Thüringische Landeszeitung (Gera)
Bauernfunktionäre bloßgestellt
Eklige Bilder von leidenden Schweinen und Puten zeigte die ARD – Eine Szene stammt aus einem Ostthüringer Betrieb
ERFURT. Zu sehen ist eine Frau, die ein neu geborenes Ferkel an den Hinterläufen hält. Das Tier bewegt sich nicht. Die Frau schaut sich unschlüssig um, und dann filmt die versteckte Kamera, wie sie das Ferkel mit dem Kopf auf den Boden schlägt. Offenbar nicht kräftig genug. Das abgelegte Schweinchen zuckt noch, sein Schwanz wedelt.
Das ist noch die erträglichste Aufnahme, die das ARD-Magazin „Panorama“am Donnerstag Abend ausstrahlte. Aktivisten der Tierschutzorganisation Animal Rights Watch (Ariwa) drangen zum wiederholten Mal in Aufzucht- und Mastbetriebe ein und filmten Schweine mit klaffenden Wunden am After, mit blutig abgebissenen Schwänzen, vereiterten Augen und gebrochenen Beinen. In einem Putenstall entstanden die schon sattsam bekannten Bilder von schwer verletzten Tieren, mehr tot als lebendig. Eine Folge von Kannibalismus, der bei industrieller Putenhaltung immer wieder auftritt. Das Pikante an dieser Panorama-Sendung: Die Videos wurden ausnahmslos in Ställen aufgenommen, die bekannten Bauernfunktionären gehören oder für die sie als Geschäftsführer Verantwortung tragen. Die oben beschriebene Szene mit dem Ferkel spielte sich in der Agrarprodukte Laskau GmbH (Saale-Orla-Kreis) ab. Geschäftsführer: Helmut Gumpert, Präsident des Thüringer Bauernverbandes. Der gestandene Landwirt war gestern mehr als zerknirscht. Die unsachgemäße Ferkeltötung sei zwar länger als ein Jahr her, sagte er dem MDR, und längst seien Konsequenzen gezogen. Die Tierbetreuerin habe Abzüge bei den Zulagen hinnehmen müssen, sei aber nach wie vor im Betrieb. Mitarbeiter seien inzwischen geschult worden. Gumpert: „Ich schließe aus, dass so etwas heute noch einmal vorkommt.“
Johanna Scheringer-Wright, Agrar-Fachfrau der Linke-Landtagsfraktion, findet Gumperts Entscheidung richtig, die Tierbetreuerin nicht gefeuert zu haben. Sie selbst, erzählt die Abgeordnete, habe im Rahmen ihres Agrarstudiums ein Jahr Praktikum in der Ferkelaufzucht gemacht und schwache, nicht lebensfähige Ferkel gleich nach deren Geburt töten müssen. Da fühle man sich gestresst und „sehr allein“, erinnert sich die Linke-Politikerin, auch wenn ihre Erfahrungen schon 35 Jahre zurück liegen. Die Schulung der Mitarbeiter sei enorm wichtig.
Die Thüringer Grünen hingegen gehen mit Bauernfunktionär Gumpert hart ins Gericht. Er könne für sie kein glaubwürdiger Gesprächspartner mehr sein, erklärte gestern Landesparteichefin Stephanie Erben. Olaf Müller, agrarpolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, sagte der Fehler sei im System angelegt. Auch wenn industrielle Tierhalter das Gegenteil behaupteten, könnten sie nicht anders, als immer wieder gegen den Tierschutz zu verstoßen. Die CDU-Abgeordneten Stefan Gruhner und Christian Herrgott warfen den Grünen „hysterische Stimmungsmache“gegen Gumpert vor. Dieser habe Fehler eingestanden und Missstände aufgearbeitet, Panikmache sei fehl am Platz. Das Sozialministerium verwies auf die Tierschutzverordnung.