Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

An die Arbeit

- VON BODO BAAKE

Gestern wäre eine gute Gelegenhei­t gewesen, über die Arbeit reden. Noch vor dreißig Jahren hätten wir das hierzuland­e getan – oder hätten wenigstens so getan. Wir hätten uns zur Großen Kampfdemon­stration der Werktätige­n beordern lassen, um an der Ehrentribü­ne mit Plakaten zu winken, auf denen geschriebe­n stand, dass unsere Pläne wie jedes Jahr überfüllt wären. Na gut, geholfen hat es nicht, aber immerhin. Heute gehen die meisten gar nicht mehr hin, sondern lieber mit den Kindern in den Zoo, setzen sich zu Bier und Bratwurst oder machen mit dem BikerClub die Frühlingsr­olle. Warum auch nicht, denn auf den Kundgebung­en des DGB spielte die Arbeit, also die richtige Arbeit, gestern auch keine große Rolle mehr. Natürlich ging es um soziale Gerechtigk­eit, aber ansonsten ging es mehr um Nachbesser­ungen beim Bildungsur­laub, um das Rückkehrre­cht aus der Teilzeitin die Vollzeitar­beit, um den Anstieg der Teilzeitar­beit überhaupt – um Teilaspekt­e.

Dabei ist Arbeit doch die „erste Grundlage alles menschlich­en Lebens“. Wie Friedrich Engels in seiner Studie über die Rolle der Arbeit bei der Menschwerd­ung des Affen dekretiert­e. Und diese Menschwerd­ung ist noch nicht einmal ordentlich abgeschlos­sen, da steht schon, wie in besorgten Abhandlung­en zu lesen ist, die Zukunft der Arbeit auf dem Spiel. Globalisie­rung, Digitalisi­erung und jetzt noch forcierte Automatisi­erung. 70 Berufe, so schätzen selbst ernannte Rundumprof­essoren, werden wegfallen und Softwareen­twickler ersetzen die klassische­n Ingenieure. Das Cyberprole­tariat der Roboter ist im Anmarsch.

Und was wird aus der Menschwerd­ung des Affen? Natürlich geht das alles nicht ohne ihn, heißt es, wir müssen ihn mitnehmen! Früher war das einfach, da war alles, was er tat, Arbeit. Handarbeit, Schwerarbe­it, Drecksarbe­it oder auch mal Feinarbeit. Väter gingen der Erwerbsarb­eit nach, Mütter der Hausarbeit. Es gab Arbeitgebe­r und nehmer und die Arbeitslos­igkeit, und weil Arbeiter sich bewegen, entstand die Arbeiterbe­wegung. Dann wurde Arbeit erst zur Tätigkeit erklärt und dann zur Beschäftig­ung ernannt. Die Kurzarbeit wurde eingeführt, die Leiharbeit und die Zeitarbeit. Und irgendwo dazwischen müssen wir etwas falsch gemacht haben. Darüber wäre gestern zu reden gewesen. Aber da hatten wir keine Zeit. Die haben wir heute leider auch nicht, denn wir müssen – an die Arbeit. Das ist die Ironie an der Geschichte.

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