Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
„Wilde Sau“
Wie heißt es doch so schön im rot-rot-grünen Regierungsvertrag: „Die Koalition verständigt sich – im Bewusstsein der unterschiedlichen Positionen hinsichtlich der Notwendigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz – das Landesamt weiter grundlegend zu reformieren . . .“
Von einer Abschaffung der Behörde findet sich dort eher nichts. Das hindert die LinkeAbgeordnete Katharina KönigPreuss indes nicht daran, noch einmal klar und deutlich daran zu erinnern, dass das Amt aus sozialistischer Sicht schon lange auf den Müllhaufen der Geschichte gehört. Die Steilvorlage für das Recyceln dieser leicht angestaubten Forderung lieferte Behördenchef Stephan Kramer höchst selbst. Im NSU-Ausschuss des Landtags teilte er mit, aus öffentlich zugänglichen Quellen sei bekannt, dass 150 bis
200 Neonazis als potenzielle Unterstützer des Nationalsozialistischen Untergrunds gelten. Sein demnach ganz und gar nicht geheimes Wissen bezieht Kramer nach eigener Angabe aus Wikipedia.
Nun mag sich mancher fragen, ob für derart bahnbrechende, die gesellschaftlichen Grundfesten verteidigende Recherche nicht auch eine studentische Hilfskraft ausreicht. Insofern ist der Reflex, die Schlapphüte mal wieder infrage zu stellen, aus linker Sicht nur folgerichtig.
Aber das Schöne in einer Demokratie ist bekanntlich, dass jeder sagen darf, was er will. Deshalb konnte die SPDFraktionärin Dorothea Marx das Begehr ihrer linken Koalitionsfreundin auch mit Abscheu und Entsetzen zurückweisen.
Nachdem er eine Nacht darüber geschlafen hatte (Motto: Gut Ding will Weile haben), meldete sich auch Georg Maier (SPD) zu Wort. „Als Thüringer Innenminister stehe ich für eine Sicherheitspolitik, die mit allen Mitteln, die dem Rechtsstaat zur Verfügung stehen, gegen Extremisten vorgeht.“Dazu zähle neben der Polizei auch der Verfassungsschutz, ließ er wissen.
Da fällt uns auf: Die SPD scheint ihre Kernkompetenz, Gedöns und so – nein, natürlich Soziales – ein wenig zu vernachlässigen. Auch im Bund produziert sie nämlich zurzeit vor allem Schlagzeilen, die sich um den Verfassungsschutz drehen. Dort wollen die Genossen bekanntlich Geheimdienstchef Hans-Georg Maaßen unbedingt loswerden.
SPD-Vorstandsmitglied Serpil Midyatli bezeichnet Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) im „Spiegel“sogar als „wilde Sau“. Kenner der Szene sehen deshalb Schwarz-Rot einmal mehr vor dem Ende.
Dagegen geht es in Thüringen regelrecht gesittet zu. Aber ein wenig frohlocken wir schon, wenn CDU und SPD auch im Freistaat wieder (wahrscheinlich Ende 2019 gezwungenermaßen) irgendwie paktieren müssen.
Bis es so weit ist, freuen wir uns einfach auf das bevorstehende Duell im Wahlkreis Gotha II. Dort will nämlich die einstige SPD-Fraktionärin und jetzige CDU-Abgeordnete Marion Rosin gegen ihren ehemaligen Chef, den SPD-Fraktionsvorsitzenden Matthias Hey, antreten. Seit Rosin die Seiten wechselte, hatte man sich eigentlich nichts mehr und wenn nur wenig Schmeichelhaftes zu sagen.
Merke: Man sieht sich immer zweimal im Leben. Mindestens.
TLZ-Landeskorrespondent Elmar Otto erreichen Sie unter (0361) 555 05 38 oder per E-Mail unter e.otto@tlz.de