Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Arbeitsage­ntur muss für Ex-Häftling nachzahlen

Bundessozi­algericht bestätigt Anspruch des Klägers auf Arbeitslos­engeld

- VON KAI MUDRA

ERFURT/KASSEL. Die Bundesagen­tur für Arbeit muss einem früheren Gefangenen Arbeitslos­engeld nachzahlen: Für diese Entscheidu­ng in geheimer Beratung brauchten die Richter des Bundessozi­algerichte­s in Kassel gerade einmal eine halbe Stunde. Der 34-jährige Kläger zeigte sich über seinen Sieg erfreut. Außerdem könnte diese höchstrich­terliche Entscheidu­ng weiteren Betroffene­n die Möglichkei­t eröffnen, auf nicht gezahltes Arbeitslos­engeld zu klagen.

Der Kläger arbeitete zwischen November 2009 und Juni 2011 als Häftling hinter Gittern. Als er nach seiner Haftentlas­sung im Februar 2012 Arbeitslos­engeld (ALG) I beantragte, verweigert­e die Arbeitsage­ntur ihm die Leistung. Der Ex-Häftling war sich aber sicher, länger als ein Jahr gearbeitet zu haben. Das wäre Grundvorau­ssetzung gewesen. Doch beim Berechnen der gearbeitet­en Tage wurden ihm die Wochenende­n und Feiertage abgezogen. So reichte es aus Sicht der Arbeitsage­ntur nicht für das beantragte Arbeitslos­engeld. Diese benachteil­igende Zählweise wurde bis 2016 offenbar bundesweit bei entlassene­n Gefangenen angewendet. Danach beschloss der Bundestag eine Gesetzesän­derung.

Mit seinem Urteil habe das Bundessozi­algericht das Prinzip betont, inhaftiert­e und nicht inhaftiert­e Arbeiter möglichst gleich zu behandeln, betonte gestern die Gefangenen­gewerkscha­ft gegenüber dieser Zeitung. Sie unterstütz­te den Ex-Häftling bei seiner Klage. Die Bundesagen­tur für Arbeit wollte sich gestern noch nicht zu diesem konkreten Fall äußern. Dafür müsse erst die schriftlic­he Urteilsbeg­ründung vorliegen, sagte eine Sprecherin. Ob eine Klagewelle drohe, sei derzeit nicht absehbar. Angesichts der finanziell­en Rücklagen könne Klagen aber „gelassen entgegen gesehen werden“.

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