Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Räderlose Karosse im Ahnen-Tempel
Peking zeigt ab heute die bisher größte Ausstellung mit deutscher zeitgenössischer Kunst
PEKING. Es ist wohl die bisher umfangreichste Ausstellung deutscher Nachkriegskunst auf internationaler Bühne. Nie zuvor hat Peking eine derart große Schau deutscher Kunst erlebt. „Deutschland 8“bringt 320 Werke von 55 Künstlern aus sieben Jahrzehnten nach China.
Nicht alles wird sofort verstanden. Doch die Kuratoren Walter Smerling von der Bonner Stiftung für Kunst und Kultur und Fan Di‘an von der Hochschule der Bildenden Künste in Peking wollen mit der Ausstellung dem Gütesiegel „Made in Germany“eine neue Bedeutung geben. Deutschland und seine kulturelle Vielfalt sollen durch die Kunst ganz neu erlebt werden können.
So wie die „Brenner 05“genannte Karosse eines VW Passat direkt aus dem Werk. Ein Auto, das nicht fährt. Wie im Stau. „Kinetische Energie findet nicht mehr statt. Es gibt nur Wärme, die bedrohlich ist.“Erderwärmung, Klimawandel, Abgase, Smog – alles Themen, die in China brandaktuell sind. Aber Sailstorfer sagt: „Mir ist fern, eine Botschaft zu vermitteln.“Ein Teil der Arbeit entstehe im Betrachter: „Es bleibt ihm überlassen, was er sieht.“
„Brenner 05“hat eine lange Zugreise hinter sich. Wie die 3,80 Meter hohe Skulptur „Uranus“von Markus Lüpertz, die jetzt vor dem TaimiaoTempel in der Verbotenen Stadt steht. Beide Kunstwerke wurden in einem Container symbolisch über die „neue Seidenstraße“zwischen Europa und China 12 000 Kilometer mit der Bahn nach Peking gebracht – andere Stücke eingeflogen.
Ausgerechnet in dem ehemaligen Ahnen-Tempel sind Künstler zu finden, die sich mit Vergangenheitsbewältigung beschäftigten. Allen voran Joseph Beuys, Anselm Kiefer, Gerhard Richter und Günther Uecker. Die bis 31. Oktober dauernde Ausstellung ist wie eine „deutsche Kunsthalle mit acht Abteilungen“über Peking verteilt. Abstrakte und informelle Kunst von K.O. Götz, Bernhard Schultze oder Gerhard Hoehme, die den Neuanfang nach 1945 symbolisieren, sind im Red Brick Museum vertreten. „Kunst ist grundlegend für das Selbstverständnis einer Gesellschaft“, hebt Smerling hervor. „Als wesentlicher Ausdruck individueller Persönlichkeit ist sie – wie die Würde des Menschen – unantastbar.“