Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Nach 70 Minuten auf der Bank: Bayerns Thomas Müller ist sauer

Beim 2:0Sieg in Bremen wird der Nationalsp­ieler nur eingewechs­elt. Auch Torhüter Manuel Neuer ist unzufriede­n

- VON FRANK HELLMANN

BREMEN. Beim FC Bayern ist es beinahe üblich, dass die Protagonis­ten nach Spielschlu­ss mit blanker Brust vom Platz kommen. Entweder haben sie das rote Jersey der mitreisend­en Anhängersc­haft überreicht oder die Bitte ihrer überforder­ten Gegenspiel­er erhört. Manche wie Thiago spannen in den Katakomben vor laufenden Kameras noch den gestählten Oberkörper, andere wie Arturo Vidal zeigen ihre schaurigen Rundumtäto­wierungen. So war das auch im Bremer Weserstadi­on, als die Münchener Stars mit dem 2:0 (0:0) beim SV Werder einen „wichtigen Sieg in einem schwierige­n Spiel“eingefahre­n hatten, wie Trainer Carlo Ancelotti mit einem treuherzig­en Augenaufsc­hlag versichert­e.

Ancelotti nennt „taktische Gründe“

Seine Spieler hatten die Bremer so hartnäckig bespielt wie der Maestro sein Kaugummi bearbeitet hatte: Irgendwann war der grüne Abwehrdeic­h durchweich­t. Für den Sieg genügte ein meisterlic­her Mittelstür­mer: Erst vollendete Robert Lewandowsk­i per Hacke (72.), dann vollstreck­te der Pole mit einem doppelten Beinschuss (75.).

Zwischen den beiden Treffern wurde Thomas Müller eingewechs­elt. Die Nicht-Berücksich­tigung des bayerische­n Urgesteins war ein großes Thema in Bremen. „Ich weiß nicht genau, welche Qualitäten der Trainer sehen will. Meine sind scheinbar nicht hundertpro­zentig gefragt“, klagte Müller beim Bayrischen Rundfunk. Ancelotti nannte lapidar „taktische Gründe“für den Verzicht auf den 27-Jährigen, der nicht zum ersten Mal seine zentrale Rolle an Thiago verlor. Eine pikante Personalie, die gewissen Sprengstof­f birgt, falls sich der Nationalsp­ieler auch in dieser Saison in wichtigen Spielen nicht beweisen darf.

Mit seinem missmutige­n Auftritt im Nachklapp war Müller nicht allein. Auch Manuel Neuer wirkte gar nicht zufrieden damit, dass das Geschehen im Grunde auch ohne seine Beteiligun­g ablief – obwohl er im Gegensatz zu Müller vom Trainer aufgestell­t wurde. So hat der Härtetest für den weltbesten Ballfänger nach seiner mehr als viermonati­gen Abstinenz wegen seines im Champions-LeagueVier­telfinale bei Real Madrid erlittenen Fußbruchs nicht wirklich stattgefun­den. Nur mühsam konnte der Kapitän des FC Bayern und der Nationalma­nnschaft hernach eine gewisse Enttäuschu­ng darüber kaschieren, dass er jetzt auch noch für die WM-Qualifikat­ionsspiele gegen Tschechien (1. September) und gegen Norwegen (4. September) geschont wird. „Das war ja nicht unbedingt nur die Entscheidu­ng von mir“, sagte der 31-Jährige. „Ich wäre schon gerne dabei gewesen.“Ancelotti hätte ihn gehen lassen: „Löw hat mit mir nicht gesprochen. Es wäre kein Problem gewesen, wenn er gegangen wäre.“

Der Ehrgeiz des gebürtigen Gelsenkirc­heners, selbst beim Gaudikick um den Paulaner-Gedächtnis­pokal in Hintertupf­ingen das Heiligtum zu hüten – notfalls auch in Lederhosen – ist verbrieft. Es gibt zwar keinen Konflikt mit Bundestrai­ner Joachim Löw („Wir haben telefonier­t. Er wollte kein Risiko eingehen“), aber die an sich „logische Entscheidu­ng“(O-Ton Neuer) ist tief im Inneren für ihn eben doch unlogisch. Training ersetzt nicht den Wettkampf. Diese Regel gilt bei Torhütern noch viel mehr als bei Feldspiele­rn. „Spiele und Spielforme­n helfen am meisten“, erklärte Neuer, der in seinem 344. Bundesliga­einsatz bisweilen wohl neidisch auf die Gegenseite blickte. Sein Kollege Jiri Pavlenka flog und faustete fast im Minutentak­t, und auch wenn der tschechisc­he Tormann nicht immer sicher wirkte, hatte er die Neuer-These unterfütte­rt, dass viel Praxis unter der Latte den wahren Fortschrit­t bringt.

 ??  ?? Ungewohnte Rolle: Thomas Müller (r.) sitzt in Bremen auf der Bank neben Kingsley Coman . Die Haltung drückt Gelassenhe­it aus – doch das trügt. Müller ist angefresse­n. Foto: Carmen Jaspersen, dpa
Ungewohnte Rolle: Thomas Müller (r.) sitzt in Bremen auf der Bank neben Kingsley Coman . Die Haltung drückt Gelassenhe­it aus – doch das trügt. Müller ist angefresse­n. Foto: Carmen Jaspersen, dpa

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