Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Stichproben für den Brandschutz: Amt nimmt sich Hochhäuser vor
Ein Flammeninferno wie in London wird für die 6 9 Erfurter Hochhäuser ausgeschlossen – Große Summen investiert
ERFURT. Kann das auch in Erfurt passieren? Dass ein Hochhaus brennt, sich das Feuer über die Fassade rasant auf alle Stockwerke ausdehnt – wie beim verheerenden Brand des Londoner Grenfell Towers? Auf 79 wird die Zahl der Todesopfer beziffert. Ähnlich gedämmte Gebäude wurden in London inzwischen geräumt. Schnell ließen Experten nach der Brandkatastrophe verlauten, eine solche Katastrophe ist wegen schärferer Brandschutzgesetze in Deutschland undenkbar. Doch nun wurde in Wuppertal am Dienstag ein Haus geräumt, dass über eine ähnliche Fassade wie der Grenfell Tower verfügt.
Michael Schwabe, Abteilungsleiter Gefahrenvorbeugung im Amt für Brandschutz der Stadt Erfurt, schließt eine Katastrophe wie in London für die Thüringische Landeshauptstadt aus. „Die Verwendung einer brennbaren Dämmung, wie sie am Grenfell Tower verbaut wurde, ist per Gesetz seit den 80er-Jahren in Deutschland verboten“, sagt Schwabe auf Anfrage unserer Zeitung. Das gelte für Hochhäuser, per Definition also Gebäude, die höher als 22 Meter sind. 69 gibt es davon in Erfurt. Neben dem RadissonBlu-Hotel und dem Landtagsgebäude alles Wohngebäude, Elfgeschosser, sogenannte Wohnscheiben. Gebaut zu DDR-Zeiten mit reichlich Stahlbeton. Dämmung indes wurde erst nach der Wende ein Thema, samt westlicher Brandschutzverordnung dazu, deren Einhaltung eine rasante Ausbreitung der Flammen wie in London ausschließt.
Akut sorgen müsse sich niemand. Die Toten von London aber geben Schwab und seiner Abteilung Anlass zu stichprobenartige Kontrollen, die gemeinsam mit der Bauaufsicht vorgenommen werden sollen. Schließlich ist das Gesetz und die erteilte Baugenehmigung das eine, beider tatsächliche Einhaltung aber nicht immer vor Ort auf der Baustelle geprüft worden. Alle fünf Jahre finde zwar eine Kontrolle auf mögliche Gefahren statt – hinter die Fassade und deren Verkleidung werde dabei aber normalerweise nicht geschaut, sagt Schwab. Etwas, das nun stellenweise nachgeholt werden soll.
Vorbildlich in Sachen Brandschutz sei die städtische Wohnungsgesellschaft Kowo aktiv, sagt der Abteilungsleiter im Brandschutzamt. „Bei anderen Eigentümern ist da schon mehr Überzeugungsarbeit nötig“, sagt Michael Schwab. Und so traurig es klingt: Die Katastrophe von London liefere ihm nun leider Argumente, um auch zögerlichere Hauseigentümer zum Handeln zu bewegen. Auch wenn dies mit erheblichen Ausgaben für die Vermieter, mit Schmutz und Ärger für die Mieter verbunden ist.
31 der Erfurter Hochhäuser befinden sich im Besitz der Kowo. „Wir sind seit vielen Jahren in Sachen Brandschutz sehr aktiv“, sagt Kowo-Chef Friedrich Hermann. Allein 20 der 100 Millionen Euro, die in die Gebäudesanierung gesteckt wurden, seien für Brandschutz ausgegeben worden. „Manchmal ist das nicht einfach, weil man das Ergebnis nicht sieht oder bei einer Einweihung präsentieren kann, weil es außerdem mit Schmutz und Dreck verbunden ist, aber die Sicherheit unserer Mieter geht vor“, sagt Hermann. Jedes einzelne Hochhaus, Punkthochhäuser und Elfgeschosser, sei durch einen Gutachter auf Brandschutzsicherheit geprüft worden, ehe gezielt investiert wurde. Arbeiten, die letztes Jahr abgeschlossen wurden. Nun seien die Fünfgeschosser an der Reihe.
Brandschutztüren wurden verbaut, Rauchwarnmelder installiert. Nach Gesetz und nach Stand der Technik. Am Wiesenhügel gar seien komplett und kilometerweise Elektroleitungen im Gebäude ausgetauscht worden, um auch diese Brandquelle auszuschließen. Oder es wurden Bäume gefällt wie am Herrenberg, einst eingepflanzt zum Erstbezug von den Mietern – was wütenden Protest nach sich gezogen habe, aber notwendig gewesen sei, um der Feuerwehr eine Chance zum Anleitern zu geben, wie Kowo-Prokuristin Dorothee Haberland sagt.
Sie wünscht sich mehr Sensibilität in Sachen Brandschutz auch von den Mietern, etwa dann, wenn es um Kinderwagen oder Rollatoren im Treppenhaus geht. Statt Fluchtwege zu verstellen, böten sich dafür die eigens von der Kowo eingerichteten Abstellräume an. Zur eigenen Sicherheit. In Erfurt, sagt Friedrich Hermann, seien die Mitarbeiter des Brandschutzamtes im Vergleich zu anderen Städten Thüringens besonders streng und unnachgiebig. Und das klingt aus seinem Mund, als sei es wie ein Lob gemeint.
Mehr Sensibilität von Mietern gefordert