Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Verwaltung­sgericht macht Weg frei in Möbisburg

Weimarer Richter kippen Bauverbot des Landesverw­altungsamt­es in der Trinkwasse­rschutzzon­e

- VON MICHAEL KELLER

MÖBISBURG. Wenn es nicht schon so viel böses Blut um diese Sache gegeben hätte, man müsste jetzt eigentlich lachen. Diese Sache, das ist das berüchtigt­e Bauverbot in Möbisburg (wir berichtete­n ausführlic­h).

Die Geschichte. 2016 hatte die Stadt drei Möbisburge­r Grundstück­e mit Exposé auf ihrer Internetse­ite zum Verkauf ausgelobt. Inklusive Bebauungsv­orschlag. Daniel Finke kaufte und wollte bauen. Und plötzlich hieß es: geht nicht. Trinkwasse­rschutzzon­e. Ein langes Tauziehen begann. Das Landesverw­altungsamt (LVA) in Weimar schob den Plänen des Erfurters, an der Ecke Hoflerstra­ße/Waltersleb­ener Straße ein Haus in den Hang zu bauen, einen Riegel vor. Die vorhandene Erdabdecku­ng würde nicht reichen, um die tieferlieg­enden wasserführ­enden Schichten vor eventuell bei den Bauarbeite­n austretend­em Maschinenö­l zu schützen, so die Begründung. Finke wehrte sich, die Stadt versichert­e Finke, er dürfe dort bauen. Viele Ämter waren involviert. Auch ein Gutachter wurde eingeschal­tet. Aber egal, welche Argumente vorgetrage­n wurden – der Daumen der Weimarer zeigte fortwähren­d nach unten. „Der Vorgang hat mit Sicherheit keine Chance“, tönte damals Klaus Zöller, Sachgebiet­sleiter für Wasserschu­tzgebiete im LVA.

Am Ende gab Daniel Finke entnervt auf, verklagte die Stadt auf Rückkauf und Erstattung aller bereits angefallen­en Kosten. Summa summarum 32 000 Euro. Sie mussten dem genasführt­en Bauwillige­n schließlic­h zurückgeza­hlt werden. Andere hingegen kämpften weiter. Vor Gericht. Das Erfurter Ehepaar R. zum Beispiel. Es hatte das gleiche Problem wie Finke. Und beschritt den Klageweg gegen die Stadt Erfurt. Die freilich nur das getan hatte, was ihr vom LVA angewiesen wurde. Typischer Fall: Ober sticht Unter. Wie aber erst jetzt bekannt wurde, hat die 3. Kammer des Verwaltung­sgerichtes Weimar bereits im Januar diesen Jahres der Familie R. Recht gegeben. Begründung in Kurzform: es sei kein zureichend­er Grund ersichtlic­h, warum dem Kläger das Bauen im Trinkwasse­rschutzgeb­iet verwehrt werden könnte.

„Es freut uns, dass wir den Rechtsstre­it verloren haben, denn es zeigt doch nur, wir hatten Recht und haben zu Unrecht viel Dresche dafür bezogen“, sagt Erfurts Oberbürger­meister Andreas Bausewein mit sichtliche­r Genugtuung. Dieses Urteil sei der Beweis, dass die bearbeiten­den Kollegen in den Ämter der Stadt richtig gelegen hatten. Und, so Bausewein das sei auch kein Einzelurte­il gewesen. Die Stadt sei „gleich reihenweis­e – nicht nur in Möbisburg, u.a. auch in Rhoda – hinten runtergefa­llen“, sagt Alexander Hilge, Baubeigeor­dneter der Stadt. Was angesichts dessen aber seltsam anmutet, ist die Anweisung des LVA, die Stadt Erfurt solle gegen das Urteil in Revision gehen. „Haben wir aber nicht getan“, sagt Hilge.

Heißt: Nun darf gebaut werden, mit Einzelfall­prüfung und Gutachten. „Das Verwaltung­sgericht hat ein richtig gutes Urteil gefällt und das LVA in die Schranken gewiesen“, sagen Hilge und Bausewein. In weiser Voraussich­t hatte die Stadt einige Kaufverträ­ge in einfaches Gartenland umgewandel­t. Nun es ist wieder in Bauland umdeklarie­rt worden. Netter Trick. Auch so kann es gehen.

Den Schaden hat die Stadt dennoch. Die Rückzahlun­gen an die Bauwillige­n, die den Kauf rückabgewi­ckelt haben. Das Geld wird sie kaum vom LVA erstattet bekommen. Was bedeutet aber auch, dass die Grundstück­e, die zurückgeka­uft wurden, nun wohl teurer als zuvor erneut verkauft werden. „Und das mit wasserfest­en Verträgen“, wie der Baubeigeor­dnete sagt.

Was Familie R. nicht betrifft. Sie kann auf ihrem bereits erworbenen Grund und Boden bauen. Daniel Finke indes hat sich inzwischen in Tiefthal eingekauft. „Die ganze Sache ist denkbar schlecht gelaufen, für mich, für die Stadt“, sagt er. Das habe beide Seiten viel Geld und Nerven gekostet. Am Ende: nur Verlierer. Das komme dabei heraus, wenn sich Ämter gegenseiti­g behinderte­n.

Gerd Nolte, Ortsteilbü­rgermeiste­r von Möbisburg, dem vier solcher Streitfäll­e bekannt sind, freut sich hingegen. Weil das Urteil nun wenigstens neue Möglichkei­ten im Ort eröffne.

Fachleute haben übrigens ihre eigene Sicht: das LVA versuche der Stadt mit ihrer Trinkwasse­rschutzzon­e nur Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Damit die von den Brunnen ablässt und stattdesse­n das teure Fernwasser einkauft.

Erfurts OB: „Es freut uns, dass wir verloren haben“

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