Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Spektakulär und unglaublich originell
Kunstfest Weimar :Das Projekt „Bewegtes Land“entlang der Bahnstrecke JenaNaumburg am vergangenen Wochenende war ein voller Erfolg
JENA. Am Sonnabend, kurz vor 11 Uhr, streikt der erste Trabi. Ein Rad steht schief, die Rennpappe kann nicht mehr fahren. Den ganzen Vormittag hat es stark geregt und das abgemähte Feld bei Stöben neben der Bahnstrecke aufgeweicht.
Wenn jetzt die vier Indianer in ihren Trabanten vom „Trabantclub Pausa“auf dem regennassen Untergrund Vollgas geben, fliegen ordentlich die Schlammfetzen und leidet das Material. Aber es geht um alles. Ein Geschäftsmann im Anzug und schicken Auto muss gejagt und gestellt werden. Da kann man nicht aufs Material achten.
Bei der Verfolgungsjagd á la Wilder Westen, die sich am vergangenen Wochenende 24 Mal wiederholt hat, stand der Geschäftsmann schließlich ziemlich schlecht da. Und das auch noch vor einer großen Menge Schaulustiger, die die Verfolgungsjagd aus dem vorbeifahrenden Zug als Augenzeugen beobachten konnten.
Und bei dieser Entdeckung allein blieb es nicht. 30 Minuten lang, die Zeit, die die Regionalzüge für die sonst so ruhige Strecke zwischen Jena-Paradies und Naumburg durch das schöne Saaletal brauchen, gab es eine spektakuläre, absurde und witzige Szene nach der anderen zu entdecken. Sie alle waren Teil des Kunstprojektes „Bewegtes Land“, das das Künstlerduo Datenstrudel aus Berlin mit zahlreichen Studenten der Bauhaus-Uni Weimar und gut 200 ambitionierte Lokalpatrioten im Rahmen des Kunstfests Weimar auf die Beine gestellt haben – eine humor- und fantasievolle Marketingkampagne für die Saaleregion.
Das Konzept der Organisatoren ging auf: Die vorbeifahrenden Züge waren rappelvoll. Viele Fahrgäste haben sich extra wegen „Bewegtes Land“auf die Strecke begeben.
Und für sie hieß es: Augen auf, um möglichst alle 45 kleinen und großen Inszenierungen, Szenen und Bilder aus den Fenstern ihres Abteils heraus zu entdecken.
Zwei Damen im gelben Overall, die hüfttief in der Saale stehen und vor der Postkartenansicht unterhalb von Burg Saaleck grüne Giftbrühe in den Fluss kippen – das hat man hierzulande so noch nicht gesehen. Auch ein Hai, der plötzlich aus dem heimischen Gewässer auftaucht und dem Angler Reinhold Barabasch aus Stöben seinen Fang streitig machen will, dürfte für Überraschung und Schmunzler gesorgt haben. Perfektes Zeitmanagement erfordert auch der „Wettlauf gegen den Zug“, den Rocco in Jena-Zwätzen von einer riesigen Rampe beginnt und in Naumburg natürlich gewinnt. Oder, je nach Fahrtrichtung auch andersrum.
Über 20 Roccos wirkten an dem Hase-und-Igel-Spiel, das mal rennend, mal per Rad oder in der Saale schwimmend ausgetragen wurde. Ein einziger Riesenspaß. Am Bahnhof Bad Kösen war beispielsweise ein Boxenstopp für Rocco eingerichtet. Und während am Sonnabend der Fanfarenzug Bad Kösen die Fahrgäste ordentlich am Bahnhof beschallte, konnte Rocco sich kurz frisch machen – mal hinsetzen, die Waden massieren lassen, den Schweiß oder Regen abtupfen und zum Endspurt ansetzen. Den Abellio, der es auf diesem Streckenabschnitt maximal auf 120 km/h schafft, konnte Rocco locker einholen.