Thüringische Landeszeitung (Gera)
Amsterdam im Herbst – bunt und entspannt
Abseits des Sommers ist die niederländische Metropole nicht mehr so überfüllt, für Touristen aber weiter reizvoll
AMSTERDAM. Amsterdam hat ein echtes Problem – die Stadt ist einfach zu attraktiv. Vor allem im Sommer scheinen auf jeden Einwohner drei Touristen zu kommen. Da ist es im Herbst schon ruhiger. Amsterdam ist dann immer noch so schön, aber bunter. Wer auf einer der vielen Brücken über der Heren- oder der Keizersgracht steht, kann zusehen, wie die Blätter von den Bäumen geweht werden, in der Luft tanzen und auf dem Wasser landen. Auf den Grachten wird der gelb-rote Blätterteppich jeden Tag etwas dichter.
Unternehmen lässt sich in Amsterdam im Herbst genauso viel wie im Hochsommer. Vor den bekanntesten touristischen Attraktionen gibt es auch dann noch lange Schlangen, aber insgesamt ist es entspannter. In den meisten Museen haben Besucher dann viel mehr Ruhe. Gerade Tage, an denen die Sonne Pause macht, sind ideal für Abstecher in Amsterdams Kulturlandschaft. Hier einige Tipps für Herbsturlauber: SYNAGOGE Die Portugiesische Synagoge ist aus vielen Gründen eindrucksvoll. Die Synagoge geht auf das Jahr 1675 zurück und auf jüdische Glaubensflüchtlinge, die Portugal und Spanien aus Angst vor Verfolgung verlassen mussten. Weite Teile der Einrichtung sind historisch. Über den zahlreichen Reihen mit Holzbänken hängen Leuchter. Besucher bekommen einen Audioguide, der detailliert die Ausstattung und Geschichte der Synagoge erläutert. Die Synagoge ist Teil des jüdischen Kulturviertels mit vielen Anlaufpunkten. Dazu gehört das Jüdisch-Historische Museum. Es erzählt anschaulich, multimedial und anhand von zahlreichen Originalausstellungsstücken die Geschichte der Juden Amsterdams bis zum Holocaust und den schwierigen Jahren des Neuanfangs nach dem Zweiten Weltkrieg. GRACHTEN Auch wenn es im Herbst schon mal etwas frischer werden sollte, ist das kein Grund, keine Grachtentour zu machen. Die Ausflugsschiffe legen an Dutzenden von Haltestellen an und ab, es gibt Hop-on-Hop-of-Touren, bei denen man immer wieder ausund einsteigen kann. Dabei sieht man von der Amsterdams Altstadt eine Menge. Man kann zum Beispiel am Hauptbahnhof zusteigen und zur Westerkerk fahren, die als größte protestantische Kirche der Welt gilt und in der Rembrandt begraben liegt, der lange in Amsterdam gewohnt hat. Und man kann ins Jordaanviertel fahren, Amsterdams neues In-Quartier mit vielen ungewöhnlichen Läden und Geschäften. Vor Jahrzehnten war es ein Arbeiterviertel, keine Wohngegend für Gutbetuchte, inzwischen ist es aber durchgentrifiziert – und hat Touristen, die Lust auf Shoppen und Flohmärkte haben, viel zu bieten. ANNEFRANKHAUS Dieses Museum ist ein Phänomen. Die Warteschlangen vor dem Eingang sind am Morgen, wenn es noch geschlossen hat, schon so lang wie später am frühen Abend und reichen oft bis zur Keizersgracht. Aber das Warten lohnt sich: Das Museum in dem Haus, in dem sich Anne Franks Familie versteckt hielt, bis sie von den Nazis aufgespürt und deportiert wurde, vermittelt diese Geschichte eindrucksvoll. An den Wänden sind Zitate aus Annes berühmtem Tagebuch zu lesen und Fotos der Familie zu sehen, die aus Frankfurt nach Amsterdam geflohen war.
Es gibt auch Filmdokumente – mit dem Vater etwa, der erzählt, wie er das Tagebuch 1945 zum ersten Mal gelesen hat oder von Miep Gies, die der Familie half, sich zu verstecken. MUSEUMSPLEIN An diesem Platz führt für Amsterdam-Besucher eigentlich kein Weg vorbei. Wer Kunst doof findet, kann ihn natürlich links liegenlassen. Ansonsten gilt: Viel mehr bekommt man auf so kleinem Raum kaum geboten. Das Rijksmuseum zeigt niederländische Kunst vom Mittelalter bis 20. Jahrhundert, darunter die großen Namen: Rembrandt, Frans Hals, Vermeer.
Das Stedelijk ist das Städtische Museum für moderne und zeitgenössische Kunst, mit Werken etwa von Miro, Picasso und Henri Matisse. Und das VanGogh-Museum widmet sich dem Popstar unter den niederländischen Künstlern mit einer ebenso modernen wie gut zu bewältigenden Ausstellung. Neu seit dem Frühjahr ist das Moco Museum mit Gegenwartskunst. Noch bis Ende Oktober zeigt es Werke des Street-Art-Künstlers Banksy. DIAMANTEN Die Diamantenfabrik Gassan lässt nicht nur Besucher rein, sondern bietet auch kostenlose Führungen an. Dabei ist zu sehen, wie Diamanten geschliffen und poliert werden. Und die Führerin erklärt, welche Kategorien von Steinen es gibt, und welche warum wie viel kosten. Bei den Preisen kann einem leicht schwindlig werden: Auf dem Tisch liegen schon mal Steinchen, die mehr als 50 000 Euro wert sind.
Auch Ringe und Uhren mit Brillis sind zu sehen. Wer seine Kreditkarte dabei hat, kann hinterher durch den Showroom schlendern und ein Souvenir kaufen. Das ist sicher auch die Absicht der lächelnden Mitarbeiterinnen, die einem bei den Führungen funkelnde Brillanten in die Finger nehmen lassen – aber nur für kurze Zeit.