Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Foto beim Toilettengang als Kündigungsgrund?
TLZSerie „Urteile zum Arbeitsrecht“: Fristlose Entlassung gilt immer nur als die letzte Sanktionsmöglichkeit
ERFURT. Derer Rauswurf eines Spielers, der seinen Trainer heimlich auf dem stillen Örtchen fotografierte, ist nicht rechtens. Das entschied das Landesarbeitsgericht Saarbrücken.
Der Spieler hatte mit seinem Smartphone am 26. April unter der Toiletten-Trennwand hindurch die Nachbarkabine fotografiert – nach eigener Aussage ein Scherz, da er dort einen Mannschaftskollegen vermutete. Allerdings war sein Trainer in der Kabine. Dieser informierte den Vereinsschatzmeister über den Vorfall, der Verein kündigte dem Spieler fristlos.
Die für die fristlose Kündigung einzuhaltende Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei gewahrt. Entscheidend ist der Zeitpunkt der Kenntnis über alle kündigungsrelevanten Tatsachen. Dieser war laut Gericht der 14. Mai 2014, denn an diesem Tag informierte der Cheftrainer den Schatzmeister des Vereins (Vorstandsmitglied) über den Vorfall. Ein früherer Zeitpunkt komme nicht in Frage, da es an der herausragenden Stellung des Trainers innerhalb des Vereins fehle, um dessen Kenntnis dem Vorstand zuzurechnen. Die am 21. Mai 2014 erklärte fristlose Kündigung ist laut LAG allerdings unwirksam, weil der Verein als Arbeitgeber bei Ausspruch der Kündigung keinen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB vorweisen konnte.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses immer als letzte Sanktionsmöglichkeit des Arbeitgebers zu sehen, und zwar erst dann, wenn keine milderen Mittel in Betracht kommen, um ein Fehlverhalten zu ahnden. Unter Berücksichtigung dessen führt das LAG aus, „dass die Umstände, welche letztlich zum Entstehen einer Fotografie unter Einsatz des Smartphones des Klägers auf der öffentlichen Herrentoilette …l geführt haben, nicht die erforderliche Qualität erreicht haben, die den Beklagten berechtigt hätten, ohne vorherigen Ausspruch einer Abmahnung und dem Vorliegen eines Wiederholungsfalles ähnlicher Qualität, das Arbeitsverhältnis zu beenden.“
Das LAG erkennt zwar an, dass das Anfertigen eines Fotos vom damaligen Cheftrainer sei zwar ein starker Eingriff in den Persönlichkeitsbereich sei. Zu Gunsten des Klägers müsse aber berücksichtigen werden, dass er nach kurzem Wortgefecht mit seinem Trainer sofort einsichtig war und das Foto gelöscht hat. Es wurde auch nicht durch den virtuellen Speicher in sozialen Netzwerken etc. verbreitet.
Das Gericht war nicht der Auffassung, dass das nötige Vertrauensverhältnis beschädigt war, um nicht eine Fortsetzung des Arbeitsvertrages in Betracht zu ziehen.
Kerstin Lange ist vom Verband der Metall- und Elektroindustrie Thüringen und Kathrin Stocky vom Allgemeiner Arbeitgeberverband Thüringen.