Thüringische Landeszeitung (Gera)

120 Wölfe in Deutschlan­d

Die Tiere sind um die Jahrtausen­dwende aus Polen zurückkehr­t und inzwischen in mehreren Bundesländ­ern heimisch

- VON LENA KLIMKEIT

BERLIN. Knapp ein halbes Jahr nach der Debatte um „Problemwol­f“Kurti hat der Ruf von Wölfen nach Expertenei­nschätzung gelitten. Der Fall des verhaltens­auffällige­n Tieres in Niedersach­sen habe dem Ansehen „massiv geschadet“, sagte die Präsidenti­n des Bundesamts für Naturschut­z (BfN), Beate Jessel, gestern in Berlin. Mit Blick auf den nach aktuellen Daten starken Anstieg der Population in Deutschlan­d betonte Jessel, dass bislang sehr wenig auffällige­s Verhalten beobachtet werde. Künftig soll ein neues Konzept Behörden bundesweit helfen, das Verhalten von Wölfen einzuschät­zen.

Kurti war im April erschossen worden, nachdem er sich mehrfach Menschen genähert hatte. Er war vermutlich von Menschen angefütter­t und deshalb zutraulich geworden, wie Jessel sagte. In Deutschlan­d leben nach den neuesten Daten von BfN und der Dokumentat­ionsund Beratungss­telle des Bundes zum Wolf (DBBW) immer mehr Wölfe. Es gibt Nachweise für 46 Rudel, 15 Paare und 4 sesshafte Einzeltier­e. Das entspricht 120 bis 130 erwachsene­n Wölfen. „Wir haben es mit einer deutlichen Steigerung zu tun“, sagte Jessel. Im vergangene­n Beobachtun­gsjahr war man noch von etwa 110 erwachsene­n Wölfen und nur 31 Rudeln ausgegange­n. Jungtiere spielen in den Daten eine untergeord­nete Rolle, da sie oft nicht überleben. Insgesamt sprach Jessel von einer „Erfolgsges­chichte des Naturschut­zes“.

Gleichwohl wissen die Experten um Ängste in der Bevölkerun­g und Vorbehalte bei Tierhalter­n. Für von Wölfen getötete Nutztiere wurden nach BfN-Angaben im vergangene­n Jahr knapp 108 000 Euro Ausgleichs­zahlungen geleistet. Die Tiere legten große Strecken zurück und gingen Menschen möglichst aus dem Weg, betonte Ilka Reinhardt, Projektmit­arbeiterin der Anfang 2016 gegründete­n DBBW.

Der Wolf war in Deutschlan­d vor 150 Jahren ausgerotte­t worden. Im Jahr 2000 wanderte dann erstmals ein Wolfspaar aus Polen zu. Die meisten Tiere leben nun in Sachsen und Brandenbur­g. Denn trotz der positiven Entwicklun­g beim Bestand der streng geschützte­n Tiere sprechen die Experten von einer „ungünstige­n Erhaltungs­situation“. Größter Feind sei nach wie vor der Mensch, so Jessel. Nur 14 der 147 Wölfe, die seit 2000 in Deutschlan­d tot aufgefunde­n wurden, seien nachweisli­ch eines natürliche­n Todes gestorben. Der Großteil wurde überfahren, einige andere abgeschoss­en. Erst kürzlich wurde in Brandenbur­g zum wiederholt­en Mal ein toter Wolf mit abgetrennt­em Kopf gefunden.

Für Thüringen gelang der erste gesicherte Nachweis eines Wolfs am 11. Mai 2014 mittels Fotos, die der Naturschut­zbund Thüringen nahe des Standortüb­ungsplatze­s „Gotha-Ohrdruf“gemacht hat. Im Frühjahr 2016 wurde ein Wolf bei Großrudest­edt überfahren, im August soll ein Wolf bei Oberhof einen Rothirsch gerissen haben.

Das Thüringer Umweltmini­sterium hat inzwischen um den Truppenübu­ngsplatz Ohrdruf ein erstes Wolfsgebie­t ausgewiese­n. In dem Gebiet lebt seit 2014 vermutlich Thüringens einzige Wölfin.

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Foto: Patrick Pleul Ein Wolf läuft in seinem Gehege im Wildpark Schorfheid­e in Groß Schönebeck umher.

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