterher“, so Tierschützerin Töller. Allerdings haben eine Reihe Städte Veranstaltungen auf öffentlichen Plätzen untersagt, zum Beispiel Köln, München, Düsseldorf und einige Bezirke von Berlin.
Tierrechtler sind sich einig: Eine artgerechte Haltung von Wildtieren ist in Zirkussen nicht möglich. Elefanten etwa, normalerweise Herdentiere, fehle in Zirkussen meist sehr wichtiger Sozialkontakt, so Lea Schmitz vom Deutschen Tierschutzbund. Tiger wiederum seien oft, entgegen ihres natürlichen Verhaltens, in ihrer Bewegung stark eingeschränkt. Das führe auch vermehrt zu Zwischenfällen wie dem in Baden-Württemberg vergangenen Sommer, als eine Elefantenkuh aus einem Zirkus ausriss und einen Spaziergänger tötete. In Deutschland gebe es noch über 140 Wanderzirkusse mit gefährlichen Wildtieren wie Braunbären, Löwen, Tigern und Nashörnern.
Zu selten kommt es aus Sicht des Deutschen Tierschutzbunds zu Konsequenzen – wie vor wenigen Wochen, als in Bayern die Behörden einen der letzten Zirkusbären Deutschlands beschlagnahmt hatten. Bär Ben (23) darf sein Leben auf dem Gnadenhof verbringen.
Die Zuschauer sind zum großen Teil auf der Seite der Tierschützer: Laut Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov sagen 65 Prozent, dass sie keine Wildtiere im Zirkus sehen wollen.