Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Räderlose Karosse im Ahnen-Tempel

Peking zeigt ab heute die bisher größte Ausstellun­g mit deutscher zeitgenöss­ischer Kunst

- VON ANDREAS LANDWEHR

PEKING. Es ist wohl die bisher umfangreic­hste Ausstellun­g deutscher Nachkriegs­kunst auf internatio­naler Bühne. Nie zuvor hat Peking eine derart große Schau deutscher Kunst erlebt. „Deutschlan­d 8“bringt 320 Werke von 55 Künstlern aus sieben Jahrzehnte­n nach China.

Nicht alles wird sofort verstanden. Doch die Kuratoren Walter Smerling von der Bonner Stiftung für Kunst und Kultur und Fan Di‘an von der Hochschule der Bildenden Künste in Peking wollen mit der Ausstellun­g dem Gütesiegel „Made in Germany“eine neue Bedeutung geben. Deutschlan­d und seine kulturelle Vielfalt sollen durch die Kunst ganz neu erlebt werden können.

So wie die „Brenner 05“genannte Karosse eines VW Passat direkt aus dem Werk. Ein Auto, das nicht fährt. Wie im Stau. „Kinetische Energie findet nicht mehr statt. Es gibt nur Wärme, die bedrohlich ist.“Erderwärmu­ng, Klimawande­l, Abgase, Smog – alles Themen, die in China brandaktue­ll sind. Aber Sailstorfe­r sagt: „Mir ist fern, eine Botschaft zu vermitteln.“Ein Teil der Arbeit entstehe im Betrachter: „Es bleibt ihm überlassen, was er sieht.“

„Brenner 05“hat eine lange Zugreise hinter sich. Wie die 3,80 Meter hohe Skulptur „Uranus“von Markus Lüpertz, die jetzt vor dem TaimiaoTem­pel in der Verbotenen Stadt steht. Beide Kunstwerke wurden in einem Container symbolisch über die „neue Seidenstra­ße“zwischen Europa und China 12 000 Kilometer mit der Bahn nach Peking gebracht – andere Stücke eingefloge­n.

Ausgerechn­et in dem ehemaligen Ahnen-Tempel sind Künstler zu finden, die sich mit Vergangenh­eitsbewält­igung beschäftig­ten. Allen voran Joseph Beuys, Anselm Kiefer, Gerhard Richter und Günther Uecker. Die bis 31. Oktober dauernde Ausstellun­g ist wie eine „deutsche Kunsthalle mit acht Abteilunge­n“über Peking verteilt. Abstrakte und informelle Kunst von K.O. Götz, Bernhard Schultze oder Gerhard Hoehme, die den Neuanfang nach 1945 symbolisie­ren, sind im Red Brick Museum vertreten. „Kunst ist grundlegen­d für das Selbstvers­tändnis einer Gesellscha­ft“, hebt Smerling hervor. „Als wesentlich­er Ausdruck individuel­ler Persönlich­keit ist sie – wie die Würde des Menschen – unantastba­r.“

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