Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Bildungsurlaub für alle und Proteste gegen Rechtsextreme
Ministerpräsident Bodo Ramelow spricht in Gera – AfD hält eine Kundgebung vor dem Erfurter Landtag ab
GERA/ERFURT/APOLDA. „Wir lassen uns nicht aus der Stadt drängen“: Das stellte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) gestern bei der zentralen Thüringer Gewerkschaftskundgebung unmissverständlich klar. Der 1. Mai sei nach wie vor der Tag der Arbeit und der Gewerkschaften und nicht der von Leuten, die Hass und Hetze verbreiten. Die rechtsextreme Partei „III. Weg“hatte in Gera zur Demonstration aufgerufen.
„Jegliche Extremisten haben in unserer Stadt keinen Platz“, betonte auch Geras Oberbürgermeisterin Viola Hahn (parteilos). Wolfgang Lemb, IG-MetallBundesvorstand, rief den „Faschisten und Nationalisten“zu: „Haut ab, euch will keiner hier haben.“
Auch die Geraer Einwohner zeigten Gesicht. Allein bei der Gegendemonstration waren nach Angaben der Polizei mehr als 800 Teilnehmer dabei; und bei der Kundgebung von Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden, Parteien und Vereinen vor dem Kultur- und Kongresszentrum waren es noch einmal mehr als 400.
Stummen Protest gegen die Rechtsextremen erlebten die Geraer in der Schloßstraße. Dort wurden von den demokratischen Veranstaltern Schilder aufgereiht, auf denen die Orte zu lesen waren, in denen die Nationalsozialisten Konzentrationslager hatten. Mehrere Hundertschaften der Polizei aus mehreren Bundesländern waren im Einsatz.
Zu den sozialpolitischen Forderungen, die Wolfgang Lemb erhob, gehören mehr Tarifbindung in den Betrieben, eine Erhöhung des Rentenniveaus und eine stärkere Beteiligung der Arbeitgeber an den Kosten der Krankenversicherung. Ebenfalls in Gera forderte der stellvertretende Vorsitzende des DGB Hessen-Thüringen, Sandro Witt, Nachbesserungen beim Bildungsurlaub in Thüringen. Alle müssten den gleichen Anspruch auf eine Freistellung von fünf Tagen haben. Nach Witts Angaben dürfen sich Auszubildende momentan nur drei Tage lang freinehmen, wenn sie sich weiterbilden möchten. „Das hilft ihnen wenig, wenn die meisten Seminare im Jugendbereich nun mal fünf Tage gehen“, sagte er.
Derweil waren etwa 1500 AfD-Anhänger und Pegida-Befürworter aus vielen Teilen Deutschlands am 1. Mai nach Erfurt gereist. Eine Mai-Kundgebung mit dem umstrittenen Thüringer AfD-Chef Björn Höcke war vor dem Landtag angekündigt worden.
Als Zuhörer kam der selbst wegen Volksverhetzung im Vorjahr verurteilte Initiator der Pegida-Bewegung, Lutz Bachmann. Höcke griff vor allem die SPD mit ihrem neuen Bundesvorsitzenden Martin Schulz an. Er sprach den Sozialdemokraten ab, sozial zu handeln. CDU und SPD seien unter anderem dabei, die Sozialsysteme zum Einsturz zu bringen. Die AfD gründete gestern in Erfurt eine eigene Arbeitnehmervertretung. Widerstand gegen die AfDKundgebung kam von etwa 100 Gegendemonstranten.
Bei einer spontanen Demonstration in Apolda sollen nach Angaben der Polizei Beamte mit Steinen und bengalischem Feuer angegriffen worden sein. Etwa 100 Menschen wurden vorläufig festgenommen. Sie waren auf dem Rückweg von Demonstrationen in Halle (Sachsen-Anhalt) aus dem Zug gestiegen und ins Zentrum von Apolda gelaufen. Die Polizei geht davon aus, dass es Anhänger der rechten Szene sind.
Angriffe auf die SPD und Martin Schulz