Thüringische Landeszeitung (Gera)
Ein Jude, der den Islamhass nicht befördern will
Shahak Shapira erzählt, wie schwer es ist, in Deutschland kein Jude sein zu wollen, wenn man einer ist
wegen Bacon verboten. Ich kann doch nicht an einen Gott glauben, der Bacon verbietet.“
Das ist der Ton. Shahak Shapira, 28 Jahre alt, lebt in Berlin, ist Art Director und DJ. Und außerhalb seiner Kreise würde ihn kein Mensch kennen, er wäre wohl nie Buchautor und Medienstar geworden, hätte er nicht Silvester 2015 in Berlin die U-Bahn benutzt. Da sangen ein paar arabischstämmige Männer antisemitische Parolen, und er filmte das mit dem Handy. In der Folge wurde er zusammengetreten. So kam er in die Medien, so wurde er auch für die „patriotischen Niedrigstromleuchten von Pegida“zum Vehikel ihrer Islamphobie. Und dann wurde er ein weiteres Mal zum medialen Thema, als er zu Protokoll gab, er wolle nicht „der Kanal für Islamhass“sein. Seine Begründung ist so schlicht wie zutreffend: „Wer nicht diskriminiert werden möchte, darf nicht zusehen, wenn andere diskriminiert werden.“Das machte ihm keine Freunde in Israel, dessen Staatsbürger er ist und bleibt.
Dabei, der Mann würde optisch durchgehen als arisches Grundmuster, er hat einen hippen Job in der Werbung und lebt das hippe Leben, das man leben kann in Berlin. Und weite Teile dieses Buches haben nichts mit seiner Jüdischkeit zu tun, vieles was er erzählt, könnte ein Australier oder Deutscher eben so erzählen, Job, Frauen, Musik. Und eben darum steht dieses Buch dafür, wie schwer es ist, der eigenen Jüdischkeit zu entkommen. Weil Juden vielfach erst von den anderen zu Juden gemacht wurden und werden.
Der Junge kommt 14-jährig mit seiner Mutter und ihrem neuen Lebensgefährten nach Laucha. Ausgerechnet Laucha, wo der örtliche Fußballverein von einem bekennenden und bekannten Rechten trainiert wird. Am 20. April röhrt aus dem Fenster des Bezirksschonsteinfegermeisters Neonazi-Rock, und auf dem Fensterbrett steht eine Statue des Mannes, den er so an seinem Geburtstag ehrt. Was auf dem Rasen und in der Stadt niemanden stört, erst die deutschlandweite Öffentlichkeit erzwingt Änderung. Studium in Berlin, einer wie alle. Bis die Mutter anruft. Der kleine Bruder, das „Judenschwein“ wurde zusammengeschlagen in Laucha. Bis ihm nahegelegt wird, seinen Berliner Fußballverein zu verlassen. Es gab Krach, einer, ein syrischer Student der Mathematik, hatte ihn „Judenschwein“genannt, der Trainer, ein Libanese, hatte zugeschaut – und das „Judenschwein“sollte gehen.
Shahak Shapira erzählt mit viel Selbstironie über sich und die Juden, das ist die coole Lässigkeit eines jungen Mannes aus der Werbung. Diesen Ton versagt er sich, wenn er von den Großvätern erzählt: Der eine überlebte den Holocaust in Polen, der andere, ein Leichtatlethiktrainer, überlebte nicht die Olympischen Spiele in München. Der junge Mann, den die Umstände zur Medienfigur machten, pflegt nicht den aggressiven, zwischen Furor und Attitüde changierenden Ton von Maxim Biller oder Henryk M. Broder, er wollte nicht qua Geburt als etwas so oder so Besonderes wahrgenommen, er wollte ein Jude sein wie andere Spanier sind oder Ungarn – aber sie ließen ihn nicht.
Das ist kein großes, kein bedeutendes Buch, aber die Haltung, die dieser junge Mann vertritt, die ist groß und bedeutend: Es ist, es wäre die Haltung zum Frieden hin. Hier wie dort.
Shahak Shapira: Das wird man ja wohl noch schreiben dürfen! Wie ich der deutscheste Jude der Welt wurde. RowohltVerlag, 240 Seiten, 14.99 Euro. Shahak Shapira liest im Rahmen der „Erfurter Herbstlese“am Dienstag, 27. September, 18 Uhr, im Klub Franz Mehlhose.