Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Verwaltungsgericht macht Weg frei in Möbisburg
Weimarer Richter kippen Bauverbot des Landesverwaltungsamtes in der Trinkwasserschutzzone
MÖBISBURG. Wenn es nicht schon so viel böses Blut um diese Sache gegeben hätte, man müsste jetzt eigentlich lachen. Diese Sache, das ist das berüchtigte Bauverbot in Möbisburg (wir berichteten ausführlich).
Die Geschichte. 2016 hatte die Stadt drei Möbisburger Grundstücke mit Exposé auf ihrer Internetseite zum Verkauf ausgelobt. Inklusive Bebauungsvorschlag. Daniel Finke kaufte und wollte bauen. Und plötzlich hieß es: geht nicht. Trinkwasserschutzzone. Ein langes Tauziehen begann. Das Landesverwaltungsamt (LVA) in Weimar schob den Plänen des Erfurters, an der Ecke Hoflerstraße/Walterslebener Straße ein Haus in den Hang zu bauen, einen Riegel vor. Die vorhandene Erdabdeckung würde nicht reichen, um die tieferliegenden wasserführenden Schichten vor eventuell bei den Bauarbeiten austretendem Maschinenöl zu schützen, so die Begründung. Finke wehrte sich, die Stadt versicherte Finke, er dürfe dort bauen. Viele Ämter waren involviert. Auch ein Gutachter wurde eingeschaltet. Aber egal, welche Argumente vorgetragen wurden – der Daumen der Weimarer zeigte fortwährend nach unten. „Der Vorgang hat mit Sicherheit keine Chance“, tönte damals Klaus Zöller, Sachgebietsleiter für Wasserschutzgebiete im LVA.
Am Ende gab Daniel Finke entnervt auf, verklagte die Stadt auf Rückkauf und Erstattung aller bereits angefallenen Kosten. Summa summarum 32 000 Euro. Sie mussten dem genasführten Bauwilligen schließlich zurückgezahlt werden. Andere hingegen kämpften weiter. Vor Gericht. Das Erfurter Ehepaar R. zum Beispiel. Es hatte das gleiche Problem wie Finke. Und beschritt den Klageweg gegen die Stadt Erfurt. Die freilich nur das getan hatte, was ihr vom LVA angewiesen wurde. Typischer Fall: Ober sticht Unter. Wie aber erst jetzt bekannt wurde, hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichtes Weimar bereits im Januar diesen Jahres der Familie R. Recht gegeben. Begründung in Kurzform: es sei kein zureichender Grund ersichtlich, warum dem Kläger das Bauen im Trinkwasserschutzgebiet verwehrt werden könnte.
„Es freut uns, dass wir den Rechtsstreit verloren haben, denn es zeigt doch nur, wir hatten Recht und haben zu Unrecht viel Dresche dafür bezogen“, sagt Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein mit sichtlicher Genugtuung. Dieses Urteil sei der Beweis, dass die bearbeitenden Kollegen in den Ämter der Stadt richtig gelegen hatten. Und, so Bausewein das sei auch kein Einzelurteil gewesen. Die Stadt sei „gleich reihenweise – nicht nur in Möbisburg, u.a. auch in Rhoda – hinten runtergefallen“, sagt Alexander Hilge, Baubeigeordneter der Stadt. Was angesichts dessen aber seltsam anmutet, ist die Anweisung des LVA, die Stadt Erfurt solle gegen das Urteil in Revision gehen. „Haben wir aber nicht getan“, sagt Hilge.
Heißt: Nun darf gebaut werden, mit Einzelfallprüfung und Gutachten. „Das Verwaltungsgericht hat ein richtig gutes Urteil gefällt und das LVA in die Schranken gewiesen“, sagen Hilge und Bausewein. In weiser Voraussicht hatte die Stadt einige Kaufverträge in einfaches Gartenland umgewandelt. Nun es ist wieder in Bauland umdeklariert worden. Netter Trick. Auch so kann es gehen.
Den Schaden hat die Stadt dennoch. Die Rückzahlungen an die Bauwilligen, die den Kauf rückabgewickelt haben. Das Geld wird sie kaum vom LVA erstattet bekommen. Was bedeutet aber auch, dass die Grundstücke, die zurückgekauft wurden, nun wohl teurer als zuvor erneut verkauft werden. „Und das mit wasserfesten Verträgen“, wie der Baubeigeordnete sagt.
Was Familie R. nicht betrifft. Sie kann auf ihrem bereits erworbenen Grund und Boden bauen. Daniel Finke indes hat sich inzwischen in Tiefthal eingekauft. „Die ganze Sache ist denkbar schlecht gelaufen, für mich, für die Stadt“, sagt er. Das habe beide Seiten viel Geld und Nerven gekostet. Am Ende: nur Verlierer. Das komme dabei heraus, wenn sich Ämter gegenseitig behinderten.
Gerd Nolte, Ortsteilbürgermeister von Möbisburg, dem vier solcher Streitfälle bekannt sind, freut sich hingegen. Weil das Urteil nun wenigstens neue Möglichkeiten im Ort eröffne.
Fachleute haben übrigens ihre eigene Sicht: das LVA versuche der Stadt mit ihrer Trinkwasserschutzzone nur Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Damit die von den Brunnen ablässt und stattdessen das teure Fernwasser einkauft.
Erfurts OB: „Es freut uns, dass wir verloren haben“