Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Wenn Buntspechte den Bilderrahmen zerhacken
Naturkundemuseum lädt zu malerischer Reise von der Nordsee in den Pantanal – Pointen zum Schmunzeln und Grübeln
ERFURT. Der Eisvogel fliegt von der Staffelei, die Buntspechte zerhacken den Bilderrahmen, ein Tukan beugt sich aus seinem Gemälde, um Trauben zu naschen – die von Harro Maass gemalten Tiere sind so lebendig, dass sie einfach nicht im Rahmen bleiben wollen.
Eine Auswahl seiner Werke zeigt das Erfurter Naturkundemuseum in einer neuen Sonderausstellung. Da schleicht der Jaguar durch den Pantanal-Sumpf in Brasilien, der flüchtige Quetzal mit seinem prächtigen Federkleid sitzt auf einem Ast im Wolkenwald Costa Ricas. Eine Puma-Mutter bewacht ihre Jungen in einer nordamerikanischen Höhle.
„Die exotischen Tiere entspringen nicht meiner Fantasie“, sagt Harro Maass. Bei Reisen durch die Naturparadiese der Erde hat er sie tatsächlich beobachtet und fotografiert. Er sah die Harlekin-Ente in Island, den Blaufußtölpel auf Galápagos und den Löwen in Kenia.
„Einmalig in Europa“nennt Ulrich Scheit, Kurator des Naturkundemuseums, den Künstler. „Harro Maass ist einerseits ein hervorragender Tierzeichner von nahezu fotografischer Exaktheit“, meint er. „Und dann kombiniert er die Tiere mit verdichteten Lebensräumen und surrealistischen Elementen.“
Viele Bilder haben eine humorvolle oder zum Nachdenken anregende Pointe: Bei seinem Jagdflug über den spiegelglatten See zerreißt der Scherenschnabel-Vogel die Leinwand. Ein verkohlter Bilderrahmen engt den Lebensraum der Sumpfohreule ein. Der Zaunkönig baut sein Nest in einem Stück aufgerollter Tapete.
Maass, Enkel eines Leuchtturmwärters, wuchs auf der Nordseeinsel Wangerooge auf. Zuerst wollte er Vogelwart werden. Doch studierte er Gebrauchsgrafik. Werke aus seiner Zeit als Kunst-Direktor von Werbeagenturen sind in der Ausstellung ebenfalls zu sehen. Haass malte die 25-jährige Milka-Kuh, gestaltete blumige Nivea-Creme-Schachteln und Löwen für den Löwen-Senf.
In den 70er-Jahren wurde er Naturillustrator, der für Magazine tätig war. Der Spiegel, Geo und „National Geographic“druckten seine Illustrationen. Allein 27 Titel-Grafiken schuf er für „Hörzu“. „Das war in der Zeit, bevor sie nur noch Schauspieler und Sternchen auf dem Titel hatten“, erzählt er.
Aus einer Spendenaktion von Geo stammt auch Maass´ wohl berühmtestes Bild „Rettet den Regenwald“. Über den verkohlten Resten einer Brandrodung tragen zwei schützende Hände den Regenwald mit all seiner Artenvielfalt. Auch die Essenz deutscher Biotope, etwa der Nationalparks Jasmund und Eifel, bannte Maass auf die Leinwand – diesmal im Auftrag des Bundesumweltministeriums.
„Wir sind unheimlich stolz und froh, die ganze Spannweite des Werkes präsentieren zu können“, meint Kurator Ulrich Scheit. Die Ausstellung werde zudem dem Ruf des Museums als Familienmuseum gerecht.