Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Mit dem Fahrrad einmal gemütlich um den Globus
Der Jenaer Kinderarzt Axel Dost integriert die umweltfreundliche Fortbewegungsart in seinen Alltag und den Urlaub
JENA. Dr. Axel Dost, Kinderarzt am Universitätsklinikum Jena, hat durchaus nichts gegen Autos. Er besitzt schließlich selber eines. Nur: Es kommt vor, dass er es wochenlang nicht von der Stelle bewegt. Denn wenn es nicht gerade Schusterjungen regnet, tritt der Diabetologe und Endokrinologe fast immer in die Pedale. Selbst jetzt, nach dem Umzug der Kinderklinik von der Jenaer Innenstadt in den Neubau in Jena-Lobeda, radelt Dr. Dost beinahe jeden Tag von seiner Wohnung am Volksbad zur Arbeit. Sieben Kilometer hin, sieben Kilometer zurück. Sommers wie winters.
Der 53-Jährige tut das nicht für einen Waschbrettbauch. Die umweltfreundliche Fortbewegungsart ist ihm schlicht die liebste, um Bewegung in seinen Alltag zu integrieren, sich den Wind um die Nase wehen zu lassen und mehr von der Welt zu sehen, als es gewöhnlich vom Steuer eines Autos aus der Fall ist. Deshalb sitzt er auch im Urlaub am allerliebsten im Sattel. In diesem Jahr will er zum Nordkap radeln und damit die letzte von drei Etappen einer Tour zurücklegen, die er einzig aus zeitlichen Gründen – „so viel Urlaub kann ich nicht am Stück nehmen“– dritteln musste. Dazu fliegt er nach Finnland und startet just an dem Punkt, an dem er die zweite Etappe beschließen musste, zum nördlichsten Bezirk Norwegens.
Der gebürtige Gießener, der in Frankfurt aufwuchs und 2005 ans Jenaer Uniklinikum kam, hat allein mit seinem jetzigen Fahrrad schon ungefähr einmal den Globus umrundet. Er ist mit dem zehn Jahre alten Gefährt bereits binnen zehn Etappen bis nach Mailand geradelt – „schön gemütlich und selten mehr als 100 bis 120 Kilometer am Tag“– und auch von Barcelona über die Pyrenäen zurück nach Jena.
Dabei kommt es dem Mediziner nie auf hohe Geschwindigkeiten an oder darauf, sich und der Welt zu beweisen, wie fit er ist. Axel Dost genießt es schlicht, eine Strecke im wahrsten Sinne des Wortes zu erfahren, überall dort anhalten und verweilen zu können, wo sich gerade etwas Besonderes für Augen oder Magen bietet, und sich dabei durchaus auch körperlich etwas herauszufordern. „Wenn ich einen Berg nicht hochkomme“, sagt Axel Dost augenzwinkernd, „dann liegt es nicht am Fahrrad“.
Radelnd hat er auch schon einen Teil Kanadas für sich entdeckt, wo er im Rahmen seiner Ausbildung zwei Jahre im Biochemielabor der University of Alberta in Edmonton, der Hauptstadt Albertas, arbeiten durfte. Mit einem Freund reiste er von Vancouver bis zu den Rocky Mountains und zur Pazifikküste. „Seine Frau hat das Begleitfahrzeug gesteuert, so dass wir uns nicht mit dem Gepäck abschleppen mussten“, erinnert er sich an die Tour. „Zuerst waren wir auf einer alten Bahntrasse unterwegs. Doch weil die auch von Fahrzeugen wie Quads genutzt wird, sind wir nach ungefähr 50 Kilometern auf die besser zu befahrenden Straßen gewechselt. Auf denen gibt es weit weniger Verkehr als zum Beispiel auf dem Radweg durchs Jenaer Paradies.“
Gut erinnern kann sich der Jenaer auch an eine Radtour durchs Baltikum, bei der er die Heimreise allerdings ohne seinen fahrbaren Untersatz antreten musste. Kurz vor dem Ziel wurde sein dreizehn Jahre altes Rad in Lettland nämlich vom Hof eines Hotels gestohlen. „Ich kam mir vor wie ein Cowboy, dem das Pferd unterm Hintern weggeschossen wurde“, erzählt er lachend. Er habe den Diebstahl zwar dann angezeigt, um wenigstens ein Schriftstück in der Hand zu haben, „genützt hat es mir aber nichts“. Also legte sich der Jenaer ein neues Rad zu, „ein ganz banales 28er Trekkingrad mit 27 Gängen, binnen zwei Stunden konfiguriert“.
Gut verpackt in Luftpolsterfolie und einer Fahrradhülle ist dieses Rad auch schon mehrfach geflogen – und bei der Heimreise durchaus nicht immer zeitgleich mit seinem Besitzer angekommen: „Aber das war gar nicht so schlimm, weil mir das Fahrrad dann immer bis nach Hause nachgeliefert wurde“, sagt der Jenaer.
Nicht einmal ein schwerer Sturz hat Dr. Dost das Radfahren verleiden können: Vor ein paar Jahren stoppte ein Stein abrupt seine Fahrt – und der Mediziner legte einen klassischen Abgang über den Lenker hin, bei dem er sich beide Arme brach: „Radiusköpfchenfrakturen. Sechs Wochen war ich außer Gefecht gesetzt.“Möglicherweise hat ihn der Helm, der für ihn beim Radfahren einfach dazu gehört, vor noch Schlimmerem bewahrt. Auch der Helm ist ein simples Modell, kein Statussymbol.
Auf dergleichen legt der Mediziner nämlich keinen Wert. Schmunzelnd erinnert er sich an eine Unterhaltung mit kanadischen Kollegen, die ganz verrückt auf PS-starke Gefährte seien. „Als ich gefragt wurde, welches Auto ich fahre, und meinen Golf erwähnte, wurde ich beinahe mitleidig angeschaut. Aber nur bis zu dem Moment, als mein kanadischer Freund ergänzte, dass der Golf es auf 220 bringt. Auf kanadischen Autobahnen sind nämlich nur maximal 100 Kilometer pro Stunde erlaubt.“