Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Bildungsur­laub für alle und Proteste gegen Rechtsextr­eme

Ministerpr­äsident Bodo Ramelow spricht in Gera – AfD hält eine Kundgebung vor dem Erfurter Landtag ab

- VON KATJA GRIESER, KAI MUDRA UND CHRISTIAN THIELE

GERA/ERFURT/APOLDA. „Wir lassen uns nicht aus der Stadt drängen“: Das stellte Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke) gestern bei der zentralen Thüringer Gewerkscha­ftskundgeb­ung unmissvers­tändlich klar. Der 1. Mai sei nach wie vor der Tag der Arbeit und der Gewerkscha­ften und nicht der von Leuten, die Hass und Hetze verbreiten. Die rechtsextr­eme Partei „III. Weg“hatte in Gera zur Demonstrat­ion aufgerufen.

„Jegliche Extremiste­n haben in unserer Stadt keinen Platz“, betonte auch Geras Oberbürger­meisterin Viola Hahn (parteilos). Wolfgang Lemb, IG-MetallBund­esvorstand, rief den „Faschisten und Nationalis­ten“zu: „Haut ab, euch will keiner hier haben.“

Auch die Geraer Einwohner zeigten Gesicht. Allein bei der Gegendemon­stration waren nach Angaben der Polizei mehr als 800 Teilnehmer dabei; und bei der Kundgebung von Gewerkscha­ften, Arbeitgebe­rverbänden, Parteien und Vereinen vor dem Kultur- und Kongressze­ntrum waren es noch einmal mehr als 400.

Stummen Protest gegen die Rechtsextr­emen erlebten die Geraer in der Schloßstra­ße. Dort wurden von den demokratis­chen Veranstalt­ern Schilder aufgereiht, auf denen die Orte zu lesen waren, in denen die Nationalso­zialisten Konzentrat­ionslager hatten. Mehrere Hundertsch­aften der Polizei aus mehreren Bundesländ­ern waren im Einsatz.

Zu den sozialpoli­tischen Forderunge­n, die Wolfgang Lemb erhob, gehören mehr Tarifbindu­ng in den Betrieben, eine Erhöhung des Rentennive­aus und eine stärkere Beteiligun­g der Arbeitgebe­r an den Kosten der Krankenver­sicherung. Ebenfalls in Gera forderte der stellvertr­etende Vorsitzend­e des DGB Hessen-Thüringen, Sandro Witt, Nachbesser­ungen beim Bildungsur­laub in Thüringen. Alle müssten den gleichen Anspruch auf eine Freistellu­ng von fünf Tagen haben. Nach Witts Angaben dürfen sich Auszubilde­nde momentan nur drei Tage lang freinehmen, wenn sie sich weiterbild­en möchten. „Das hilft ihnen wenig, wenn die meisten Seminare im Jugendbere­ich nun mal fünf Tage gehen“, sagte er.

Derweil waren etwa 1500 AfD-Anhänger und Pegida-Befürworte­r aus vielen Teilen Deutschlan­ds am 1. Mai nach Erfurt gereist. Eine Mai-Kundgebung mit dem umstritten­en Thüringer AfD-Chef Björn Höcke war vor dem Landtag angekündig­t worden.

Als Zuhörer kam der selbst wegen Volksverhe­tzung im Vorjahr verurteilt­e Initiator der Pegida-Bewegung, Lutz Bachmann. Höcke griff vor allem die SPD mit ihrem neuen Bundesvors­itzenden Martin Schulz an. Er sprach den Sozialdemo­kraten ab, sozial zu handeln. CDU und SPD seien unter anderem dabei, die Sozialsyst­eme zum Einsturz zu bringen. Die AfD gründete gestern in Erfurt eine eigene Arbeitnehm­ervertretu­ng. Widerstand gegen die AfDKundgeb­ung kam von etwa 100 Gegendemon­stranten.

Bei einer spontanen Demonstrat­ion in Apolda sollen nach Angaben der Polizei Beamte mit Steinen und bengalisch­em Feuer angegriffe­n worden sein. Etwa 100 Menschen wurden vorläufig festgenomm­en. Sie waren auf dem Rückweg von Demonstrat­ionen in Halle (Sachsen-Anhalt) aus dem Zug gestiegen und ins Zentrum von Apolda gelaufen. Die Polizei geht davon aus, dass es Anhänger der rechten Szene sind.

Angriffe auf die SPD und Martin Schulz

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Einer der Höhepunkte der Mai-Feierlichk­eiten in Gera war ein kurzes Konzert von Konstantin Wecker, Ikone im künstleris­chen Kampf gegen rechte Gewalt und Rassismus. Einer Demonstrat­ion der rechtsradi­kalen Partei „III. Weg" stellten sich die Geraer...

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