Thüringische Landeszeitung (Gera)

Klassische Moderne

Berliner Nationalga­lerie wagt neuen Blick auf den Maler Ernst Ludwig Kirchner

- VON NADA WEIGELT

Ernst Ludwig Kirchner, der Mitbegründ­er der Künstlerve­reinigung „Brücke“, ist das große Aushängesc­hild des deutschen Expression­ismus. Seine Werke wie „Berliner Straßensze­ne“oder „Potsdamer Platz“stehen weltweit für die Klassische Moderne. Die Berliner Nationalga­lerie versucht jetzt einen neuen Blick auf den in der NS-Zeit verfemten Künstler (1880-1938). Die Ausstellun­g „Ernst Ludwig Kirchner – Hieroglyph­en“(bis 26. Februar 2017) im Museum Hamburger Bahnhof soll seine Zeichenspr­ache in den Mittelpunk­t stellen, wie Kurator Joachim Jäger am Dienstag bei einer Vorbesicht­igung erläuterte.

Es ist eine kleine, aber feine Schau: Zu sehen sind die 17 Gemälde aus der eigenen Sammlung – dazu Skizzen, Zeichnunge­n, Fotos und Bücher. Ergänzt werden sie durch Arbeiten der beiden zeitgenöss­ischen Künstler Rudolf Stingel und Rosa Barba, die sich auf je eigene Art mit dem Werk auseinande­rsetzen.

Auffallend an Kirchners Kunst ist laut Jäger der Drang zur Abstraktio­n, die Verwendung von Formen und Chiffren. Kirchner selbst habe dafür das Wort Hieroglyph­en verwendet, das sich im Titel der Ausstellun­g wiederfind­et. „Die Verkürzung der menschlich­en Figur zum Beispiel auf wenige Strichform­en zieht sich durch das ganze Oeuvre“, so der Kurator.

Besonders deutlich ist beim Bild „Potsdamer Platz“(1914), dem Glanzstück der Schau, aber auch bei Werken wie „Der BelleAllia­nce-Platz in Berlin“oder beim Spätwerk „Max Liebermann in seinem Atelier“. Die danebenges­tellten Entwürfe machen anschaulic­h, wie er zu dieser reduzierte­n Formenspra­che kam. „Der beste Prüfstein für die künstleris­che Arbeit ist die Zeichnung, die Skizze“, notierte er einmal. „In ihrer unmittelba­ren Ekstase erfassen sie die reinsten und feinsten Gefühle des Schaffende­n an der Fläche in fertigen Hieroglyph­en.“

Die Neue Nationalga­lerie macht mit der Ausstellun­g eine Not zur Tugend. Weil das beliebte Stammhaus in der Nähe des Potsdamer Platzes wegen einer grundlegen­den Sanierung voraussich­tlich bis 2019 geschlosse­n ist, werden Teile der Sammlung in wechselnde­r Form andernorts präsentier­t. Die dafür geschaffen­e „Neue Galerie“im Hamburger Bahnhof gibt dafür einen guten Rahmen. Zugleich ist der Name laut Nationalga­lerie-Direktor Udo Kittelmann eine „humorvolle Anspielung“auf das gleichnami­ge Museum für deutsche und österreich­ische Kunst, das der Sammler und Kosmetiker­be Ronald Lauder in New York betreibt.

Dieser besitzt mit der „Berliner Straßensze­ne“das wohl berühmtest­e Kirchner-Bild. Er hatte das Ölgemälde 2006 für mehr als 30 Millionen Euro ersteigert, nachdem das Land Berlin es in einer umstritten­en Aktion an die Erben der einstigen jüdischen Besitzer zurückgege­ben hatte.

 ?? Foto: Paul Zinken ?? „Potsdamer Platz“ist der Publikumsm­agnet der neuen Ausstellun­g. Bis zum 26. Februar werden sämtliche Werke von Ernst Ludwig Kirchner aus dem Bestand der Nationalga­lerie gezeigt.
Foto: Paul Zinken „Potsdamer Platz“ist der Publikumsm­agnet der neuen Ausstellun­g. Bis zum 26. Februar werden sämtliche Werke von Ernst Ludwig Kirchner aus dem Bestand der Nationalga­lerie gezeigt.

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