Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Sonne, Sand und Goldstaub
Vor gut zehn Jahren wurde der Weinbau in Brandenburg wiederbelebt. Man setzt dort auf moderne Rebsorten wie Johanniter oder Solaris – diese Weine sind mittlerweile regional äußerst erfolgreich
Am Ortsausgang von Baruth scharf rechts, so lautete die Wegbeschreibung. Was wir suchen? Einen Weinberg – und zwar in Brandenburg, etwa 70 Kilometer südlich von Berlin, wo man weder Berge noch Wein vermutet. Wir fahren einen staubigen Weg entlang, Reben können wir keine entdecken. Die Getreidefelder sind abgemäht, die Äste der Apfelbäume am Wegesrand hängen dafür übervoll mit Obst. Wir erreichen eine Anhöhe und plötzlich sehen wir eine moderne Scheune und dahinter etliche sattgrüne Weinstöcke mit großen Trauben. „Unser Weinberg hat immerhin ein Gefälle von gut zehn Prozent“, sagt Ragna Haseloff lachend. Früher stand auf dem Berg eine Mühle und noch viel früher gab es hier auch schon Weinbau. „Auf dem Baruther Stadtwappen war noch bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts eine üppige Weinrebe abgebildet“, erklärt Haseloff.
Die Rebflächen werden mit viel Enthusiasmus bewirtschaftet
Tatsächlich wurde in der Region jahrhundertelang Weinbau betrieben, oft von Klöstern. Das war auch der Grund, warum sich der örtliche Kulturverein I-KU, den Haseloff und andere Bürger gründeten, entschloss, den Weinberg anzulegen. 2010 wurde das erste Mal geerntet – weil die Ernte so rar und beschwerlich war, nannten sie den Wein „Goldstaub“. So heißt er bis heute, doch mittlerweile werfen die 4500 Pflanzen ordentlich was ab. „Dieses Jahr rechnen wir mit 4000 Flaschen“, sagt Haseloff stolz. Der Wein wird für acht Euro pro Flasche verkauft, so kann sich der Verein finanzieren, außerdem gibt es rund 50 Weinpatenschaften und im September das mittlerweile weithin bekannte Baruther Weinfest.
Die Rebflächen in Brandenburg (rund 35 Hektar) sind verglichen mit denen in ganz Deutschland (mehr als 102 000 Hektar) unbedeutend. Doch ist bemerkenswert, mit wie viel Enthusiasmus sich die Hobby- oder Nebenerwerbswinzer dem Weinbau widmen. Gut 30 Weinbauorte gibt es heute in Brandenburg.
„Der Weinbau hat sechs Feinde: Stare, Waschbären – und alle vier Jahreszeiten.“Jürgen Rietze, Winzer in Luckau
Je nach Standort entstehen Land- oder sogar Qualitätsweine. Dass es überhaupt wieder Brandenburger Rebflächen gibt, war nur möglich, weil Rebrechte, die man in Rheinland-Pfalz und in Hessen nicht mehr benötigte, hierhin abgegeben wurden.
Ein absoluter Anfänger war Jürgen Rietze, als er 2004 in Luckau seine ersten Reben pflanzte. Auf der Suche nach Arbeit war der gelernte Maurer unter anderem nach Baden-Württemberg gelangt, wo ihn ein Verwandter für den Weinbau begeisterte. Als er mit der Idee nach Brandenburg zurückkam, hielten ihn alle für verrückt.
In den ersten Jahren hatte er etliche Rückschläge zu verkraften. Er fasst es schmunzelnd zusammen: „Der Weinbau hat sechs Feinde: Stare, Waschbären – und alle vier Jahreszeiten.“Rietze setzt auf pilzwiderstandsfähige Sorten, kurz PiWis genannt, wie Solaris und Johanniter, auch roten Regent und Acolon baut er an.
Keltern lässt er den Wein in Grano. Der dortige Gubener Weinbauverein hat auf dem sogenannten Langen Rücken, einer Erprobungsfläche für den brandenburgischen Weinbau, verschiedene Rebsorten angebaut. Außerdem hat er eine Weinscheune mit Schaukellerei
samt Kellermeister und Ausstellungsräumen aufgebaut. Vor rund anderthalb Jahren löste sich der Verein mangels Nachwuchs auf und hat den Weinberg dem Weingut Patke überlassen. „Ich wollte immer Bauer werden und durfte es nicht“, sagt .
„Unser Vorteil ist, dass wir unsere Trauben selbst keltern und so den perfekten Erntezeitpunkt abwarten können“, sagt Mitinhaber Matthias Jahnke vom Weingut Patke. Andere Brandenburger Winzer müssen ihre Trauben nach Sachsen-Anhalt fahren und sich an vorgegebene Termine halten. „Unser Anspruch ist es, gute Terrassenweine herzustellen“, sagt er. Auch er setzt auf PiWis.
Zunächst wurden die Winzer als Kuriosität belächelt
„Wir besetzen eine Nische, denn die modernen Züchtungen haben in den traditionellen Anbaugebieten keine Chance“, sagt Jahnke. Der säurebetonte Johanniter ähnelt dem Riesling, die fruchtbetonten Solaris und Helios einem Müller-Thurgau. Großen Erfolg erzielt Jahnke mit seinem Goldriesling, der eigentlich vor allem im sächsischen Weinbau eine Rolle spielt. „Er hat weniger Säure als ein klassischer Riesling und geht in Restaurants extrem gut“, sagt er.
Auf Messen und bei Wettbewerben wurde Jahnke mit seinem Brandenburger Wein anfangs als Kuriosität belächelt. Doch mittlerweile haben er und erfolgreiche Weinbauern in Werder, Töplitz oder bei Bad Muskau sich auch bei renommierten Sommeliers Anerkennung erarbeitet – der Brandenburger Sand birgt wohl doch die eine oder andere Überraschung.