Thüringische Landeszeitung (Gera)
Handy-Ortung leicht gemacht
Die Polizei findet mit der Methode Vermisste und Verbrecher, aber auch bei Bürgern wird sie immer beliebter
ERFURT. Nur mal kurz überprüfen, ob die Partnerin sicher zur Arbeit gelangt ist und nebenbei noch kurz sichergehen, dass sie nicht mit dem Kollegen durchbrennt. Wo einst die Polizei ein Privileg hatte, kann heute jeder Handybesitzer genau nachvollziehen, wo sich Kind und Kegel befinden. Nach dem Motto „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ziehen zahlreiche Unternehmen aus der Handyortung ihren Profit.
Den Nutzen, den die Polizei aus der Ortung zieht, hält Thüringens Datenschutzbeauftragter Lutz Hasse für völlig unproblematisch: „Die Handyortung ist ein wirksames Mittel um Täter oder Vermisste zu finden. Die Hürden sind durch den Einbezug des Richters recht hoch und der Gesetzgeber hat durch Änderungen in der Thüringischen Verfassung die Möglichkeiten dafür geschaffen.“
Die Polizei beantragt die richterliche Verfügung und kann dann mit Hilfe des Landeskriminalamts oder des Providers das Handy orten. Wenn eine Eilbedürftigkeit besteht, können die Beamten auch ohne die richterliche Verfügung agieren, müssen diese im Nachhinein allerdings einholen. Das Innenministerium ist zudem verpflichtet, dem Landtag über die Standortbestimmungen zu informieren. 2015 hat die Thüringische Polizei 138 Bürger geortet, der große Teil der Betroffenen ist danach benachrichtigt worden. In 112 Fällen gab es vor der Ortung die Erlaubnis vom Richter. Die Leiter der Polizeibehörden nutzten die Eilanordnungsmöglichkeit in 32 Fällen.
Alle diese Eilanordnungen wurden von den Gerichten nachträglich bestätigt.
Lutz Hasse kennt drei verschiedene Verfahren, wie die Polizei das Handy ortet:
Die „stille SMS“: Bei dieser Methode wird eine Kurznachricht auf das Handy des Gesuchten geschickt, von der allerdings der Betroffene nichts mitbekommt. Das Handy antwortet automatisch und die Polizei bekommt den Aufenthaltsort. „Ob es für diese Methode eine klare rechtliche Grundlage gibt, ist bei Datenschützern allerdings umstritten“, sagt Hasse.
Bei der Funkzellenabfrage, wird ermittelt, in welchen Handymast sich der Empfänger zuletzt eingeloggt hat, so kann der Aufenthaltsort eingegrenzt werden.
Beim Einsatz des sogenannten „Imsi-Catchers“können die Beamten nicht nur Personen finden, sondern auch deren Gespräche mithören. Das Gerät simuliert einen Handymast und kann so die Identifikationsnummer des Handys einfangen und Gespräche mithören.
Diese Möglichkeiten hat der Bürger nicht. Nur einige Internetanbieter versprechen gegen Gebühr, die Ortung via Mobilfunknetz, was allerdings illegal ist. Der Smartphonenutzer hat lediglich die Möglichkeit, den Standort des Gesuchten per GPS-Daten herauszufinden, das ist genauer, als die Ortung via Funk, jedoch nur dann Möglich, wenn der Nutzer sein GPS-Modul eingeschaltet hat und sich im Freien befindet. Rechtlich ist die private Ortung so geregelt, dass der Besitzer des Smartphones einwilligen muss. Bei der Überwachung von Kindern durch ihre Eltern gibt es allerdings eine Diskussion, bis zu welcher Altersgrenze Kinder der Überwachung nicht zustimmen müssen. „In der gerade verabschiedeten Europäischen Datenschutz Grundverordnung wird 16 Jahre als Grenze angegeben, der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil 18 Jahre genannt. Ich persönlich denke, dass Kinder schon ab 14 Jahren gefragt werden sollten“, sagt Hasse.
Wer gerne wissen möchte, wo die Familienmitglieder sich aufhalten kann zum Beispiel beim IPhone, die Cloud nutzen, die eine Funktion bereit hält, mit der Familien ihren Standort miteinander teilen können. Auch für Androidgeräte gibt es Anwendungen, die das ermöglichen (siehe Infokasten).
Die Apps sind zwar für den Fall des Verlustes oder des Diebstahls gedacht, doch können die Mobilfunkgeräte vom Computer aus auch dann geortet werden, wenn sie noch treu an der Seite ihrer Besitzer weilen. Allerdings ist bei diesen meist kostenlosen Anwendungen die App sichtbar auf dem Smartphone, so dass der „Gesuchte“stets Bescheid weiß. Wer weniger an der Sicherheit, als an der Treue seines Partners interessiert ist, kann diverse kostenpflichtige Angebote Nutzen, bei denen eine Anwendung einmal heimlich auf das Gerät gespielt wird und dann nicht mehr sichtbar für das „Opfer“durchgängig Daten an den Beobachter sendet. Einige Angebote ermöglichen auch das Mithören von Gesprächen.
Hasse sieht das Problem der Ortung allerdings weniger im Bereich des privaten Umfelds, als im Bereich der Unternehmen, die beobachten, wo sich ihre Kunden aufhalten. Mit den Standortdaten würden dann Bewegungsprotokolle erstellt.
Viele Nutzer glaubten, dass das einzige Problem im Empfang personalisierter Werbung liegt, das sei aber nicht richtig. Viele Unternehmen, die mit ihren Apps auch Standortdaten abfragen, senden die Daten an verschiedenste Stellen, die die Datenschützer allerdings nicht erfassen könnten. „Was mit den Daten geschieht, ist völlig unbekannt. Ich wunder mich immer über das Bedürfnis vieler Smartphonenutzer sich öffentlich zu offenbaren, das ist mir schleierhaft“, sagt Hasse, der allerdings auch differenzieren will. Die Nutzer müssten den Bedingungen für den Gebrauch einer App freiwillig zustimmen. Dazu müsse es sich um eine „informierte Einwilligung“handeln. Dadurch, dass der Nutzer nicht wisse, wo seine Daten hingehen, komme der Anbieter allerdings seiner Informationspflicht nicht nach. Dieses Problem stehe zur Zeit auf der Agenda der Datenschützer.
„Auch die Freiwilligkeit bei der Zustimmung wird mittlerweile von Juristen infragegestellt. Wenn ein Kind auf WhatsApp verzichten muss, weil es den Nutzungsbedingungen nicht zustimmt, ist es oft sozial ausgeschlossen, ob man in einem solchen Fall dann noch von freiwilliger Zustimmung reden kann, ist fraglich.“