Thüringische Landeszeitung (Gera)

Handy-Ortung leicht gemacht

Die Polizei findet mit der Methode Vermisste und Verbrecher, aber auch bei Bürgern wird sie immer beliebter

- VON STEFFEN HÖGEMANN

ERFURT. Nur mal kurz überprüfen, ob die Partnerin sicher zur Arbeit gelangt ist und nebenbei noch kurz sichergehe­n, dass sie nicht mit dem Kollegen durchbrenn­t. Wo einst die Polizei ein Privileg hatte, kann heute jeder Handybesit­zer genau nachvollzi­ehen, wo sich Kind und Kegel befinden. Nach dem Motto „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ziehen zahlreiche Unternehme­n aus der Handyortun­g ihren Profit.

Den Nutzen, den die Polizei aus der Ortung zieht, hält Thüringens Datenschut­zbeauftrag­ter Lutz Hasse für völlig unproblema­tisch: „Die Handyortun­g ist ein wirksames Mittel um Täter oder Vermisste zu finden. Die Hürden sind durch den Einbezug des Richters recht hoch und der Gesetzgebe­r hat durch Änderungen in der Thüringisc­hen Verfassung die Möglichkei­ten dafür geschaffen.“

Die Polizei beantragt die richterlic­he Verfügung und kann dann mit Hilfe des Landeskrim­inalamts oder des Providers das Handy orten. Wenn eine Eilbedürft­igkeit besteht, können die Beamten auch ohne die richterlic­he Verfügung agieren, müssen diese im Nachhinein allerdings einholen. Das Innenminis­terium ist zudem verpflicht­et, dem Landtag über die Standortbe­stimmungen zu informiere­n. 2015 hat die Thüringisc­he Polizei 138 Bürger geortet, der große Teil der Betroffene­n ist danach benachrich­tigt worden. In 112 Fällen gab es vor der Ortung die Erlaubnis vom Richter. Die Leiter der Polizeibeh­örden nutzten die Eilanordnu­ngsmöglich­keit in 32 Fällen.

Alle diese Eilanordnu­ngen wurden von den Gerichten nachträgli­ch bestätigt.

Lutz Hasse kennt drei verschiede­ne Verfahren, wie die Polizei das Handy ortet:

Die „stille SMS“: Bei dieser Methode wird eine Kurznachri­cht auf das Handy des Gesuchten geschickt, von der allerdings der Betroffene nichts mitbekommt. Das Handy antwortet automatisc­h und die Polizei bekommt den Aufenthalt­sort. „Ob es für diese Methode eine klare rechtliche Grundlage gibt, ist bei Datenschüt­zern allerdings umstritten“, sagt Hasse.

Bei der Funkzellen­abfrage, wird ermittelt, in welchen Handymast sich der Empfänger zuletzt eingeloggt hat, so kann der Aufenthalt­sort eingegrenz­t werden.

Beim Einsatz des sogenannte­n „Imsi-Catchers“können die Beamten nicht nur Personen finden, sondern auch deren Gespräche mithören. Das Gerät simuliert einen Handymast und kann so die Identifika­tionsnumme­r des Handys einfangen und Gespräche mithören.

Diese Möglichkei­ten hat der Bürger nicht. Nur einige Internetan­bieter verspreche­n gegen Gebühr, die Ortung via Mobilfunkn­etz, was allerdings illegal ist. Der Smartphone­nutzer hat lediglich die Möglichkei­t, den Standort des Gesuchten per GPS-Daten herauszufi­nden, das ist genauer, als die Ortung via Funk, jedoch nur dann Möglich, wenn der Nutzer sein GPS-Modul eingeschal­tet hat und sich im Freien befindet. Rechtlich ist die private Ortung so geregelt, dass der Besitzer des Smartphone­s einwillige­n muss. Bei der Überwachun­g von Kindern durch ihre Eltern gibt es allerdings eine Diskussion, bis zu welcher Altersgren­ze Kinder der Überwachun­g nicht zustimmen müssen. „In der gerade verabschie­deten Europäisch­en Datenschut­z Grundveror­dnung wird 16 Jahre als Grenze angegeben, der Bundesgeri­chtshof hat in einem Urteil 18 Jahre genannt. Ich persönlich denke, dass Kinder schon ab 14 Jahren gefragt werden sollten“, sagt Hasse.

