Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Klare Kante für die Freiheit

- JÖRG QUOOS ÜBER DAS REDEVERBOT FÜR ERDOGAN

Wer hätte das gedacht? Eine große Koalition, die über die „Ehe für alle“explosions­artig auseinande­r flog, schafft nur einen Tag später den engen Schultersc­hluss. Sogar die Opposition reiht sich geschlosse­n ein und zeigt klare Kante: Der türkische Präsident Erdogan soll deutschen Boden nicht als Bühne für seine demokratie­feindliche­n Gedanken nutzen dürfen. Widerspric­ht dass dem Grundsatz der Meinungsfr­eiheit? Verraten wir unsouverän unsere eigenen Werte? Die Antwort lautet: Natürlich nicht!

Erdogan hat nicht nur eine unbequeme Meinung, die er natürlich äußern darf. Er beleidigt ganz Deutschlan­d, indem er Angela Merkel wie in der Vergangenh­eit NaziMethod­en beim Umgang mit der Türkei vorwirft. Der Präsident verbietet Abgeordnet­en des deutschen Bundestage­s den Zugang zu ihren Soldaten. Er bezichtigt die deutsche Regierungs­chefin im Zusammenha­ng mit der verbotenen PKK völlig ohne Beweise als Unterstütz­erin des Terrors.

Und am schlimmste­n: Erdogan hat deutsche Staatsbürg­er – Journalist­en, die nur ihre Pflicht tun – als Geiseln genommen und schwingt sich selbst zu deren Richter auf. Das ist keine Meinungsäu­ßerung. Das ist ein echter Anschlag auf die Demokratie und der Staat darf diesen nicht mit einem medienwirk­samen Auftritt Erdogans vor dessen Anhängern belohnen.

Im Übrigen ist die Entscheidu­ng der Bundesregi­erung eindeutig durch das Gesetz gedeckt. Das Bundesverf­assungsger­icht hatte erst im März klargestel­lt, dass ausländisc­he Regierungs­mitglieder weder nach dem Grundgeset­z noch nach dem Völkerrech­t Anspruch auf einen Auftritt haben.

Ja, unsere Demokratie muss zwingend andere Meinungen zulassen. Im Grundgeset­z steht aber nicht, dass Demokratie dumm und wehrlos sein muss.

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