Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Pförtnerampeln dosieren bald Verkehr an allen Stadteingängen
Für ein Projekt zur intelligenten Verkehrssteuerung erhält die Stadt vier Millionen Euro aus Fördermitteln der EU
ERFURT. Fast alle wichtigen Zufahrtsstraßen Erfurts sollen in den nächsten fünf Jahren mit Pförtnerampeln ausgestattet werden. Diese Ampeln stehen am Rand der Kernstadt und sollen nur so viele Autos stadteinwärts passieren lassen, dass der Verkehr danach flüssig fließen kann. Ziel dieser intelligenten Verkehrssteuerung ist es, die Abgasbelastung in der Kernstadt zu verringern.
Was vielleicht einfach klingt, ist in der Umsetzung höchst kompliziert – und teuer. Deshalb überreichte gestern Thüringens Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) am Krämpfertor einen Scheck über fast vier Millionen Euro an Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD). Das Geld stammt aus dem europäischen Fördertopf zur Kohlendioxid-Minderung und soll gemeinsam mit einer Million Euro von der Stadt das Verkehrs-Projekt finanzieren. „Andere Städte müssen Fahrverbote aussprechen“, sagte Siegesmund. „Das wollen wir mit der intelligenten Verkehrssteuerung vermeiden.“
Die Mittel sind zum Beispiel für rund 40 moderne Ampeln gedacht, die in den nächsten Jahren ausgediente Anlagen ersetzen sollen. Aber auch Sensoren, An der „Mutter aller Schaltanlagen“zur Verkehrssteuerung in Erfurt, dem Uhrenturm am Krämpfertor, gaben Umweltministerin Anja Siegesmund und Oberbürgermeister Andreas Bausewein grünes Licht für das innovative Verkehrsprojekt. Foto: Marco Schmidt
Luft- und Wettermessgeräte müssen angeschafft werden.
Ziel sei ein flexibles, „atmendes System“, meinte Frank Rupprecht, Abteilungsleiter Verkehr im Tiefbauamt. Der Verkehrscomputer muss nach bestimmten Kriterien immer wieder die Effekte und Risiken bestimmter Ampelschaltungen abwägen und unter einer Vielzahl von Strategien entscheiden. Neben dem aktuellen Verkehrsaufkommen stellen die Wetterlage, die
Windrichtung oder Baustellen entscheidende Einflüsse dar.
Das Prinzip: Rollende Autos stoßen weniger Abgase aus als Fahrzeuge, die stehen oder nach roten Ampelphasen beschleunigen. Der Verkehr in die Stadt, insbesondere der Pendlerverkehr zu den Stoßzeiten, soll deshalb lieber in den Außenbereichen mit dünnerer Besiedlung aufgehalten werden und dafür hinter den Pförtnerampeln vergleichsweise frei rollen dürfen.
Ein Pilotprojekt an der Bergstraße und an der Leipziger Straße hat in den Vorjahren gezeigt, dass das von der Bauhaus-Uni Weimar entwickelte Konzept im Grunde funktioniert. Die Messgeräte zeigten dort eine bis zu 20 Prozent geringere Belastung der Luft mit Feinstaub und Stickoxiden an als ohne die Pförtnerampeln. Diese arbeiteten zudem so dezent, dass auffällige Beschwerden über Rückstaus an den Pförtnerampeln ausblieben.
Die Ausweitung des Systems auf die ganze Stadt stellt jedoch eine neue Herausforderung dar. „Wir haben die Werkzeuge getestet“, sagte Rupprecht über das Pilotprojekt. „Jetzt schauen wir, wie wir sie sinnvoll einsetzen können.“In diesem Jahr soll vor allem die Planung erfolgen. Baumaßnahmen beginnen 2018.
Geplant sind Pförtnerampeln etwa an der Arnstädter Straße, der Binderslebener Landstraße, der Hannoverschen Straße, der Nordhäuser Straße, der AugustRöbling-Straße und der Stotternheimer Straße. Die intelligente Ampel in der Leipziger Straße bleibt in Betrieb.
Im Umfeld der Pförtnerampeln soll auf nahe P&R-Plätze hingewiesen werden. Als einen Nebeneffekt erhofft sich die Stadt, dass mehr Pendler die P&R-Plätze nutzen und mit der Evag in die Stadt fahren.
Die bessere Einbindung der P&R-Plätze in das Verkehrsleitsystem und in Verkehrs-Apps für Smartphones ist ebenfalls Teil des Pakets. Die Parkplätze sollen daher mit Sensoren ausgestattet werden, die den Auslastungsgrad in Echtzeit erfassen.
„Wir versuchen schon sehr lange, den Verkehr besser zu organisieren“, sagte Tiefbauamtsleiter Alexander Reintjes. „Aber wir geraten nun an Grenzen, wo uns das Projekt weiterhilft.“