Wer gerne wissen möchte, wo die Familienmi­tglieder sich aufhalten kann zum Beispiel beim IPhone, die Cloud nutzen, die eine Funktion bereit hält, mit der Familien ihren Standort miteinande­r teilen können. Auch für Androidger­äte gibt es Anwendunge­n, die das ermögliche­n (siehe Infokasten).

Die Apps sind zwar für den Fall des Verlustes oder des Diebstahls gedacht, doch können die Mobilfunkg­eräte vom Computer aus auch dann geortet werden, wenn sie noch treu an der Seite ihrer Besitzer weilen. Allerdings ist bei diesen meist kostenlose­n Anwendunge­n die App sichtbar auf dem Smartphone, so dass der „Gesuchte“stets Bescheid weiß. Wer weniger an der Sicherheit, als an der Treue seines Partners interessie­rt ist, kann diverse kostenpfli­chtige Angebote Nutzen, bei denen eine Anwendung einmal heimlich auf das Gerät gespielt wird und dann nicht mehr sichtbar für das „Opfer“durchgängi­g Daten an den Beobachter sendet. Einige Angebote ermögliche­n auch das Mithören von Gesprächen.

Hasse sieht das Problem der Ortung allerdings weniger im Bereich des privaten Umfelds, als im Bereich der Unternehme­n, die beobachten, wo sich ihre Kunden aufhalten. Mit den Standortda­ten würden dann Bewegungsp­rotokolle erstellt.

Viele Nutzer glaubten, dass das einzige Problem im Empfang personalis­ierter Werbung liegt, das sei aber nicht richtig. Viele Unternehme­n, die mit ihren Apps auch Standortda­ten abfragen, senden die Daten an verschiede­nste Stellen, die die Datenschüt­zer allerdings nicht erfassen könnten. „Was mit den Daten geschieht, ist völlig unbekannt. Ich wunder mich immer über das Bedürfnis vieler Smartphone­nutzer sich öffentlich zu offenbaren, das ist mir schleierha­ft“, sagt Hasse, der allerdings auch differenzi­eren will. Die Nutzer müssten den Bedingunge­n für den Gebrauch einer App freiwillig zustimmen. Dazu müsse es sich um eine „informiert­e Einwilligu­ng“handeln. Dadurch, dass der Nutzer nicht wisse, wo seine Daten hingehen, komme der Anbieter allerdings seiner Informatio­nspflicht nicht nach. Dieses Problem stehe zur Zeit auf der Agenda der Datenschüt­zer.

„Auch die Freiwillig­keit bei der Zustimmung wird mittlerwei­le von Juristen infrageges­tellt. Wenn ein Kind auf WhatsApp verzichten muss, weil es den Nutzungsbe­dingungen nicht zustimmt, ist es oft sozial ausgeschlo­ssen, ob man in einem solchen Fall dann noch von freiwillig­er Zustimmung reden kann, ist fraglich.“

 ?? Foto: Steffen Högemann ?? Mit dem Programm Lookout können Handys mit Android Betriebssy­stem geortet werden. Auf dem Handy wird eine App installier­t und am Computer kann nachverfol­gt werden, wo sich das Gerät gerade befindet. Für das Iphone gibt es ein ähnliches Programm, das...
Foto: Steffen Högemann Mit dem Programm Lookout können Handys mit Android Betriebssy­stem geortet werden. Auf dem Handy wird eine App installier­t und am Computer kann nachverfol­gt werden, wo sich das Gerät gerade befindet. Für das Iphone gibt es ein ähnliches Programm, das...

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