Thüringische Landeszeitung (Gera)
Abgestuft
65 Landesstraßen sollen 2018 und 2019 zu Kreis oder Gemeindestraßen werden – ob dafür genug Geld da sein wird, ist aber fraglich
ERFURT. Straßen neu einzustufen gehört zum Tagesgeschäft im Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft. In Vorgängerregierungen hieß das Haus, das von Ministerin Birgit Keller (Linke) geleitet wird, einfach Bauministerium.
Sei es drum: Das Geschäft ändert sich deshalb nicht. Oft geht das zum Leidwesen der Kommunen. Denn die müssen mit neuen Eingruppierungen von Straßen leben. Meist läuft das nach diesem Motto: Das Land will Kilometer seines Straßennetzes loswerden, Landkreise oder Gemeinden wollen diese aber nicht haben. Der Grund dafür ist einfach benannt: Die Straßenunterhaltung kostet eine Stange Geld.
Dennoch werden seit jeher in Thüringen jährlich viele Kilometer Straße aus dem Netz genommen und an Kommunen beziehungsweise Landkreise übergeben, die dann auch für die Unterhaltung zuständig sind.
Dagegen begehrt mancher allerdings auf. Seit 2011, so lautet die Auskunft des Ministeriums auf Nachfrage, sei zum Beispiel ein Klageverfahren der Gemeinde Gerstungen gegen die Umstufung der Landesstraße 2116 anhängig. Das Verwaltungsgericht Meiningen hatte die Klage im Dezember 2013 abgewiesen, seither herrscht Stillstand. Verfahren wie dieses können sich oft über Jahre hinziehen – meist für die Kommunen mit sehr unsicherem Ausgang.
Die Längenstatistik des Thüringer Landesamtes für Straßenbau und Verkehr besagt, dass die Ausdünnung des Landesstraßennetzes in den vergangenen drei Jahren deutlich zurückgefahren wurde. 2012 verlor der Freistaat 124 Kilometer seines Trassennetzes, ein Jahr später waren es sogar 182. Diesen Wert erreichen die Jahre 2014, 2015 und 2016 zusammen nicht – in diesem Jahr werden lediglich 21 Kilometer Landesstraße abgestuft. Die Investitionen, die im Haushalt dafür vorgesehen sind, liegen bei 3,54 Millionen Euro, wie ein Ministeriumssprecher auf TLZ-Anfrage sagte. Das veranschlagte Geld reiche aus, werde vollständig ausgegeben. Bisher sind 1,4 Millionen Euro investiert worden, das restliche Geld werde bis zum Jahresende in die Straßenunterhaltung gesteckt. Für das nächste Jahr stehen 6 Millionen Euro im Landeshaushalt, die zur Sanierung von abzustufenden Straßen aufgewendet werden sollen.
In den nächsten Jahren wird dieses Geld nicht reichen. Bereits jetzt liegt ein umfangreicher Plan der vier Straßenbauämter vor, welche Landesstraßen in 2018 und 2019 abgestuft werden sollen. 65 Landesstraßen oder Teilstücke könnten nach Planungen der Behörden zu Kreis- oder Gemeindestraßen werden. Hinzu kommt der Plan, die nördliche Ortsdurchfahrt von Bolleroda, Ortsteil der Gemeinde Hörselberg-Hainich im Wartburgkreis, bis zur Landesstraße 2114 im übernächsten Jahr komplett einzuziehen. Dass die Planungen der Straßenbauämter vollends aufgehen, daran dürfen allerdings Zweifel laut werden – denn allein die bisher festgesetzten Investitionssummen übersteigen schon die Investitionen in die Straßenunterhaltung der vergangenen zwei Jahre. 11,98 Millionen Euro haben die Straßenbauämter für die Instandsetzung umzustufender Straßen in den Jahren 2018 und 2019 bereits veranschlagt, obwohl die Haushaltsberatungen dafür noch gar nicht begonnen haben.
2,3 Millionen Euro für eine Abstufung
Beim Ministerium heißt es dazu: „Da die Straßen grundsätzlich in einem ordnungsgemäßen Zustand an die neuen Straßenbaulastträger übergeben werden, wird beim Verwaltungsverfahren für die Umstufung darauf geachtet, wann es den Straßenbauämtern (finanziell) möglich ist, die Straße vor der Umstufung in einen solchen Zustand zu versetzen.“Daher müssten die finanziellen Mittel, die für eine Umstufung notwendig sind, im Auge behalten werden. Gerade einmal 31 Straßen werden allerdings derzeit konkret mit Investitionssummen angegeben, die wie beschrieben schon bei 11,98 Millionen Euro liegen. Darunter ist die Noch-Landesstraße 1144 bei Gräfinau-Angstedt. Die Abstufung des Teilstückes zu einer Kreisstraße soll allein 2,3 Millionen Euro kosten. Das geht aus einem Papier des Ministeriums hervor. Die Straße würde dann, wenn der Plan so eintritt, 2019 an den Ilm-Kreis übergeben werden.
Teuer wird es auch im Eichsfeld: Zwei Straßenabstufungen, die das Straßenbauamt Nordthüringen derzeit für 2018 und 2019 plant, würden 1,21 Millionen Euro kosten. Betroffen davon wären die Landesstraßen 2026 zwischen Krombach und Rüstungen sowie die L 2027 von Wilbich bis zur L 2032. Beide Teilstücke sollen im Anschluss Gemeindestraßen werden.
Dass sich der Bau der Autobahn A 38 und die Eröffnung des Teilstückes zwischen Bleicherode und Breitenworbis auf den Verkehr ausgewirkt hat, wird die Kommune im Landkreis Nordhausen spätestens im Jahr 2018 erneut merken – dann allerdings am eigenen Haushalt. In dem Jahr soll nach Plan die Landesstraße 1035 von Bleicherode bis zur L 3080 (früher Bundesstraße 80) – sie verläuft parallel zur Autobahn – zur Gemeindestraße werden. Zuvor sind aber noch 820 000 Euro für die Instandsetzung eingeplant.
Zu der ist der Freistaat laut Thüringer Straßengesetz verpflichtet, wenn Straßen an die nachgeordneten Gebietskörperschaften übergeben werden sollen.
Klar geregelt wird das in § 11 Absatz 4 des Gesetzes, der besagt: „Der bisherige Träger der Straßenbaulast hat dem neuen Träger der Straßenbaulast dafür einzustehen, dass er die Straße in dem durch die Verkehrsbedeutung gebotenen Umfang ordnungsgemäß unterhalten und den notwendigen Grunderwerb durchgeführt hat.“
Zweifel am Plan bestehen
Wie schnell die Umsetzung des Abstufungsplanes indes erfolgt, hängt nicht nur von den Haushaltsberatungen und dem Beschluss für die Jahre 2018 und 2019 ab. Hat das Ministerium per Allgemeinverfügung eine Abstufung erlassen, kann die Gemeinde sofort den Klageweg beschreiten – Widersprüche gegen die Allgemeinverfügung gibt es nicht.
Beim Ministerium rechnet man bereits damit, dass nicht alle Abstufungen in den nächsten drei Jahren reibungslos laufen werden. Unter Bezugnahme auf die nächsten drei Jahre teilt ein Ministeriumssprecher mit: „Konkrete Angaben zu statistischen Werten sind jedoch nicht möglich, da weder die Dauer der Umstufungs- als auch der Klageverfahren vorab abgeschätzt werden kann.“
Wie im Fall der Gemeinde Gerstungen – hier zieht sich das Klageverfahren seit 2011 hin.