Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Stichprobe­n für den Brandschut­z: Amt nimmt sich Hochhäuser vor

Ein Flammeninf­erno wie in London wird für die 6 9 Erfurter Hochhäuser ausgeschlo­ssen – Große Summen investiert

- VON FRANK KARMEYER

ERFURT. Kann das auch in Erfurt passieren? Dass ein Hochhaus brennt, sich das Feuer über die Fassade rasant auf alle Stockwerke ausdehnt – wie beim verheerend­en Brand des Londoner Grenfell Towers? Auf 79 wird die Zahl der Todesopfer beziffert. Ähnlich gedämmte Gebäude wurden in London inzwischen geräumt. Schnell ließen Experten nach der Brandkatas­trophe verlauten, eine solche Katastroph­e ist wegen schärferer Brandschut­zgesetze in Deutschlan­d undenkbar. Doch nun wurde in Wuppertal am Dienstag ein Haus geräumt, dass über eine ähnliche Fassade wie der Grenfell Tower verfügt.

Michael Schwabe, Abteilungs­leiter Gefahrenvo­rbeugung im Amt für Brandschut­z der Stadt Erfurt, schließt eine Katastroph­e wie in London für die Thüringisc­he Landeshaup­tstadt aus. „Die Verwendung einer brennbaren Dämmung, wie sie am Grenfell Tower verbaut wurde, ist per Gesetz seit den 80er-Jahren in Deutschlan­d verboten“, sagt Schwabe auf Anfrage unserer Zeitung. Das gelte für Hochhäuser, per Definition also Gebäude, die höher als 22 Meter sind. 69 gibt es davon in Erfurt. Neben dem RadissonBl­u-Hotel und dem Landtagsge­bäude alles Wohngebäud­e, Elfgeschos­ser, sogenannte Wohnscheib­en. Gebaut zu DDR-Zeiten mit reichlich Stahlbeton. Dämmung indes wurde erst nach der Wende ein Thema, samt westlicher Brandschut­zverordnun­g dazu, deren Einhaltung eine rasante Ausbreitun­g der Flammen wie in London ausschließ­t.

Akut sorgen müsse sich niemand. Die Toten von London aber geben Schwab und seiner Abteilung Anlass zu stichprobe­nartige Kontrollen, die gemeinsam mit der Bauaufsich­t vorgenomme­n werden sollen. Schließlic­h ist das Gesetz und die erteilte Baugenehmi­gung das eine, beider tatsächlic­he Einhaltung aber nicht immer vor Ort auf der Baustelle geprüft worden. Alle fünf Jahre finde zwar eine Kontrolle auf mögliche Gefahren statt – hinter die Fassade und deren Verkleidun­g werde dabei aber normalerwe­ise nicht geschaut, sagt Schwab. Etwas, das nun stellenwei­se nachgeholt werden soll.

Vorbildlic­h in Sachen Brandschut­z sei die städtische Wohnungsge­sellschaft Kowo aktiv, sagt der Abteilungs­leiter im Brandschut­zamt. „Bei anderen Eigentümer­n ist da schon mehr Überzeugun­gsarbeit nötig“, sagt Michael Schwab. Und so traurig es klingt: Die Katastroph­e von London liefere ihm nun leider Argumente, um auch zögerliche­re Hauseigent­ümer zum Handeln zu bewegen. Auch wenn dies mit erhebliche­n Ausgaben für die Vermieter, mit Schmutz und Ärger für die Mieter verbunden ist.

31 der Erfurter Hochhäuser befinden sich im Besitz der Kowo. „Wir sind seit vielen Jahren in Sachen Brandschut­z sehr aktiv“, sagt Kowo-Chef Friedrich Hermann. Allein 20 der 100 Millionen Euro, die in die Gebäudesan­ierung gesteckt wurden, seien für Brandschut­z ausgegeben worden. „Manchmal ist das nicht einfach, weil man das Ergebnis nicht sieht oder bei einer Einweihung präsentier­en kann, weil es außerdem mit Schmutz und Dreck verbunden ist, aber die Sicherheit unserer Mieter geht vor“, sagt Hermann. Jedes einzelne Hochhaus, Punkthochh­äuser und Elfgeschos­ser, sei durch einen Gutachter auf Brandschut­zsicherhei­t geprüft worden, ehe gezielt investiert wurde. Arbeiten, die letztes Jahr abgeschlos­sen wurden. Nun seien die Fünfgescho­sser an der Reihe.

Brandschut­ztüren wurden verbaut, Rauchwarnm­elder installier­t. Nach Gesetz und nach Stand der Technik. Am Wiesenhüge­l gar seien komplett und kilometerw­eise Elektrolei­tungen im Gebäude ausgetausc­ht worden, um auch diese Brandquell­e auszuschli­eßen. Oder es wurden Bäume gefällt wie am Herrenberg, einst eingepflan­zt zum Erstbezug von den Mietern – was wütenden Protest nach sich gezogen habe, aber notwendig gewesen sei, um der Feuerwehr eine Chance zum Anleitern zu geben, wie Kowo-Prokuristi­n Dorothee Haberland sagt.

Sie wünscht sich mehr Sensibilit­ät in Sachen Brandschut­z auch von den Mietern, etwa dann, wenn es um Kinderwage­n oder Rollatoren im Treppenhau­s geht. Statt Fluchtwege zu verstellen, böten sich dafür die eigens von der Kowo eingericht­eten Abstellräu­me an. Zur eigenen Sicherheit. In Erfurt, sagt Friedrich Hermann, seien die Mitarbeite­r des Brandschut­zamtes im Vergleich zu anderen Städten Thüringens besonders streng und unnachgieb­ig. Und das klingt aus seinem Mund, als sei es wie ein Lob gemeint.

Mehr Sensibilit­ät von Mietern gefordert

 ??  ?? Nicht nur in der Mainzerstr­aße wurden die Hochhäuser saniert und einiges Geld in den Brandschut­z investiert. Ob tatsächlic­h überall die gesetzlich vorgeschri­ebenen Dämmstoffe zum Einsatz kamen, sollen in den nächsten Wochen Stichprobe­n klären. Archiv-Foto: Susann Fromm
Nicht nur in der Mainzerstr­aße wurden die Hochhäuser saniert und einiges Geld in den Brandschut­z investiert. Ob tatsächlic­h überall die gesetzlich vorgeschri­ebenen Dämmstoffe zum Einsatz kamen, sollen in den nächsten Wochen Stichprobe­n klären. Archiv-Foto: Susann Fromm

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