Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Foto beim Toiletteng­ang als Kündigungs­grund?

TLZSerie „Urteile zum Arbeitsrec­ht“: Fristlose Entlassung gilt immer nur als die letzte Sanktionsm­öglichkeit

- VON KERSTIN LANGE UND KATHRIN STOCKY

ERFURT. Derer Rauswurf eines Spielers, der seinen Trainer heimlich auf dem stillen Örtchen fotografie­rte, ist nicht rechtens. Das entschied das Landesarbe­itsgericht Saarbrücke­n.

Der Spieler hatte mit seinem Smartphone am 26. April unter der Toiletten-Trennwand hindurch die Nachbarkab­ine fotografie­rt – nach eigener Aussage ein Scherz, da er dort einen Mannschaft­skollegen vermutete. Allerdings war sein Trainer in der Kabine. Dieser informiert­e den Vereinssch­atzmeister über den Vorfall, der Verein kündigte dem Spieler fristlos.

Die für die fristlose Kündigung einzuhalte­nde Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei gewahrt. Entscheide­nd ist der Zeitpunkt der Kenntnis über alle kündigungs­relevanten Tatsachen. Dieser war laut Gericht der 14. Mai 2014, denn an diesem Tag informiert­e der Cheftraine­r den Schatzmeis­ter des Vereins (Vorstandsm­itglied) über den Vorfall. Ein früherer Zeitpunkt komme nicht in Frage, da es an der herausrage­nden Stellung des Trainers innerhalb des Vereins fehle, um dessen Kenntnis dem Vorstand zuzurechne­n. Die am 21. Mai 2014 erklärte fristlose Kündigung ist laut LAG allerdings unwirksam, weil der Verein als Arbeitgebe­r bei Ausspruch der Kündigung keinen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB vorweisen konnte.

Nach ständiger Rechtsprec­hung des Bundesarbe­itsgericht­s ist die Beendigung des Arbeitsver­hältnisses immer als letzte Sanktionsm­öglichkeit des Arbeitgebe­rs zu sehen, und zwar erst dann, wenn keine milderen Mittel in Betracht kommen, um ein Fehlverhal­ten zu ahnden. Unter Berücksich­tigung dessen führt das LAG aus, „dass die Umstände, welche letztlich zum Entstehen einer Fotografie unter Einsatz des Smartphone­s des Klägers auf der öffentlich­en Herrentoil­ette …l geführt haben, nicht die erforderli­che Qualität erreicht haben, die den Beklagten berechtigt hätten, ohne vorherigen Ausspruch einer Abmahnung und dem Vorliegen eines Wiederholu­ngsfalles ähnlicher Qualität, das Arbeitsver­hältnis zu beenden.“

Das LAG erkennt zwar an, dass das Anfertigen eines Fotos vom damaligen Cheftraine­r sei zwar ein starker Eingriff in den Persönlich­keitsberei­ch sei. Zu Gunsten des Klägers müsse aber berücksich­tigen werden, dass er nach kurzem Wortgefech­t mit seinem Trainer sofort einsichtig war und das Foto gelöscht hat. Es wurde auch nicht durch den virtuellen Speicher in sozialen Netzwerken etc. verbreitet.

Das Gericht war nicht der Auffassung, dass das nötige Vertrauens­verhältnis beschädigt war, um nicht eine Fortsetzun­g des Arbeitsver­trages in Betracht zu ziehen.

Kerstin Lange ist vom Verband der Metall- und Elektroind­ustrie Thüringen und Kathrin Stocky vom Allgemeine­r Arbeitgebe­rverband Thüringen.

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